Frankfurt

Twittern um seine Niere: @fischblog gewinnt „Virenschleuderpreis“ für Marketing

Mit einer Krankengeschichte den „Virenschleuderpreis“ gewinnen – dem Wissenschaftsjournalisten Lars Fischer ist das gelungen. Mit Viren hat das nichts zu tun – es geht um eine Nierentransplantation und wie sich das Thema viral verbreitete.

Lesezeit: 3 Minuten
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Von unserem Redakteur Lars Wienand

Er „hatte auf einmal eine Geschichte vor der Nase, die ich nur noch erzählen musste“: Eigentlich saß die Geschichte von Lars Fischer alias @fischblog tiefer. Die persönliche Geschichte des Wissenschaftsjournalisten von spektrum.de geht um die Niere, um seine einzige Niere. Sein ebenso öffentlicher wie humorvoller Umgang mit der Transplantation löste so viele Reaktionen aus, dass er am Donnerstag bei der Frankfurter Buchmesse den Virenschleuderpreis für ansteckendes Marketing gewonnen hat.

Lars Fischer ist aufgrund des Frazer-Syndroms nur mit einer Niere zur Welt gekommen – und die funktionierte seit 2008 nicht mehr. Irgendwann twitterte Lars Fischer dann mit dem Hashtag #catchthekidney zu einer möglichen Transplantation. „Wie bei einer Kindergarten-Rallye“ sei der Marsch durch die Praxen, twitterte er: „Ein Checkpoint alberner als der andere, und am Ende gibts Schoki.“ Er twitterte über das ernste Thema mit niederschmetternden Momenten genauso wie über das übliche, „also über Wacken, Wissenschaft, Bier und Seegurkenpenisse“, wie es in der Nominierung hieß. Er ahnte nicht, was noch kommen sollte bis zur Schoki in Form der Niere.

Als er die Niere schließlich über ein Jahr nach dem ersten #catchthekidney-Tweet hatte, ...

... waren Tausende Tweets mit #catchthekidney verschickt, eine eigene Seite Catch the kidney mit einer Sammlung guter Wünsche und guter Links war für ihn angelegt worden und ein kleines Computerspiel programmiert. Twitterer taten sich auch zusammen, um seiner Mutter für die Organspende ein Geschenk zu machen. Und der ein oder andere hatte sich überhaupt erstmals ernsthaft mit Organspende auseinandergesetzt.

Die WAZ rief ihn deshalb in einem Text halb im Scherz zur „Angelina Jolie der Nierentransplantation“ aus. Von Tragweite und Kontroverse sei #catchthekidney natürlich nicht vergleichbar mit Jolies öffentlicher Erklärung, dass sie sich aus Krebsangst die Brüste abnehmen ließ. Das Thema sei ja seit einiger Zeit immer mal wieder im Gespräch. „#catchthekidney wird sicherlich auch ein paar Leute bewogen haben, sich Organspendeausweise zuzulegen, aber mein Effekt dürfte insgesamt eher begrenzt gewesen sein.“

Doch genau das brachte ihm dann die Nominierung für den noch jungen Virenschleuderpreis ein. Weil er Aufmerksamkeit fürs Thema Organspende geschaffen habe, kam er in die engere Wahl und wurde am Donnerstagabend als Sieger in der Kategorie Persönlichkeit verkündet. „Die Niere habe ich heute in noch gutem Zustand dabei“, sagte er bei der Preisverleihung.

Der eigentliche Preis für #catchthekidney sei aber etwas anderes, erklärte er unserer Zeitung vor der Verkündung: „Die bemerkenswerte Resonanz, die das hervorgerufen hat: Mein Job ist es, ein breites Publikum anzusprechen, und das ist mir gelungen.“

Lars Fischer geht es heute soweit gut, sagt er. Die Ärzte seien sehr zufrieden. Er mit ihnen auch. Und wenn sich daran mal was ändern sollte: Er wird es sicher mit schwarzem Humor twittern ...

Update: Gewinner in den beiden anderen Kategorien sind der Frohmann Verlag mit dem Kater-Salon (“Marketing-Idee“) und brandsatz GmbH („Marketing-Maßnahme/-Strategie“). „Alle sind Gewinner“, sagte Veranstalter Leander Wattig. Hintergrund: Die Nominierungen erfolgen öffentlich, haben allen Nominierten bereits zusätzliche Aufmerksamkeit gebracht.

Autor:
Lars Wienand
(Mail, Google+)