Berlin

Sascha Lobo: Das Internet ist kaputt

Fast alles, was einer im Internet macht, können Behörden nachvollziehen. Sascha Lobo, hier bei seinem Besuch der Rhein-Zeitung vor zwei Jahren, hält diese Überwachung für eine „Kränkung der Menschheit“.
Fast alles, was einer im Internet macht, können Behörden nachvollziehen. Sascha Lobo, hier bei seinem Besuch der Rhein-Zeitung vor zwei Jahren, hält diese Überwachung für eine „Kränkung der Menschheit“. Foto: Jens Weber

Seit Jahren war er der wichtigste Fürsprecher einer digitalen Gesellschaft und immer wieder als Erklärer von Internet-Entwicklungen präsent – nun hat Sascha Lobo (38), Deutschlands prominentester Blogger, einen Schlussstrich unter die jüngste Entwicklung des weltweiten Datennetzes gezogen.

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Von unserem Digital-Chef Marcus Schwarze

„Das Internet ist kaputt“, schrieb er in einem großen Beitrag – der wie zum Beweis nicht zuerst im Netz erschien, sondern in einer Zeitung.

Die „Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung“ (FAS) diente dem Berliner Blogger mit der markanten Frisur als beste Veröffentlichungsplattform für seinen ausführlichen Essay unter der Überschrift „Die digitale Kränkung des Menschen“. Auch dieses Detail ist ein kleines Symbol.

Ein Spielfeld von Gnaden der NSA

In seinem Essay erhebt Lobo schwere Vorwürfe gegen Regierungen und Konzerne. „Die fast vollständige Durchdringung der digitalen Sphäre durch Spähapparate hat den famosen Jahrtausendmarkt der Möglichkeiten (das Internet) in ein Spielfeld von Gnaden der NSA verwandelt“, schrieb Lobo. Die Enthüllungen von Edward Snowden, der als Administator für den amerikanischen Geheimdienst gearbeitet und dessen Ausspähungen öffentlich bekannt gemacht hatte, offenbarten den größten Irrtum des Netzzeitalters.

Lobo schrieb, er habe sich „geirrt, und zwar auf die für Experten ungünstigste Art, also durch Naivität“. Es gebe spätestens seit 2013 „die digitale Kränkung der Menschheit: Was so viele für ein Instrument der Freiheit hielten, wird aufs Effektivste für das exakte Gegenteil benutzt“.

Bislang habe er verkündet, das Internet sei das ideale Medium der Demokratie, Freiheit und Emanzipation, schrieb Lobo. Nach der NSA-Spähaffäre und neuen Erkenntnissen über Wirtschaftsspionage oder Kontrollwahn bei Konzernen ist er sich nun sicher: Als Medium totaler Kontrolle untergrabe das Internet die Grundlagen der freiheitlichen Gesellschaft.

Merkel verglich NSA mit der Stasi

Lobo nannte als Beispiel der Hilflosigkeit auch die Reaktionen der Politik: So sei es nicht mehr als ein „Ballen des Regierungsfäustchens“ gewesen, dass das Kanzleramt vergangenen September einen Hubschrauber in den Tiefflug übers Frankfurter US-Konsulat schickte, weil dort Abhörstationen postiert sein sollen. „Das wahre Ausmaß der Kränkung wurde bekannt, als Merkel zur Überwachung ihres Handys persönlich mit Obama telefoniert und dabei die NSA mit der Stasi verglichen hat.“ Der Skandal „betrifft auch jene, die glauben, der Totalüberwachung zu entgehen, indem sie Facebook nicht benutzen“. Lobos Hoffnung: „Das Internet ist kaputt, die Idee der digitalen Vernetzung ist es nicht.“

Die Reaktionen auf den Beitrag reichten von Zustimmung bis zu Häme. Lars Reppesgaard, Autor mehrerer Bücher über Google, schrieb, es gehe nun um Bürgerrechte und den Kampf gegen Unfreiheit.

Unterdessen droht nach Informationen der „Süddeutschen Zeitung“, ein „No-Spy“-Abkommen der Bundesrepublik mit den USA zu scheitern. Wie die Zeitung in ihrer heutigen Ausgabe berichtet, habe die Bundesregierung kaum noch Hoffnung, ein Abkommen abzuschließen, das einen Verzicht auf Spionage beinhalten sollte. Die USA verweigerten sogar die Zusage, künftig keine deutschen Regierungsmitglieder mehr abzuhören.