Berlin

Klein, stark, aber viel Müll: Kaffee in Einzelportionen

Kaffee aus den kleinen, bunten Kapseln liegt im Trend. Doch er belastet die Umwelt, kritisieren Naturschützer.
Kaffee aus den kleinen, bunten Kapseln liegt im Trend. Doch er belastet die Umwelt, kritisieren Naturschützer. Foto: dpa

Kaffee ist das Lieblingsgetränk der Deutschen. 162 Liter oder 650 Tassen trinken sie davon im Schnitt pro Jahr. Doch der Genuss der gerösteten Bohnen aus Kapseln oder Einwegbechern gilt als Umweltsünde. Dadurch entstehen Tonnen von Müll. Und nur ein kleiner Teil wird wirklich recycelt. Umweltschützer warnen seit Langem vor den Folgen, doch die deutschen Kaffeetrinker stört das wenig: Der Marktanteil von Kapseln wächst beständig.

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2008 wurden in Deutschland etwa 800 Tonnen Kaffeekapseln verkauft. 2014 waren es nach Angaben des Kaffeeverbandes dann schon 17 750 Tonnen und im vergangenen Jahr 20 600 Tonnen. 2015 hatten Kapseln einen Marktanteil von 5,5 Prozent – ein Plus von 16 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. „Nahezu jeder große Kaffeeanbieter macht inzwischen auch in Kapseln“, sagt Thomas Fischer von der Deutschen Umwelthilfe. Neben den bekannten Herstellern wie Nespresso und Nestlé bieten auch Discounter wie Aldi und Lidl eigene Kapseln an. Und der Verbrauch wird nach Ansicht Fischers weiter steigen: „Die Kapseln sind eine Lizenz zum Gelddrucken.“ Daher bewerben die Unternehmen sie massiv und versuchen, ihnen einen positiven Ruf zu verschaffen.

Dabei besteht eine durchschnittliche Kapsel aus zwei bis drei Gramm Verpackung und sechs bis sieben Gramm Kaffee, sagt Fischer. „Das bedeutet, die Hälfte des Produktgewichtes ist Verpackung. Das ist ein unglaublich schlechtes Verhältnis.“ Bei einer 500-Gramm-Packung Kaffee macht die Verpackung ihm zufolge rund 15 Gramm aus. Nach Rechnungen der Stiftung Warentest wären 500 Müllwagen nötig, um den etwa 5000 Tonnen schweren Kapselmüll von 2014 abzutransportieren.

Auch beim Kaffee für unterwegs fällt die Bilanz ernüchternd aus: Der Kaffeeverband geht davon aus, dass jeder Deutsche pro Jahr im Schnitt 5,8 Liter Kaffee zum Mitnehmen, also „to go“, konsumiert. Nach Angaben der Umwelthilfe werden so jährlich bundesweit 2,8 Milliarden Einwegkaffeebecher verbraucht. Das bedeutet: Jede Stunde werfen die Deutschen durchschnittlich 320 000 Becher weg. Die Entsorgung ist das nächste Problem: „Coffee to go“-Becher werden nur selten wiederverwertet. Denn meistens landen sie in einer öffentlichen Mülltonne und werden dann verbrannt.

Kaffeekapseln wiederum sind rein rechtlich gesehen keine Verpackung und dürfen daher nicht im Gelben Sack entsorgt werden. Einige Hersteller haben jedoch inzwischen Lizenzen erworben – das heißt, sie zahlen dafür, dass ihre Kapseln im Dualen System recycelt werden. In einem Imagefilm im Internet illustrieren Grüner Punkt und Nespresso gemeinsam, wie die Alukapseln wiederverwertet werden. „Wir können das Material der Kapseln zu einem hohen Anteil zurückgewinnen und in den Aluminiumkreislauf zurückführen“, teilt Michael Wiener, Chef (CEO) der Duales System Holding, dazu mit. Der Kaffeesatz stört dabei nicht.

Dass man sie recyceln kann, ist für Experten allerdings kein Argument dafür, überhaupt Alukapseln zu nutzen. Denn Aluminium ist in der Herstellung extrem aufwendig, benötigt Unmengen an Wasser und Energie. Und: „Zur Förderung des Aluminiumerzes Bauxit werden in Australien und Brasilien ganze Landstriche umgegraben und mit Giftstoffen verpestet“, sagt Fischer.

Und wie viele Kapseln landen am Ende überhaupt im Gelben Sack? Zahlen dazu gibt es nicht, wie Günter Dehoust vom Ökoinstitut in Berlin sagt. „Jemand, der sich für Kapseln entscheidet, hat meist kein so hohes Ökobewusstsein, dass er sich darüber informiert, wie er die Kapseln entsorgen muss.“ Bei Tests herrscht unter Kaffeetrinkern meist „großes Rätselraten“ um die Entsorgung. „Viele schmeißen die Kapseln auch in die Biotonne oder in den Restmüll“, sagt Dehoust. Und Gerhard Kotschik, Verpackungsexperte beim Umweltbundesamt, sagt: „Landen die Kapseln in anderen Entsorgungssystemen, wird nur wenig davon zurückgewonnen.“

Ein besonderer Dorn im Auge der Umwelthilfe sind zudem Kapseln aus abbaubarem Kunststoff. „Bei Konsumgütern stehen wir biologisch abbaubaren Kunststoffen kritisch gegenüber“, sagt auch Kotschik vom Umweltbundesamt. „Sie haben aus unserer Sicht in der Regel keine Vorteile.“ Der Abbau führt ihm zufolge nur zu Kohlendioxid und Wasser, es entstehen keine wertvollen Bodenbestandteile. Und in der Umwelt ist nicht sichergestellt, dass sie abgebaut werden, sagt Kotschik. In Kompostieranlagen werden sie meist aussortiert und verbrannt.

Damit sich etwas ändert, fordert die Umwelthilfe, dass Hersteller für ressourcenintensive Verpackungen mehr zahlen müssen. Fischer: „In Dänemark gibt es bereits eine Verpackungssteuer für Kunststoffe.“ Hierzulande ist ihm zufolge der Verbrauch von Verpackungen in den vergangenen zehn Jahren aber nicht teurer, sondern billiger geworden. „Sonst würde es sicher den einen oder anderen Anbieter geben, der umdenkt.“ Bei den Kaffeebechern fordert die Umwelthilfe ein Mehrwegsystem.

Und was können Kaffeeliebhaber selbst für ein besseres Umweltgewissen tun? Eine Alternative zu Alu oder Plastik sind Mehrwegkapseln etwa aus Edelstahl, die um die 45 Euro kosten. Bisher sind die kaum verbreitet, sagt Fischer. „Dafür macht keiner Werbung, denn damit kann man kein Geld verdienen.“ Und die umweltfreundlichste Art des Kaffeetrinkens überhaupt bleibt das ganz normale Aufbrühen.

Von Catherine Simon