Rheinland-Pfalz

Grünen-Fraktionschef Daniel Köbler: Boomzeit der Billigfliegerei ist vorbei

Flughafen Frankfurt-Hahn
Der Flughafen Hahn hat massive finanzielle Probleme. Foto: Thomas Frey/Archiv

Die rheinland-pfälzischen Grünen wollen staatliche Subventionen für Regionalflughäfen möglichst auf Null herunterfahren. Die aktuelle Geldspritze für den hoch defizitären Hunsrück-Flughafen Hahn verteidigt Daniel Köbler, Fraktionschef der Grünen, dennoch. „Eine Pleite des Flughafens würde mindestens 150 Millionen Euro kosten“, argumentiert er im Gespräch mit unserer Zeitung.

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Vor diesem Schaden sollten die rheinland-pfälzischen Steuerzahler bewahrt werden. Außerdem wollen die Grünen „Arbeitsplätze in einer strukturschwachen Region“ retten. Köbler sagt aber auch: „Ich bin mir sicher, dass die Boomzeit der Billigfliegerei vorbei ist.“

Daniel Köbler
Grünen-Fraktionschef Daniel Köbler schwankt in seinen Landtagsreden zwischen staatstragenden und spontihaften Passagen. Wobei ihm die schnelle Replik, das spontane Bild mehr rhetorische Durchschlagskraft gibt. Die stärksten Reden hält Köbler auf Parteitagen, wenn er sich vor heimischem Publikum sicher fühlt. Im Landtag wirkt er eine Spur hölzerner, spröder. Bei der Haushaltsrede war sein Lieblingswort „mutig“ (mit Blick auf den rot-grünen Sparkurs). Köbler kann schlagfertig sein. Von der Grundargumentation her könnten er und Hering als Zwillinge auftreten: Auch Köbler beschwört die chronische Substanzlosigkeit der Oppositionspolitik. Der Grünen-Politiker hat eine natürliche Köpersprache und sucht oft den direkten Schlagabtausch. Gesamtbewertung: 3
Foto: DPA

Ausgerechnet die Grünen müssen einem Flughafen das Überleben sichern. Wie kommt das Engagement für den Hahn an der Basis an?

Unterschiedlich. Einerseits müssen wir natürlich viel erklären. Andererseits äußern sich auch viele Mitglieder zustimmend zu den Plänen. Man darf nicht vergessen: Es geht nicht darum, einen Flughafen zu subventionieren. Es geht darum, die finanzielle Basis für eine Umstrukturierung einer Landesgesellschaft zu gestalten. Damit verhindern wir nicht nur einen weitaus größeren Schaden – auch für den Steuerzahler. Eine Pleite des Flughafens würde mindestens 150 Millionen Euro kosten. Zudem sichern wir jetzt auch Arbeitsplätze in einer strukturschwachen Region.

Trotzdem ist das eine dicke Kröte, die die Grünen schlucken müssen.

So sehe ich das nicht. Wir haben ganz klare Bedingungen ausgehandelt. Das ganze Verfahren muss EU-konform ablaufen, also im Einvernehmen mit Brüssel. Zudem soll der Flughafen Hahn auf Sicht ohne Zuschüsse aus dem Landeshaushalt auskommen. Drittens haben wir mehr Realismus eingefordert: Die ewigen Wachstumsprognosen und Ausbaufantasien, die sich im Hunsrück so nie erfüllt haben, wurden jetzt endlich zu den Akten gelegt.

Dafür macht sich bei der Landesregierung die Einsicht breit: Wir brauchen am Hahn mehr Gewerbe und Arbeitsplätze, die nicht vom Flugbetrieb abhängig sind. Klar ist auch: Ein Flughafen ist sicher für viele Unternehmen ein Standortvorteil. Trotzdem muss die Region mehr Standbeine als den Flugbetrieb haben. Das macht den Hunsrück auch unabhängiger von einem komplizierten und kaum vorausschaubaren internationalen Markt für Fracht- und Passagiermaschinen.

Sie sehen also kaum Ausbauperspektiven für den eigentlichen Flughafen?

Erst einmal müssen wir die EU-Flughafenrichtlinie abwarten, um zu wissen, wie es generell mit den Regionalflughäfen weitergeht. Wenn die großen Flughäfen ihr Geschäft ausbauen, stellt sich die Frage, wie viel Wirtschaftskraft für die kleineren Flughäfen bleibt. Zumal wenn sie keine oder kaum staatlichen Hilfen bekommen dürfen. Ein weiterer Punkt: Ich bin mir sicher, dass die Boomzeit der Billigfliegerei vorbei ist. Hier haben wir den Zenit überschritten. In Zukunft – und das betrifft auch den Hahn – geht es darum, zu konsolidieren und nicht weiter zu expandieren.

Ist der Flughafen Hahn ohne staatliche Hilfe überhaupt lebensfähig?

Die Konkurrenz der Regionalflughäfen Hahn, Zweibrücken, Saarbrücken und anderer ist ein Teil des Problems. Das führt zu einem Wettbewerb nach unten. Auf Sicht wird man Kapazitäten aus dem Markt nehmen müssen. Auch deswegen müssen wir mit dem Saarland intensiver über eine Kooperation mit Zweibrücken verhandeln. Wir brauchen einen gemeinsamen Betrieb der Flughäfen Saarbrücken und Zweibrücken.

Das Land Rheinland-Pfalz soll also aus dem Pfalz-Flughafen in Zweibrücken aussteigen?

Wir wollen, dass das Land keine Mittel mehr für den Flughafen in Zweibrücken aufwenden muss. Wenn man dafür die derzeit 50-prozentige Beteiligung an der dortigen Flughafengesellschaft aufgibt, kann das durchaus eine Option sein. Die Grünen wollen die Nachtflüge bundesweit verbieten.

Wäre das nicht der Todesstoß für den Hahn, der mit seiner 24-Stunden-Genehmigung Frachtflugfirmen anziehen will?

Wenn alle die gleichen Regeln haben, hat niemand Nachteile. Daher wollen wir ja auch eine bundesweite, am besten sogar europaweite Regelung. Wir werden einen Lärmaktionsplan für den Hunsrück machen. Damit schöpfen wir unseren landespolitischen Handlungsspielraum für die Ruhebedürfnisse der Bevölkerung voll aus.

Die Hunsrückbahn hatte die SPD eigentlich schon abgeschrieben. Jetzt soll sie reaktiviert werden, obwohl der Bedarf strittig ist. Ergibt dieses Vorgehen unter dem Blickwinkel der Wirtschaftlichkeit überhaupt Sinn?

Wir wollen die Region an den Schienennahverkehr anschließen. Eine einseitige Fixierung auf die Förderung von Flug- und Straßenverkehr halten wir Grüne für falsch. Wenn die gleichen Wirtschaftlichkeitskriterien bei den Regionalflughäfen angelegt würden, die beim Schienenverkehr angelegt werden, dann hätten wir überhaupt keine Regionalflughäfen mehr in Deutschland.

Das Gespräch führte Dietmar Brück