Mainz

Besetztes Haus in der Austraße: MRZ war drin

Am Wochenende haben Aktivisten ein leer stehendes Haus am nördlichen Ende des Zollhafens besetzt. Hier soll auf Dauer ein „kreatives und unkommerzielles Zentrum der Begegnung und Vernetzung“ entstehen.

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Mainz – Bereits in der Nacht von Donnerstag auf Freitag haben etwa 30 Personen ein leer stehendes Haus in der Oberen Austraße am nördlichen Ende des Zollhafens besetzt.

Im besetzten Gebäude, das Eigentum der Stadtwerke Mainz ist, soll ein „kreatives und unkommerzielles Zentrum der Begegnung und Vernetzung“ entstehen. Und das auf Dauer, denn die Besetzer haben sich nach eigenen Angaben auf eine längere Verweildauer eingestellt.

Die Besetzung war von langer Hand geplant und gut organisiert. Zunächst wurden alle möglichen Zugänge zum Anwesen sowie Fenster und Türen im Erd- und im Kellergeschoss verbarrikadiert, um sich gegen eine mögliche Räumung durch die Polizei abzusichern. Zur Zeit sind die Aktivisten, die mit der Aktion vor allem auf einen nach ihrer Ansicht in Mainz herrschenden eklatanten Mangel an Freiraum für kulturelle Projekte aufmerksam machen wollen, damit beschäftigt, die zugemüllten Innenräume herzurichten. „Wir wollen es uns hier richtig hübsch machen“, sagt Jan B. (alle Namen von der Redaktion geändert).

Noch keine Strafanzeige – und somit keine rechtliche Handhabe für eine Räumung

Nach Auskunft der Mainzer Polizei liegt vom Eigentümer des Hauses, den Stadtwerken, bisher noch kein Strafantrag gegen die Besetzer vor – eine der zwingenden Voraussetzungen für ein mögliches Eingreifen der Polizei. Am Samstag kam es zu einem ersten Versuch der Kontaktaufnahme mit den Besetzern, die sich nach eigenem Bekunden jedoch einem Gespräch mit der Polizei prinzipiell verweigern. „Die Aktion ist nicht gegen die Polizei gerichtet, wir wollen mit der Stadt ins Gespräch kommen“, erläutert Jan.

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---Video von Alex Boerger---

Gespräche wird es Anfang dieser Woche auch zwischen Stadtwerken, Staatsanwaltschaft und Polizei geben, um ein mögliches Vorgehen gegen die Hausbesetzung abzustimmen. „Wir werden uns in aller Ruhe zusammensetzen und reden“, bestätigt Michael Theurer, Sprecher der Stadtwerke Mainz.

Freiwillig werden die Besetzer das recht große Areal, bestehend aus dem Haupthaus – einer ehemaligen Fabrikantenvilla – und mehreren Nebengebäuden sowie eine kleinen Halle, nicht verlassen. „Es war eigentlich damit zu rechnen, dass geräumt wird. Wir sind froh, dass es nicht dazu kam und hoffen, dass das so bleibt“, zeigt sich Thomas D. erleichtert.

Auf einer Webseite wirbt die Gruppe um Verständnis und um Unterstützung für ihr Vorhaben. Neben Gaskochern, Lebensmitteln und Möbeln werden dort auch Putzmittel gesucht, um das verwahrloste Areal wieder auf Vordermann zu bringen. „Jeder der uns beim Aufzuräumen und Renovieren helfen will ist willkommen“, sagt Thomas, generell stünde das Haus in der Oberen Austraße aber sowieso jedem offen.

Offener Empfang der Presse im besetzten Haus

Vor dem besetzten Haus in der Oberen Austraße stehen zwei der Besetzer, vermummt, um sich vor einer möglichen Identifizierung durch die Polizei zu schützen. Und mit einem Funkgerät in der Hand: „Die Presse ist da, können wir sie reinlassen?“ Als das O.K. kommt, wird von der Mauer eine Leiter runtergereicht, denn Türen und Tor zum Haus sind abgesichert und verbarrikadiert, ein normaler Zugang nicht möglich.

Der Empfang durch ein fünfköpfiges Komitee ist freundlich und offen, zum Gespräch setzt man sich auf alte Möbel im Hof. Es geht sehr demokratisch zu, keiner fällt dem anderen ins Wort, die Aussagen gegenüber unserer Zeitung werden auf allgemeinen Konsens überprüft und abgestimmt.

Ein Zeichen gegen jede Form von Diskriminierung und Repression wollen sie setzen, jenseits von wirtschaftlichen Zwängen einen Freiraum schaffen, in dem es kein Profitdenken gibt. „Unser Bestreben ist es generell unkommerziell zu sein“, erklärt Dieter D.. Unkommerziell und unkonventionell, denn die Besetzer wollen sich weder in ein bestimmtes politisches Label verorten lassen noch können sie genau sagen, welche Entwicklung das Projekt „Austraße 7“ genau nehmen wird.

Ein paar Meter weiter hinten findet gerade das „Plenum“ statt. Etwa 20 Frauen und Männer sitzen auf dem Boden in einem Kreis und besprechen sich. „Das Plenum ist unser zentrales Organ“, erläutert Jan B., hier werden die nächsten Schritte erörtert, der Tag organisiert, Workshops geplant.

Als ein Auto vor dem Haus zu hören ist, kommt Bewegung in die Gruppe: „Das ist die Polizei“, ruft einer, ein anderer rennt sofort zum Tor, schaut vorsichtig über die Mauer. Fehlalarm. Da gewesen seien sie schon, aber nur zum Beobachten, momentan ist noch nicht mal ein einziger Streifenwagen in der Umgebung zu sehen.

Das Haus ist schon entrümpelt worden

Bei einer Besichtigung des Hauses wird klar, dass die Besetzer hier schon kräftig Hand angelegt haben. Im Hof türmt sich ein Müllberg, den haben sie aus den Zimmern rausgeholt haben. Der das Areal einfassende Flachbau ist noch völlig zugemüllt, in der Halle im Erdgeschoss liegen Autoteile und schrottreife Computer. Hier sollen mal Partys, Konzerte und Ausstellungen stattfinden. Wahrscheinlich, denn am zweiten Tag der Besetzung sind die Planungen noch auf dem Status „ergebnisoffen“.

Kurioserweise ist gerade das nach außen verrammelte Haus als „Freiraum“ geplant, ein Ort für Kultur und libertäres Denken. Davon gäbe es zu wenige in Mainz, und bestehende Projekte wie das „Haus Mainusch“ auf dem Unicampus seien akut gefährdet, andere wie das „Atelier Zukunft“ geschlossen. „Wir wollten einen neuen Freiraum stiften“, sagt Jan B.. Das ist gelungen. Und wird wohl nur durch Gewalt zu beenden sein.

Dominic Schreiner