Mainz

And now we go nüber to the Weinmarkt

Bald sind sie weg. Den ganzen Sommer über jagen Mauersegler mit schrillen Pfiffen über unseren Köpfen herum und dann, Anfang September, sind sie plötzlich weg. Bis nächsten Mai.

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Mainz – Bald sind sie weg. Den ganzen Sommer über jagen Mauersegler mit schrillen Pfiffen über unseren Köpfen herum und dann, Anfang September, sind sie plötzlich weg. Bis nächsten Mai. Im Herbst und Winter gehört der Luftraum allein den Amseln, den Halsbandsittichen und der Lufthansa.

Bei Mauerseglern gibt es übrigens kein Nachtflugverbot. Sie sind zum Fliegen verurteilt, denn so wendig und flink sie durch die Lüfte sausen, so unbeholfen stolpern sie am Boden rum. Landen sie, haben sie gute Chancen, den Speisezettel von Katzen und anderem Getier zu bereichern. Deshalb hat sich Herr Darwin für sie etwas ganz Besonderes ausgedacht: Sie schlafen im Fliegen (und umgekehrt). Mit ca. 23 km/h gleiten die Segler leise schnarchend durch die Nacht. Man sieht: gleichzeitig Fliegen und Schlafen geht doch. Tröstlich für die Menschen im Rhein-Main-Gebiet.

Fast zeitgleich mit den Mainzer Mauerseglern kommt und verschwindet jedes Jahr eine weitere Spezies: Touristen. Zoologen rätseln, ob es da einen Zusammenhang gibt oder ob es einfach Zufall ist, ähnlich wie bei Störchen und Babys. Wenn die Bäume ausschlagen und die Tage länger werden, tauchen Rudel von Reisenden an den angestammten Nist- und Futterplätzen auf, am Dom, in der Augustinerstraße und am Fastnachtsbrunnen.

Hier finden die Zugvögel im Überfluss, was sie suchen: Motive, Mainzer An- und Augenblicke, die tausendfach auf Speicherkarten gebannt werden. Ich habe mir angewöhnt, besonders pittoreske Stellen nur noch gebückt zu passieren, um das Schussfeld der Kameras nicht zu behindern.

Hin und wieder begegnet man einzelnen Touristen auch jenseits der wichtigen Plätze, wo es eigentlich nichts zu fotografieren gibt. Einzelne Exemplare wurden sogar schon in Mombach oder Drais gesichtet. Wenn ich einen in meiner Straße entdecke, meist tief über einen Stadtplan gebeugt, weiß ich: Er hat sich verirrt, vielleicht hat er sein Rudel verloren, ist also das, was man einen „Heuler“ nennt. Der BUND für Umwelt- und Naturschutz rät, Heuler keinesfalls zu berühren, weil sie dann oft nicht mehr von ihrem Rudel angenommen werden, sondern sie mit den typischen, auch vom Laien leicht zu lernenden Lockrufen („Are you looking for the cathedral/the Chagall-windows/drinking aborigines?“) in sicheres und fotogenes Geländer zurückzuleiten.

Wenn Ihnen am kommenden Wochenende ein hilfloses Exemplar begegnet, lesen Sie ihm die Überschrift vor und gehen Sie voran. Und denken Sie daran: Alle Menschen sind Touristen, fast überall.