Berlin

Twitter und die Regierung: Nicht ganz überzeugend

Seibetr twitterte ein Foto von Seibert beim Twittern. Hatte ja auch nicht er gemacht, sondern Jesco Denzel vom Bundespresseamt, wie Seibert später schrieb.
Seibetr twitterte ein Foto von Seibert beim Twittern. Hatte ja auch nicht er gemacht, sondern Jesco Denzel vom Bundespresseamt, wie Seibert später schrieb. Foto: Denzel/Bundespresseamt

Twitter-Tag bei der Bundesregierung: Die Kanzlerin hatte einen der Gründer zu Gast – und der Regierungssprecher stellte sich auf der Plattform einem Fragenfeuerwerk. Ergebnis: Der Regierungssprecher Steffen Seibert konnte die Twitterer nicht voll überzeugen – und Twitter die Kanzlerin nicht.

Lesezeit: 3 Minuten
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Von Rena Lehmann

Vor einem Jahr löste Regierungssprecher Steffen Seibert ein kleines Erdbeben unter den Hauptstadtjournalisten aus: Er hatte es gewagt, Termine der Bundeskanzlerin über den Kurznachrichtendienst Twitter zu verbreiten. Einige fürchteten, künftig vom Nachrichtenfluss aus dem Kanzleramt abgeschnitten zu sein. Seibert twitterte weiter. Am Donnerstag feierte er seinen ersten Jahrestag als online zwitschernder Regierungssprecher mit einem PR-Gag: Per Kurznachricht konnte jeder, der wollte, ihm Fragen stellen (Übersicht am Textende). Auch sonst beantwortet er hier und da Fragen – jetzt hatte er eine Aktion daraus gemacht.

Eine halbe Stunde lang, von 11.30 bis 12 Uhr, sollte sein Angebot gelten. Das „Twitterview“ rief jedoch eher gemischte Reaktionen hervor. Seibert kündigte trotzdem schon mal eine Fortsetzung an. Dann will er die Fragen aber lieber vorher sammeln.

Seibert war gerade fertig, da kam ein anderer Tweet aus dem Kanzleramt: Die Kanzlerin, die selbst nicht twittert, hatte Besuch von Twitter-Mitbegründer Jack Dorsey. Der konnte sie zwar nicht zum Twittern bewegen, zeigte sich aber dennoch angetan – und machte nebenbei Werbung für seine andere Firma: Square ist ein Bezahlsystem fürs Handy.

Auf Seibert waren währenddessen innerhalb von 40 Minuten – damit hatte er seinen Plan leicht überzogen – einige Hundert Fragen eingeprasselt. Für den früheren ZDF-Nachrichtenmann hätte es leicht schlimmer kommen können, denn immerhin verfolgen mehr als 55 000 Menschen regelmäßig Seiberts über Twitter verbreitete Nachrichten – und die Aktion hatte sich schnell verbreitet. Unübersichtlich geriet das ganze Projekt trotzdem. Und Seibert schaffte nur knapp 40 Antworten. Neben allerlei belanglosen Fragen wie „Wie war das damals mit Kennedy?“ oder „Wer fährt im Bundestag das dickste Auto?“, die Seibert ignorierte, gab es durchaus viele ernsthafte Anliegen – die wiederum eine längere Antwort als 140 Zeichen verdient gehabt hätten.

Ein Bürger mit dem Twitternamen@Erntekapitaen wollte vom@Regsprecher wissen, warum die Bundesregierung den Abzug auf Afghanistan für 2014 plant. Dessen Antwort: „Die Sicherheitslage verbessert sich, die afghanischen Kräfte können mehr selbst übernehmen, aber viel bleibt zu tun.“ Seibert antwortete außerdem, dass es gut wäre, wenn es eine europäische Ratingagentur gäbe und wenn mehr Frauen in Führungspositionen arbeiten. Sein Ton allerdings blieb unverbindlich und distanziert.

Das lag vor allem daran, dass Seibert sich nicht vom streng sachlichen Duktus des Regierungssprechers hat lösen können. Und womöglich wollte er das auch gar nicht. Aber Twitter-Sprache funktioniert nun mal nur, wenn sie spontan und umgangssprachlich zum Punkt kommt – schließlich hat man wenig Platz für seine Botschaften. Seiberts Antworten klangen dagegen, als müsse er der versammelten Hauptstadtpresse in der Bundespressekonferenz mit abwägenden Worten das nächste Euro-Rettungspaket nahebringen. Immerhin aber wissen nun viele, dass der Regierungssprecher einen Lieblingssong von Mac Miller, aber den konkreten Titel vergessen hat.

Kritik am Twitterview blieb nicht aus. Markus Beckedahl, der das Blog Netzpolitik.org betreibt, urteilte „zu viel heiße Luft“, fand aber eine Antwort Seiberts bemerkenswert: Seibert hatte auf eine Frage von Anonymous Germany geantwortet, die Bundesregeriung stehe zu dem Kabinettsbeschluss zum umstrittenen Handelsabkommen ACTA. @EinAugenschmaus beklagte, dass keine Antwort darauf kam, was die Bundesregierung für Barrierefreiheit tut. Steffen Seibert räumte zwischenzeitlich ein, dass er sich vielleicht doch etwas viel vorgenommen hat: „Ich kann nicht alle Fragen beantworten„.

Die wichtigsten Fragen und Antworten hat hier der ZDF-Journalist Frederic Huwendiek zusammengetragen: