Berlin

Sternenkinder bekommen einen Namen

Sternenkinder, die kurz vor oder kurz nach ihrer Geburt sterben, sollen künftig beerdigt werden können, wenn ihre Eltern dies wünschen. Bislang müssen die Kinder mindestens 500 Gramm wiegen, damit sie die behördliche Schwelle zum Menschsein überschreiten und damit auch selbstverständlich beerdigt werden.

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Das Bundeskabinett will am Mittwoch die Regelung ändern und betroffenen Eltern das Recht zugestehen, ihren Kindern offiziell einen Namen zu geben und sie als Personen zu melden – unabhängig davon, wie viel sie wiegen. „Ich bin sehr froh, dass dieser Schritt gemacht wird“, sagte Barbara Martin aus Brechen bei Limburg unserer Zeitung. Sie selbst hat insgesamt drei Frühchen zur Welt gebracht, die alle zu klein und zu schwach zum Überleben waren.

Gemeinsam mit ihrem Mann Mario hat die heute 36-Jährige jahrelang für die Neuregelung gekämpft. Der Fall der Martins zeigt die Willkür der bisherigen Gesetzgebung: Im Herbst 2008 war Barbara Martin mit Zwillingen schwanger. Der Junge Tamino kam mit nur 290 Gramm zur Welt und bekam nicht den Status einer Person. Seine Schwester Penelope wog exakt 500 Gramm und war damit für die Behörden eine Person.

Diese Unterscheidung konnten die Eltern nicht akzeptieren und reichten eine Petition beim Bundestag ein. 40 000 Unterschriften und die Solidarität etlicher Leidensgenossen bekam das Ehepaar. Bei ihrem Kampf kam ihnen ein glücklicher Zufall zur Hilfe: Im Sommer 2010 wurden sie zur Anhörung nach Berlin eingeladen. Als sie anschließend mit der CDU-Abgeordneten Stefanie Vogelsang noch im Garten der Parlamentarischen Gesellschaft saßen, kam zufällig die Kanzlerin vorbei und hörte sich das Anliegen an. „Wir waren überrascht, wie freundlich, menschlich und unkompliziert sie war“, sagte Barbara Martin. Angela Merkel habe zugehört und ihnen zugestimmt, dass das Anliegen berechtigt sei. Damit war für die Martins der Weg frei.

Auch heute schon können Eltern ihre Sternenkinder beerdigen. Bei Kindern, die weniger als 500 Gramm wiegen, sind sie dabei allerdings auf das Entgegenkommen der Friedhofsverwaltung angewiesen. Viele Ämter tun sich schwer damit, einer Beerdigung zuzustimmen, wenn weder Geburts- noch Sterbeurkunde vorliegen. In manchen Fällen haben die Eltern erst gar keine Chance, von ihren Kindern Abschied zu nehmen und sie zu beerdigen, da sie schlicht als Fehlgeburt behandelt und bereits in der Klinik entsorgt werden – sie landen wie ein Blinddarm auf dem Sondermüll.

Mit der gesetzlichen Änderung erhalten Eltern der Sternenkinder mit einem Geburtsgewicht unter 500 Gramm auf eigenen Wunsch nun eine Bescheinigung, auf der Name, Geschlecht, Geburtstag, Geburtsort und die Eltern vermerkt sind. Dieses Dokument können die Eltern ins Familienstammbuch heften und damit auch eine ordentliche Beerdigung einfordern. Familienministerin Kristina Schröder (CDU) hat sich ebenfalls dafür eingesetzt: „Der Aufwand ist klein, das Ergebnis für viele erschütterte Paare in Deutschland sehr bedeutend“, sagte Schröder unserer Zeitung. „Wir debattieren zu Recht immer wieder über die Frage, wann das menschliche Leben beginnt. Da ist es nur folgerichtig, diesem frühen Leben im Mutterleib auch beim Tod vor der Geburt einen Namen geben zu dürfen.“ Noch unzufrieden sind die Martins und ihre Mitstreiter darüber, dass die Urkunde die Kinder zwar zu Personen macht, aber weiterhin „Fehlgeburt“ darüber steht, solange die Kinder nicht über 500 Gramm kommen. Das sei Bürokratiegewäsch, kritisiert auch die CDU-Bundestagsabgeordnete Vogelsang. Sie kündigte an, weiter dafür zu kämpfen, dass diese Unterscheidung noch fällt. Immer wieder gibt es Einzelfälle, bei denen auch Kinder mit unter 500 Gramm überleben.

Von unserer Berliner Korrespondenten Eva Quadbeck