London

Reformer scheitern und sind entsetzt: Englands Kirche bekommt keine Bischöfinnen

Anglikanische Bischöfe aus aller Welt bei einem Treffen in der Kathedrale von Canterbury. Die besonders inbrünstig singende Bischöfin ist aus den USA - denn in der Mutterkirche in England ist das Amt Frauen bislang und nun auch weiterhin verwehrt. 
Anglikanische Bischöfe aus aller Welt bei einem Treffen in der Kathedrale von Canterbury. Die besonders inbrünstig singende Bischöfin ist aus den USA - denn in der Mutterkirche in England ist das Amt Frauen bislang und nun auch weiterhin verwehrt.  Foto: dpa (Archiv)

Es gab eine atemlose Stille, dann ging ein Raunen durch den Konferenzraum des Kirchenzentrums, manche Frauen schlugen sich entsetzt die Hände vor die Gesichter, andere fingen an zu weinen. Der Schock saß tief. Seit 46 Jahren wurde die Reform diskutiert – und ist jetzt doch gescheitert. Frauen können in der anglikanischen Kirche in England weiter nicht Bischof werden.

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Nach sieben Stunden Debatte mit 100 Reden, nach vielen Beschwörungen, Vorwürfen, Kompromissangeboten und versöhnenden Gebeten, blockierte die anglikanische Generalsynode den Britinnen den Weg in die Bischofsämter. Am Ende fehlten der liberalen Mehrheit der Church of England (CoE) lediglich sechs Stimmen, um in der 324-köpfigen Synode die hart verhandelte Reform zu verabschieden. „Ein düsterer Tag“, twitterte in der Nacht zu Mittwoch der neue Erzbischof von Canterbury, Justin Welby.

Die Anglikaner im Königreich stehen vor einem Scherbenhaufen. Umgehend versammelten sich in London die Bischöfe zu einer Notsitzung, um über die Wege aus der tiefsten Krise seit Jahrzehnten zu beraten. Doch die historische Chance auf die Öffnung der Staatskirche auf der Insel ist vertan – mindestens bis zur Wahl der neuen Synode 2015, möglicherweise sogar für die nächsten fünf bis sieben Jahre. Nicht weniger schwer für die Anglikaner wiegt die öffentliche Demütigung des erst vor wenigen Wochen zum neuen Kirchenführer gewählten Ex-Ölmanagers Welby.

Nach Expertenmeinung könnte die missglückte Feuertaufe des 56-jährigen Erzbischofs von Canterbury seinem Ansehen in England und in der globalen anglikanischen Glaubensgemeinschaft mit 80 Millionen Mitgliedern einen großen Schaden zufügen. Eine mögliche Folge wäre eine weitere Spaltung der Kirche, die seit Jahren über die Rolle der Frauen und die Trauung von schwulen Priestern streitet. Eigentlich war Justin Welby angetreten, um als anerkannter Vermittler die Wogen zu glätten.

Es gibt derzeit 37 Bischöfinnen in 26 anglikanischen Kirchenprovinzen weltweit – in Australien, Neuseeland, USA und Kanada, auf Kuba und seit Juli sogar im afrikanischen Swaziland. Dass die englische Mutterkirche bislang keine Frauen auf Führungsposten tolerieren will, liegt an einer aktiven Minderheit aus kompromisslosen Traditionalisten, die seit Jahren auf die Bremsen tritt. Manche von ihnen argumentieren, dass die Bibel nur die Männer dazu legitimiert, die Kirche zu führen.

Andere sperren sich gegen die Bischöfinnen, weil sie eine Annäherung der Anglikaner an die Katholische Kirche erreichen wollen. Es ist 20 Jahre her, seit es den Reformern gelang, die Priesterweihe für Frauen durchzusetzen. Heute machen die rund 3 600 Priesterinnen in England bereits ein Drittel aller Geistlichen aus. 2005 entschied die Generalsynode der CoE, „alle rechtlichen Hindernisse“ für die zukünftigen Bischöfinnen zu beseitigen. Allerdings scheiterte die Kompromisssuche mehrfach an der strittigen Frage, wie man den Wünschen von Gemeinden entgegen kommen soll, die aus Prinzip auf einem männlichen Bischof bestehen würden. Die Reformgegner sperren sich beispielsweise dagegen, dass ein solcher „Vertretungsbischof“ Weisungen von einer Frau empfängt, die seine Diözese leitet. Die Opposition warnt davor, dass eine Liberalisierung der Kirche zu einer Welle von Austritten führen würde.

„Wir taten das, um sicherzustellen, dass in unseren Reihen keine gefährliche Spaltung entsteht“, begründete am Dienstag ihre Entscheidung eine der Neinsagerinnen in der Generalsynode. Die unterlegene Fraktion warf ihren Gegnern vor, einen „katastrophalen Fehler“ gemacht zu haben. Er sei „zutiefst betrübt“, sagte der scheidende Erzbischof von Canterbury, Rowan Williams, in einem Interview.

Es gab gestern keinen Mangel an Kritik in der Presse. Manche Kommentatoren sprachen von einem „Selbstmord der Kirche“, andere nannten die „diskriminierende“ Synodenentscheidung eine „nationale Peinlichkeit“. Auch Premier David Cameron nannte sich „enttäuscht“ und forderte von der Parlamentstribüne die CoE dazu auf, einen neuen Reformanlauf zu unternehmen.

Dazu müsste jedoch womöglich erst ihre Entscheidungsstruktur verändert werden. Denn die Hürden für wichtige Entscheidungen bei den Anglikanern sind hoch – sie müssen zwei Drittel der Stimmen in jedem der drei Häuser der Synode (Bischöfe, Kleriker und Laien) erreichen. Am Dienstag scheiterte die Reform an den konservativen Laien. Viele Kirchenmitglieder halten es für undemokratisch, dass eine Minderheit ihre Meinung durchsetzen kann, während 42 der 44 Diözesen die Bischofsweihe für Frauen weiter befürworten.

Von Alexei Makartsev