Mainz

Interview: CDU-Vize Klöckner hofft auf Einsicht bei Pegida-Anhängern

Julia Klöckner
Julia Klöckner. Foto: DPA

CDU-Vize Julia Klöckner wünscht sich mehr Aufklärung über die islamkritische Pegida-Bewegung. „Ich mag (...) keinen, der sich mit einem Hitler-Gruß ablichten lässt und Anführer einer Pegida-Demonstration ist“, sagte die rheinland-pfälzische CDU-Chefin in einem Interview der Deutschen Presse-Agentur in Mainz.

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Lutz Bachmann, bisheriger Cheforganisator der „Patriotischen Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes“ (Pegida), war nach Empörung über ein „Hitler-Foto“ zurückgetreten. Klöckner sagte, das Recht auf freie Meinungsäußerung sei allerdings für eine freie Gesellschaft grundlegend, auch wenn die Inhalte nicht gefielen. „Unabhängig davon hoffe ich aber sehr, wenn die Tage wieder länger und abends heller werden, dass so mancher erkennt, wem er da hinterher gelaufen ist.“

Die Polizei hatte in Dresden nach einer Terrordrohung gegen die islamkritische Bewegung Pegida alle Kundgebungen verboten. Wie weit geht die Sicherheit, wie weit die Versammlungsfreiheit?

Grundsätzlich gilt die Versammlungsfreiheit. Ein Verbot muss sehr, sehr gut begründet sein und ein Ausnahmefall bleiben. Die Anschlagsdrohungen waren sehr konkret und ernstzunehmend. Ich denke, das war ein nachvollziehbarer Grund, die Demonstration zu untersagen zum Schutz der Bürger. Der Anschein darf dabei aber niemals entstehen, dass die Inhalte der Parolen der Grund sein könnten, warum die Demonstration verboten wurde. Jeder sollte sich hier Häme verkneifen. Denn wer sagt „Je suis Charlie“, der muss auf der anderen Seite auch Pegida ertragen können als Teil der Meinungsfreiheit. Ich mag natürlich auch keinen, der sich mit einem Hitler-Gruß ablichten lässt und Anführer einer Pegida-Demonstration ist. Dennoch ist das Recht auf freie Meinungsäußerung, auch wenn einem die Inhalte nicht gefallen, grundlegend für unsere freie Gesellschaft. Unabhängig davon hoffe ich aber sehr, wenn die Tage wieder länger und abends heller werden, dass so mancher erkennt, wem er da hinterher gelaufen ist.

Halten Sie einen Dialog zwischen Politikern und der Pegida-Bewegung für sinnvoll oder nicht?

Wie sich zeigt, gibt es nicht den einen homogenen Personentypus bei Pegida, ich bezweifle, dass jeder, der da mitläuft, auch wirklich rassistische Motive hat. Da sind Menschen dabei, die gegen die Zwangsmitgliedschaft in Kammern demonstrieren, die für höhere Renten sind und niedrigere Krankenkassenbeiträge, die vor Gericht mit einer Klage nicht durchgekommen, die frustriert von der Politik sind. Das ist alles eine recht diffuse und komplexe Zusammenkunft. Mit Pegida reden? Es gibt Personen, von denen man von vornherein weiß, dass Gespräche wenig Sinn machen. Ich finde, es ist wichtig, wenn Politik hinhört, aber es kann nicht sein, dass dadurch die Tagesordnung bestimmt wird in einer Abwehrhaltung und reflexhaften Art. Es gibt bei mir kein Verständnis für Leute, die rassistisch, kriminell und gewaltbereit sind. Aber ich würde mich den suchenden, fragenden Menschen nicht verschließen.

Rechnen Sie damit, dass das Risiko einer Islamfeindlichkeit nach den Anschlägen in Frankreich und Belgien zunimmt oder nicht?

Ich habe eher den Eindruck, dass unsere Bevölkerung sehr besonnen ist und in der Regel sehr differenziert vorgeht. Es gibt eine klare Haltung gegenüber denjenigen, die sich nicht integrieren wollen, die die Scharia über das Grundgesetz stellen. Einen solchen Islam wollen die wenigsten in unserem Land haben. Zu Recht. Wir sollten aber nicht pauschalisieren: Krankenhäuser, Pflegeeinrichtungen, Handwerksbetriebe würden ohne Migranten zum Teil nicht laufen. Das Wissen darum und das Erfahren baut Vorurteile ab, auf beiden Seiten. Ob jemand muslimischen Glaubens oder anderen Glaubens ist oder gar keine Religion hat, spielt keine Rolle, solange sich alle an unsere Verfassung halten.

Nach den Anschlägen wird verstärkt über die Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung von Handy- und Internetverbindungen zur Terrorabwehr diskutiert. Halten Sie die Speicherung für sinnvoll?

Zu schnelle Reflexe und Forderungen nach Gesetzesverschärfungen, wenn es etwas vorgefallen ist, sollten wir vermeiden. Die Debatte um die Notwendigkeit der Vorratsdatenspeicherung ist ja auch im Gespräch, wenn es um die Verfolgung von Sexualstraftätern oder um die Ahndung von Kinderpornografie geht. Eine unter strengen richterlichen Auflagen befristete Vorratsdatenspeicherung halte ich für richtig.

Damit können Hintermänner und Netzwerke zum Beispiel von Terrorzellen ausfindig gemacht werden. Es geht um die Fahndung und um Abschreckung, wenn zum Beispiel eine Anschlagsserie geplant ist. Die Abwägung zwischen Bürgerrechten und Schutzpflicht des Staates ist nicht immer einfach. Deshalb verbietet es sich, die Bevölkerung oder Glaubensgruppen unter einen Generalverdacht zu stellen und grundsätzlich die Verbindungsdaten zu speichern beziehungsweise auszuwerten. Nur anlassbezogen.

Die Fragen stellte Oliver von Riegen