Wolfsburg

Der Golf – er läuft und läuft und läuft

Er ist der Rettungswagen, dem der VW-Konzern seine Wiedergeburt als Hersteller von Volksautos verdankt. Dem Golf gelang, was andere vergeblich versuchten. Er löste den Käfer ab – gerade rechtzeitig, bevor das in Schieflage geratene Wolfsburger Riesenschiff kenterte.

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Mit teutonischer Technik und italienischem Design wurde der Golf Trendsetter aller modernen Kompakten. Morgen vor 40 Jahren, am 29. März 1974, rollte der erste Golf in Wolfsburg vom Band.

Von unserem Autoexperten Günter Weigel

Volksautos, die auszogen, um den Käfer zu killen, gab es in Massen, und dies von fast allen großen Marken. Letztlich aber scheiterten sie sämtlich. Den betagten Wolfsburger Produktionsweltmeister konnte keiner zur Strecke bringen; erst die Zeit, die über ihn hinwegging, bedeutete allmählich das Ende für die Vorkriegskonstruktion mit Heckmotor. Eine Evolution war nicht mehr möglich, also musste eine Revolution her. Die Stunde des Golf war gekommen.

Gezeichnet vom italienischen Stardesigner Giorgio Giugiaro begründete der Golf das neue Segment der Kompaktklasse mit den Kennzeichen Frontantrieb, quer eingebauter Motor und Schrägheck mit großer Klappe.

Einfach staatstragend: Die Liebesgeschichte der Deutschen manifestiert sich in diesem Foto, das übrigens den alten Golf von Bundeskanzlerin Angela Merkel zeigt.

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Seit 1974 wird das VW-Modell nach einem Entwurf des italienischen Designers Giugiaro gebaut und ist heute das meistverkaufte Auto des Konzerns.

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Schon bald gab es den ersten „Kompakten“ mit Plus: Mitte 1976 erschien der Golf GTI, der mit dem 81 kW (110 PS) starken Motor des Audi 80 GTE ausgerüstet war – der Traum jedes jungen Autofahrers.

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Ab 1983 gab es den Golf II; er lief bis 1992 vom Band.

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Der Golf III erschien 1991–1997; es gab davon ein Cabrio-Modell (1993–2002).

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Der GTI bekam im Golf III stärkere Konkurrenz

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Im VR6 syncro steckten immerhin 190 PS.

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Auftritt Golf IV: (1997–2003) Als am 25. Juni 2002 Golf Nummer 21.517.415 vom Band lief, wurde der Rekord des VW Käfer gebrochen, der seit Februar 1972 als das weltweit meistverkaufte Auto galt.

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Mit Einführung des Golf IV wurde die sogenannte Plattform PQ 34 auch im Škoda Octavia, Audi TT, Audi A3, Seat Leon, Seat Toledo und im VW New Beetle verwendet.

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Das Design des Golf (hier noch einmal ein Golf IV) war und ist gemäß der Konzernstrategie eher zeitlos-konservativ als modisch oder verspielt, um auf dem Markt möglichst alle Schichten anzusprechen.

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Vom markanten Ursprungsentwurf wird nie wirklich abgewichen. Die Abmessungen – hier der Golf V – nahmen mit jedem Modell zu.

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Ein typisches Stilmerkmal ist die relativ breite und dadurch stämmig wirkende C-Säule (hinten).

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Am 23. März 2007 wurde der 25-millionste VW Golf produziert.

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Ein Golf GTI-Modell von 2007.

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2008 erschien Golf VI – er wurde bis 2012 gebaut. Eine Cabrioversion kam 2011 auf den Markt.

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Seit 2012 gibt es den Golf VII. Im Juni 2013 wurde in Wolfsburg der 30-millionste Golf produziert.

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Eines der ganz teuren Exemplare, obwohl man es diesem Golf IV gar nicht ansieht: Bei Ebay wurde der Gebrauchtwagen für 188.938 Euro und 88 Cent verkauft. Sein prominenter Vorbesitzer – Joseph Kardinal Ratzinger, später Papst Benedikt – hatte den Wert rasant in die Höhe getrieben.

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Wirklich neu waren die Innovationen für sich genommen nicht, aber erst in der Form des Golf wurden sie zum Megaseller. Bis heute sind es mehr als 30 Millionen Golf in sieben Generationen, womit der Golf den Rekord des Käfers weit übertroffen hat. Nur in einem Punkt hat der moderne Kompakte die Karriere seines Vorfahren nicht toppen können. Während der Golf in Deutschland einer ganzen Bevölkerungsgeneration seinen Namen aufdrückte, wurde er global kein konkurrenzloser Überflieger. Es fehlt ihm das Talent zum Weltbürger, wie es der Käfer war. Das Konzept des Golf mit Heckklappe blieb für viele Kulturkreise zu europäisch.

Die Bedeutung des Golf als wichtiger Meilenstein der Automobilgeschichte schmälert dies allerdings kaum. Er schaffte das lange Zeit für unmöglich Gehaltene: die Käufer der Käfers zu gewinnen. Die Fahrer einer zwar zuverlässigen, aber überaus betagten und betulichen Heckmotorkonstruktion zum Umstieg in die automobile Zukunft zu bewegen. Und das sogar im wirtschaftlichen Krisenjahr 1974, als die Automobilindustrie durch ein scheinbar endlos langes tiefes Tal fuhr. Der Golf transformierte die untere Mittelklasse (mit starken Spielern wie Opel Kadett, Ford Escort, Citroën GS, Fiat 128 oder Peugeot 204) zur Kompaktklasse, der er später sogar seinen eigenen Namen aufdrückte: Golf-Klasse. Was hatte der neue VW den anderen voraus? Er führte all das zusammen, was damals technische Avantgarde war, verpackte dies in zeitlos eleganten italienischen Chic.

Welche Sensation der fliegende und erfolgreiche Wechsel von einem fast 30 Jahre lang produzierten Massenmodell auf eine gänzlich anders konstruierte Baureihe war, lässt sich vielleicht erahnen bei einem Blick in den Rückspiegel auf das Ende des Ford T-Modells im Jahr 1927. Während das bis dahin erfolgreichste Auto der Welt im Mai 1927 auslief, startete die Produktion des nachfolgenden Model A erst im Oktober. Volkswagen dagegen beließ vorübergehend den altgedienten Käfer in seinem Programm, verlagerte die Fertigung nur auf andere Werke und gab den Kunden so die Chance, sich allmählich an den Golf als Produkt modernen Automobilbaus zu gewöhnen. Eine clevere Idee, schließlich wusste anfangs noch niemand, ob der Käfer-Werbeslogan „und läuft und läuft und läuft“ auch auf den Neuen übertragbar war.

Mit bis heute mehr als 700 000 gebauten Einheiten in fünf Generationen ist der Golf Cabriolet der meistproduzierte offene Viersitzer aller Zeiten. Sorgen machen musste sich Volkswagen eigentlich immer nur in einer Hinsicht: den Golf von Generation zu Generation genauso zu evolutionieren, dass er weiterhin eine unendliche Erfolgsgeschichte bleibt. Zumindest während der ersten sieben Generationen zeigten die Wolfsburger dafür genau das richtige Gespür.