RZ-Serie „Schlagabtausch“: Brauchen wir eine Quote für ältere Beschäftigte?

Von Werner Simon

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Von Werner Simon

Hinter dem Schlagwort vom demografischen Wandel verbergen sich zwei Entwicklungen: Zum einen steigt die Lebenserwartung, zum anderen ist die Geburtenrate in den vergangenen Jahrzehnten stark gesunken und verharrt auf einem niedrigen Niveau. Die Politik hat darauf reagiert, indem sie das Renteneintrittsalter seit Jahresanfang in kleinen Schritten von ursprünglich 65 Jahren bis zum Jahr 2031 auf 67 Jahre erhöht. Mit dem späteren Rentenbeginn sind plötzlich Rufe nach einer „Altenquote“ laut geworden. Diese gesetzliche Vorgabe soll dafür sorgen, dass ältere Arbeitnehmer auch ausreichend Jobs finden. Dagegen spricht eine Reihe von Gründen:

1. Die Beschäftigungschancen älterer Menschen sind heute schon gut. Zwar war kürzlich den Medien zu entnehmen, dass von den 60- bis 64-Jährigen nur 27 Prozent eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung hätten. Diese Zahl indes ist irreführend: Bezogen auf die Gruppe der wirklich verfügbaren Älteren, liegt die Beschäftigungsquote schon heute bei 68 Prozent. Und „wirklich verfügbar“ heißt: Von den 4,6 Millionen Menschen im Alter von 60 bis 64 Jahren stehen nur 1,8 Millionen dem Arbeitsmarkt zur Verfügung. Der größere Teil will oder kann gar nicht arbeiten. Darunter sind beispielsweise Bezieher von Erwerbsminderungsrenten oder Arbeitnehmer, die freiwillig vorzeitig in den Ruhestand gegangen sind.

2. Die Beschäftigungschancen älterer Menschen werden sich zukünftig weiter verbessern. Wirtschaft, Gewerkschaften und Politik hatten einige Jahre das Ziel verfolgt, Arbeitnehmer möglichst frühzeitig in die Rente zu schicken. Doch diese Zeiten sind vorbei. Die Menschen gehen im Durchschnitt immer später in Rente. Diese Abkehr vom möglichst frühen Ausstieg aus dem Arbeitsleben ist richtig: Da aufgrund des demografischen Wandels den Unternehmen weniger junge Arbeitnehmer zur Verfügung stehen, ist die Wirtschaft auch auf ältere Arbeitnehmer angewiesen. Unternehmen tun daher heute schon viel, um ihre Belegschaften körperlich fit zu halten und das gesamte Berufsleben über weiterzuqualifizieren.

3. Eine Altenquote ist betriebswirtschaftlich unsinnig. Sie unterstellt, dass es für alle Betriebe und Branchen ausreichend qualifizierte ältere Arbeitnehmer gibt. Das ist verkehrt, denn unsere Arbeits- und Berufswelt verändert sich permanent. So sind heute Qualifikationen gefragt, für die es vor einigen Jahrzehnten noch gar keine Ausbildung gab. Ein Beispiel: Dass die Belegschaften in Internetagenturen sehr jung sind, liegt nicht daran, dass diese Firmen keine älteren Arbeitnehmer einstellen wollen. Ältere Arbeitnehmer mit entsprechenden Qualifikationen oder auch nur der Bereitschaft, sich hier einzuarbeiten, sind auf dem Arbeitsmarkt kaum vorhanden.

4. Eine Altenquote bringt bürokratischen Aufwand und damit Kosten. Wie immer der Gesetzgeber eine solche Vorgabe umsetzen sollte, die Anwendung durch die Firmen muss erfasst, dokumentiert, kontrolliert und gegebenenfalls sanktioniert werden. Das alles verursacht Kosten, sowohl aufseiten des Staates als auch aufseiten der Unternehmen. Zudem verspricht die Politik seit Langem, sie wolle die Unternehmen von Bürokratielasten befreien. Eine Altenquote widerspricht diesem politisch wie wirtschaftlich sinnvollen Ziel.

5. Eine Altenquote greift in unzulässiger Weise in die unternehmerische Freiheit ein. Unsere marktwirtschaftliche Ordnung lebt davon, dass Unternehmer für ihre Entscheidungen Verantwortung tragen. Diese Verantwortung setzt aber Freiheit voraus. Das eine ist ohne das andere nicht zu haben. Jeder Eingriff in die unternehmerische Freiheit muss daher gut begründet sein. Die Altenquote ist es nicht. Diese ist genauso wenig sinnvoll wie eine Frauenquote. Auch hier sprechen die Zahlen dagegen: Deutschlandweit sind 28 Prozent aller Führungspositionen im Mittelstand mit Frauen besetzt, was fast ihrem Anteil an den vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmern in Höhe von 30 Prozent entspricht. Für beide Quoten gilt zudem, dass sie an einem besonders sensiblen Punkt ansetzen: der Auswahl des Personals.

6. Ältere Arbeitnehmer sind heute bereits besser geschützt als ihre jüngeren Kollegen. Lange vor der Quotendiskussion hat der Gesetzgeber im Kündigungsschutzgesetz festgelegt, dass ältere Arbeitnehmer bei betriebsbedingten Kündigungen durch Sozialauswahl besondere Rechte genießen (§ 1 Abs. 3 KSchG).

7. Die Altenquote lenkt von den Aufgaben ab, die die Politik eigentlich anpacken sollte. Die Politik macht es sich mit einer Quote leicht: Sie verabschiedet ein Gesetz, das die Umsetzung eines politisch gewünschten Zieles anderen Gruppen überträgt – in diesem Fall den Unternehmen. Die Wirkungen (siehe oben) hat sie dabei nicht im Blick. Und für die Folgen muss sie nicht geradestehen. Die Politik sollte stattdessen mit einer klugen Gesundheits- und vor allem Bildungspolitik dafür Sorge tragen, dass ältere Menschen möglichst lange in Beschäftigung bleiben können. Alibiveranstaltungen wie eine Altenquote sind dagegen sogar kontraproduktiv.