Parteitag: CDU weiter geschlossen hinter Angela Merkel

Beim Parteitag in Köln ist der Rückhalt für Angela Merkel noch immer groß: 96,72 Prozent erhält die amtierende Bundeskanzlerin diesmal.
Beim Parteitag in Köln ist der Rückhalt für Angela Merkel noch immer groß: 96,72 Prozent erhält die amtierende Bundeskanzlerin diesmal. Foto: dpa

Beim Parteitag der CDU 2012 hat die sonst eher kühle Angela Merkel sogar eine Träne verdrückt. Die Partei sprach ihr damals mit einem Traumergebnis ihr Vertrauen aus. Sie wählte sie mit 97,94 Prozent erneut zur Vorsitzenden.

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Von unserer Berlinkorrespondentin Rena Lehmann

In Köln 2014 ist der Rückhalt für sie noch immer groß. 96,72 Prozent erhält die amtierende Bundeskanzlerin diesmal. Ein Warnschuss ist der leichte Rückgang an Zustimmung nicht. Zwischen den Zeilen der Parteitagsreden wird aber deutlich, dass Merkel ihre CDU auf neue Koalitionen vorbereiten will. Das rot-rot-grüne Bündnis in Thüringen macht die Partei nervös.

Seit 14 Jahren ist Angela Merkel Parteichefin, doch vor zwei Jahren hat sie die CDU erstmals so klar hinter sich, weil sie sich in der Euro-Krise Respekt erworben hat, auch unter ihren Kritikern. 2013 hat sie der Union außerdem ein Wahlergebnis über 40 Prozent beschert, das ihr selbst in eigenen Reihen nicht alle zugetraut hätten. Der Koblenzer CDU-Abgeordnete Michael Fuchs nennt Angela Merkel heute „alternativlos“. Fuchs meint das anerkennend.

Er hält Merkel gerade in der Außenpolitik und bei einer diplomatischen Lösung der Ukraine-Krise für unverzichtbar. Allerdings ist Merkel für die CDU auch personell derzeit alternativlos. Der Applaus für ihre Rede fällt pflichtschuldig lang aus, es ist nicht gerade ein Sturm der Begeisterung. Nach Merkel kommt in der CDU erst mal lange nichts – das kann eine Partei auch inhaltlich aushöhlen.

Partei wünscht sich von Merkel wirtschaftsfreundliche Akzente

In den Tagen vor dem Parteitag war deshalb deutlich geworden, dass viele in der Partei ihr Profil schärfen möchten. Ein Signal für die Wirtschaft müsste vom Parteitag kommen, hieß es vonseiten der Anhänger einer möglichst raschen Absenkung der heimlichen Steuererhöhungen durch die kalte Progression. Man wünscht sich in Teilen der Partei mehr wirtschaftsfreundliche Akzente. Ein Beschluss zur kalten Progression wäre da ein Signal. Den Streit darum innerhalb der Union hat die Parteivorsitzende noch vor dem Parteitag mit einem Kompromiss aufgelöst. Die Partei, das wurde am Protest der Wirtschaftspolitiker deutlich, ist allerdings weiter auf der Suche nach Themen.

Merkel kommt diesem Wunsch nach Profilierung der CDU aber nur bedingt nach. Ihre Rede fällt in weiten Teilen präsidial und staatsmännisch aus. Es ist mehr die Rede einer Regierungschefin denn die einer Parteichefin. Applaus bekommt die 60-Jährige vor allem für die wahlkämpferischen Momente. Sie kritisiert die rot-grüne Landesregierung von Nordrhein-Westfalen, die CDU müsste dafür sorgen, „dass NRW ein Rechtsstaat bleibt“. Der rheinland-pfälzischen Landeschefin Julia Klöckner ruft sie zu: „Ihr habt eine richtig gute Chance, in Rheinland-Pfalz wieder in Regierungsverantwortung zu kommen.“

In für sie ungewohnter Schärfe attackiert sie die neue rot-rot-grüne Landesregierung in Thüringen. Aus ihrer Sicht ist völlig klar, dass die Linke unter Bodo Ramelow bis 2017 geräuschlos regieren wird, um 2017 im Bund ein solches Bündnis zu ermöglichen. „Wie viel kleiner will sich die SPD eigentlich noch machen?“, fragt Merkel. Und noch schärfer: Sie halte „das Verhalten der SPD in Thüringen für eine Bankrotterklärung“. Der Appell an die eigenen Wahlkämpfer in den Bundesländern ist sehr ernst gemeint. Zurzeit stellt die CDU nur noch vier Ministerpräsidenten. Das geht der Volkspartei an die Substanz.

Rot-Rot-Grün in Thüringen macht die Christdemokraten nervös

Das neue Bündnis in Thüringen macht die Union auch deshalb nervös, weil ihre eigenen Möglichkeiten für Koalitionen in Wahrheit schwinden. Ob mit der FDP noch einmal zu rechnen ist, ist derzeit mehr als unklar. Mit der AfD lehnt die Union bislang eine Koalition ab. Es fällt auf, dass Merkel die Partei in ihrer Rede bewusst öffnen will für neue Möglichkeiten. „Die FDP ist und bleibt unser natürlicher Koalitionspartner“, sagt Merkel, die ihren damaligen Koalitionspartner in früheren Reden gern auch mal unter den Tisch fallen ließ. Die Koalition der CDU mit den Grünen in Hessen bezeichnet sie als „neuen interessanten Weg“.

Merkel umarmt in ihrer Rede alle Flügel der Partei, stellt aber die Wirtschaftspolitik an den Anfang. Beschlüsse wie Rentenpaket, Mindestlohn und Frauenquote gingen manchen in der CDU zuletzt zu weit. Seit neuestem macht der Union beim Thema Wirtschaft auch die SPD Konkurrenz: Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel hat in seiner Partei ein neues Wirtschaftsforum gegründet. „Wir sind die erfolgreiche Wirtschaftspartei“, sagt Merkel eingangs.

Die Bilanz ihrer Regierung könnte sich „wirklich sehen lassen“. Nach 46 Jahren werde Deutschland im nächsten Jahr erstmals keine neuen Schulden machen. Der Applaus für „die schwarze Null“, die die Union zum großen Projekt dieser Legislaturperiode ausgerufen hat, fällt überraschend verhalten aus. Viele Delegierte wissen, dass mit dem Thema allein kein Punkt für die CDU in der Regierungskoalition zu machen ist. Merkel schlussfolgert aber: „Die CDU tut Deutschland gut.“

Dabei darf man nicht stehen bleiben, räumt sie ein. Merkel skizziert Herausforderungen, ohne konkret zu werden. Mit der Digitalisierung der Arbeitswelt würden „die Karten neu gemischt“. Deutschland dürfte den Anschluss nicht verpassen. Sie nennt Stichworte wie „Big Data“ und „Telemedizin“, nennt aber keine Ziele, die sie aus diesen Worten ableitet. Sie hebt die in diesem Jahr beschlossene Verbesserung der Mütterrente als etwas hervor, was etwas darüber aussagt, „wie wir Lebensleistung anerkennen“.

Angela Merkel präsentierte in ihrer Rede wenig Überraschendes

In den Delegiertenreihen wird es während der 80-minütigen Rede zwischenzeitlich unruhig. Merkel sagt über weite Strecken wenig Überraschendes, wenig Pointiertes. Sie sagt Sätze wie: „Investieren ist wichtig.“ Auch ihren besonderen trockenen Humor zeigt sie diesmal nicht. Jetzt angesichts von Umfragen nicht übermütig werden – auch das soll ihre Rede womöglich ausdrücken.

Allein am Ende wird es kurz gefühlig, als die frühere DDR-Bürgerin Merkel von ihrem eigenen Anfang in der CDU Anfang der 90er-Jahre erzählt. Bei den Feiern zu 25 Jahre Mauerfall hat sie sich in den Arm gezwickt, wie sie sagt. Sie hat sich gefragt: Was ist alles möglich geworden seit 1989? Als ihr Wahlergebnis verkündet wird, nickt sie ernst. Sie freue sich auf die weitere Zusammenarbeit. Eine Diskussion um ihre Nachfolge verbietet sich noch.