Interview zum 70. der CDU: Die große Verjüngungskur kommt

70 Jahre nach ihrer Gründung blickt die CDU gern zurück und tut sich schwer mit dem Blick nach vorn. Die Christdemokraten wollen moderner werden, jünger und weiblicher. Doch Veränderung fällt ihnen nicht leicht.

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Beim Gründungsparteitag der Bundes-CDU, 1950 in Gosslar, war Heinz Schwarz dabei. Damals war Überkonfessionalität das Thema.

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Beim Parteitag 2013 in Köln ging es um Mitgliederschwund.

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Heinz Schwarz.

Victoria Wirz.

Im Interview erklären zwei Mitglieder, wie sie ihre Partei wahrnehmen. Heinz Schwarz, 86, ist seit 68 Jahren Parteimitglied, Victoria Wirz, 24, ist Vorsitzende der Jungen Union Koblenz. Was bedeuten konservative Werte für zwei Christdemokraten, die mehr als ein halbes Jahrhundert trennt?

Herr Schwarz, wie war die Stimmung in der jungen CDU, als Sie dieser Partei 1947 beitraten?

Schwarz: Das Desinteresse an Parteipolitik war nie größer in Deutschland als unmittelbar nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges. Millionen Menschen waren zuvor in der NSDAP. Die Zahl der Erwachsenen, die sich wieder politisch engagieren wollten, war also nicht sehr groß.

Desinteresse an Politik erlebt die CDU auch heute. Beim Parteitag in Köln war der Mitgliederschwund ein großes Thema. Wie kann die CDU junge Mitglieder gewinnen?

Wirz: Mit einem guten Programm. Und die CDU sollte weiblicher und bunter werden. Man muss dieser Generation zeigen, dass die CDU nicht nur konservative Werte vertritt, sondern auch moderner und urbaner wird.

Haben Sie Beispiele für moderne, urbane Haltungen in der CDU?

Wirz: Momentan wird die Gleichstellung homosexueller Ehen diskutiert. Da sind auch bei uns die Meinungen gespalten. Ich habe nichts gegen gleichgeschlechtliche Ehen. Es gibt viele Kinder, die in einem Heim leben und sich wünschen, in einer Familie aufzuwachsen. Warum nicht bei einem homosexuellen Pärchen? Der Familiengedanke ist ja ein christlicher, konservativer Gedanke.

Bisher lehnt es die Union ab, die Homo-Ehe gleichzustellen.

Wirz: Wir sind in einem Prozess.

Wie lange braucht Ihre Partei noch für diesen Prozess? Reden wir über zehn oder fünf Jahre?

Wirz: Fünf.

In den Kölner Leitsätzen der CDU von 1947 steht, dass die Familie die Grundlage der sozialen Lebensordnung ist. Was ist die Familie heute?

Schwarz: Die Familie ist dort, wo Kinder gezeugt werden können. Es war allgemeiner Konsens, dass die Ehe den besonderen Schutz des Staates braucht. Dann kam der Unfug mit dem Verbot der Homosexualität. Es war klar, dass das wieder aufgehoben werden musste. Nachdem das so viele Homosexuelle geworden waren, musste Erbschaftsrecht und Eigentumsrecht, was beides auf die Familie bezogen war, auch für die gelten, die in einer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft leben.

Was ist mit dem Steuerrecht?

Schwarz: Meine Tochter lebt in einer standesamtlich bescheinigten Partnerschaft. Das ist aber keine Ehe. Trotzdem muss die Rechtsstellung, die für eine Ehe gilt, auch für diese Form der Partnerschaft gelten. Am Ende muss auch das Steuerrecht einbezogen werden.

Warum tut sich die CDU mit diesem Thema noch so schwer?

Schwarz: Natürlich haben Teile der Union länger gebraucht, zu verstehen, dass sich etwas verändert hat. Das ist eine Entwicklung. Aber es wird sich nicht entwickeln, dass aus gleichgeschlechtlichen Partnerschaften Kinder hervorgehen. Und weil das so ist, muss das Wort Ehe für den einen Teil der Partnerschaften bleiben. Man muss für die anderen ein neues Wort finden.

Sehen Sie das auch so, Frau Wirz?

Wirz: Ich denke, eine Verbindung zwischen zwei Menschen kann man als Ehe bezeichnen, egal, ob daraus Kinder entstehen oder nicht.

In den Kölner Leitsätzen steht: Der arbeitende Mensch hat Anspruch auf einen Lohn, der ausreicht, um eine Familie zu gründen und zu ernähren. Ist das der Mindestlohn von 8,50 Euro pro Stunde?

Schwarz: Wenn Sie die Einkommensstruktur aus der Zeit, als die Leitsätze formuliert wurden, betrachten – wie viele damals nicht zurechtkamen – und das mit heute vergleichen, ist ein sensationelles Ergebnis erzielt worden.

Kann man mit 8,50 Euro pro Stunde eine Familie ernähren?

Schwarz: Die staatliche Mindestforderung ist sowieso Quatsch. Dafür haben wir Tarifverträge. Ich bin dagegen, dass der Staat das macht. 8,50 Euro sind zu wenig. Aber es gibt Tarifverträge.

Wirz: 8,50 Euro sind tatsächlich sehr wenig. Ich bin auch kein Befürworter des gesetzlichen Mindestlohns. Die Regierung hat das meiner Meinung nach nicht vorzuschreiben.

Die frühe CDU forderte einen gerechten Lohn. Wie weit hat sich die Partei davon entfernt?

Schwarz: Der größte Teil der Deutschen bekommt inzwischen einen solchen Lohn. Dieser Satz ist fast 70 Jahre alt.

Frau Wirz, die CDU will weiblicher werden. Wie ist das als Frau in einer konservativen Partei?

Schwarz: Wie ist es denn bei der SPD? Genau das Gleiche!

Wirz: Ich hatte bisher keine Probleme als Frau in der Jungen Union oder in der CDU. Der Männeranteil ist deutlich größer, aber es kommt immer mehr weiblicher Nachwuchs.

Es gibt in Ihrer Partei dreimal mehr Männer als Frauen.

Wirz: Genau. Aber der Trend ist, dass immer mehr Frauen kommen.

Schwarz: Es ist ja auch nicht immer so einfach, eine Frau zu finden, die sich politisch engagieren will.

Wohin entwickelt sich die CDU?

Schwarz: Nur die Journalisten wissen, wie es in zehn Jahren aussieht. Wir Politiker wissen, dass wir das nicht wissen können.

Die CDU hat keine Visionen?

Schwarz: Visionen sind Träume. Wer zu viel träumt, kann schlecht gestalten.

Vor welchen Herausforderungen steht die CDU?

Wirz: Personal. Das sieht man schon in der Mitgliederstruktur: Wir haben viele ältere Mitglieder und einige junge, aber die mittlere Altersschicht ist zu gering vertreten. Das Zweite ist die Kanzlerfrage nach Merkel. Aber es ist noch nicht so weit, darüber zu sprechen.

Die CDU scheint momentan sehr auf Angela Merkel ausgerichtet und eingeschworen zu sein.

Schwarz: Na Gott sei Dank! Mich interessiert, dass sie wiedergewählt wird. Dann haben wir fünf Jahre wieder Ruhe.

Wirz: Ich gehe auch davon aus, dass Angela Merkel wiedergewählt wird. Aber wir haben auch viele junge Politiker wie Jens Spahn, Julia Klöckner, Peter Tauber. Wenn es soweit ist, findet sich schon die richtige Person.

SPD und Grüne binden Mitglieder stärker in Entscheidungen ein. Die CDU hat nur in Baden-Württemberg ihre Basis über den Kandidaten für das Ministerpräsidentenamt abstimmen lassen. Warum?

Wirz: Das wird sich auch in den anderen Bundesländern etablieren. Ich glaube, das wird auch bei unserem nächsten Landesparteitag in Rheinland-Pfalz Thema sein. Wenn nicht mehr nur Delegierte wählen können, sondern alle Mitglieder, schafft das innerparteilich mehr Demokratie.

Schwarz: Ich bin für den repräsentativen Charakter der Demokratie.

Wirz: Unsere Partei lebt von den Mitgliedern. Deshalb sollten diese auch mehr in die Entscheidungsprozesse miteinbezogen werden.

Das Gespräch führte Stefan Hantzschmann