Rheinland-Pfalz/Sinzig

Im Quereinstieg zur Erzieherin: Renate Rick (47) aus Sinzig lässt sich umschulen

Renate Rick ist Pionierin in Rheinland-Pfalz: Sie gehört zu den ersten arbeitslosen Frauen, die sich zur Erzieherin umschulen lassen. Seit dem 13. August besucht sie die Alice-Salomon-Schule in Linz am Rhein, eine von 19 Fachschulen für Sozialwesen in Rheinland-Pfalz.

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Renate Rick ist 47 und damit fast 30 Jahre älter als ihre Mitschülerinnen. Aber das macht ihr nichts aus. „Die Jüngeren lernen von meiner Lebenserfahrung“, sagt sie, „und ich bekomme durch sie Energie.“

Eine Umschulung zur Erzieherin ist neu in Rheinland-Pfalz. Entstanden ist die Initiative aufgrund des Fachkräftemangels in den Betreuungseinrichtungen. Aktuell gibt es 540 offene Stellen in den insgesamt 2500 Kindergärten und Kindertagesstätten im Land. Wenn ab August 2013 alle Kinder ab dem ersten Lebensjahr einen Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz haben, wird sich das Problem verschärfen.

Interessierte müssen „gewisse Voraussetzungen erfüllen, die sie für diesen Beruf qualifizieren“

Rheinland-Pfalz ergreift deshalb verschiedene Maßnahmen, um den Quereinstieg in den Beruf zu erleichtern. Eine davon ist die Umschulung von Arbeitslosen. Nicht jeder ist dafür geeignet. Familienministerin Irene Alt (Grüne) macht klar, dass Interessierte „gewisse Voraussetzungen erfüllen müssen, die sie für diesen Beruf qualifizieren“. Mittlere Reife und eine abgeschlossene Berufsausbildung sind genauso wichtig wie Einfühlungsvermögen, Kommunikationsfähigkeit, Verantwortungsbewusstsein und Organisationstalent. Und die Motivation muss natürlich stimmen. Denn auch wenn die Chancen auf dem Arbeitsmarkt sehr gut sind: Die Umschulung ist mit drei Jahren vergleichsweise lang. Da braucht es Durchhaltevermögen.

Das weiß Renate Rick. Sie muss zwei Jahre lang die Schulbank drücken und im dritten Jahr ein Anerkennungspraktikum in einer Einrichtung machen. In den ersten beiden Jahren fördern Arbeitsagenturen und Jobcenter die Umschulung. Sie bezahlen Lebensunterhalt, Fahrtkosten und Ähnliches – in der Regel das, was es an Arbeitslosengeld oder Hartz IV gegeben hat. Im dritten Jahr bezahlen die Träger der Einrichtungen eine Vergütung. Sie entspricht aber nur 56 Prozent des normalen Gehalts. Und das ist ohnehin nicht üppig. Berufseinsteiger können bei einer tariflichen Vergütung mit etwas mehr als 2000 Euro brutto im Monat rechnen.

„Ich freue mich aufs Lernen“

Trotzdem: Renate Rick ist dankbar für die Chance, die sich ihr jetzt bietet. „Ich freue mich aufs Lernen“, sagt sie, „auch wenn es anstrengend wird. Aber ich mag Herausforderungen.“

Die 47-Jährige hat eine bunte berufliche Biografie. Kurz vor dem Abitur schmiss sie die Schule, um sich in Frankreich bei der Knoblauch- und Weinernte zu verdingen. „Ich war halt jung“, lacht sie. Zurück in Deutschland absolvierte sie eine Ausbildung zur Köchin („mein Traumberuf“). Doch dann kamen Probleme mit dem Handgelenk, sie musste die Küchenschürze ablegen. Renate Rick machte eine Umschulung zur medizinischen Kosmetikerin, arbeitete einige Jahre bei einem Dermatologen. Als ihre Kinder geboren wurden, war für sie klar: Sie würde sich ganz der Erziehung widmen. Inzwischen ist die Tochter 21, der Sohn 18 Jahre alt, Renate Rick lebt ohne Partner.

Verschiedene Jobs hat sie gemacht in den vergangenen Jahren, mal in einer Schreinerei, mal bei einem Fischhändler ausgeholfen. „Ich kann alles machen, wenn ich mit Leuten zu tun habe, die hinter ihrem Beruf stehen“, sagt sie. Am meisten beeindruckt hat sie die Arbeit mit behinderten Menschen bei der Caritas. „Das war toll“, sagt sie, „Berührungsängste habe ich schnell abgelegt, sodass ich mich ganz auf sie einlassen konnte. Außerdem hatte ich wunderbare Kollegen, die mich unterstützt haben.“

„Immerhin muss ich ja noch 20 Jahre arbeiten.“

Sie hat Schwimm- und Sportgruppen geleitet, Behördengänge übernommen, Ausflüge organisiert. Da wurde ihr allerdings schmerzlich bewusst, dass ihr die fachliche Grundlage fehlt, um in dem Beruf wirklich Fuß fassen zu können: die Ausbildung. „Jetzt bekomme ich endlich das, was ich immer wollte“, sagt sie heute und fügt nachdenklich hinzu: „Immerhin muss ich ja noch 20 Jahre arbeiten.“

Allerdings ist die psychische und physische Belastung der Erzieher sehr hoch. Mit 59 Jahren geht es durchschnittlich in den Ruhestand. Aber darüber mag sich Renate Rick (noch) nicht den Kopf zerbrechen. Sie freut sich jetzt auf ihre Ausbildung und sagt: „Alles, was ich gemacht habe, diente dazu, dass ich weitergekommen bin im Leben.“

Von unserer Redakteurin Birgit Pielen