Rheinland-Pfalz/Berlin

Expertenstreit: Schadet Mammographie mehr als sie den Frauen nutzt?

Der Streit über Sinn und Nutzen des Mammografie-Screening ist neu entbrannt. Hintergrund sind neue Studien unter anderem vom Nordic Cochrane Centre in Kopenhagen. In einem Gastbeitrag für unsere Zeitung resümiert die bekannte Screening-Kritikerin, die Hamburger Gesundheitswissenschaftlerin Prof. Ingrid Mühlhauser: "Mammografie-Screening schadet mehr Frauen als es nützt.

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Von unserem Redakteur Christian Kunst

Die Frage ist, wie viele durch Screening krank gemachte Frauen wollen wir in Kauf nehmen, um einer Frau den vorzeitigen Tod durch Brustkrebs zu ersparen.„

Laut der Studien sterben durch das Screening in zehn Jahren von 1000 Frauen eine bis drei weniger an Brustkrebs. Aber: “Auf eine Frau, die weniger an Brustkrebs stirbt, kommen nach Schätzungen fünf bis zehn Frauen, die eine Überdiagnose bekommen. Das ist ein Brustkrebs, den man ohne Screening zeitlebens nicht bekommen hätte.„ Dies sei für viele Frauen eine enorme psychische Belastung. Hinzu kommt laut Mühlhauser, dass von 100 Frauen, die in Deutschland sterben, bei 3 Brustkrebs und bei 20 weiteren irgendeine andere Krebserkrankung dafür verantwortlich ist. Das heißt: Die Frauen, die durch das Screening gerettet werden können, stirbt statistisch gesehen irgendwann an einem anderen Krebs oder einer anderen Erkrankung.

Dies ist laut Experten wie Peter Goetzsche von Nordic Cochrane Center, der auf eine britische Untersuchung älterer Studien verweist, nicht selten Folge der Übertherapie: Danach sterben zwar von 10.000 Frauen, die zur Mammografie gehen, 3 bis 4 weniger an Brustkrebs, zugleich aber 3 bis 9 pro 10.000 Frauen an den Folgen der unnötigen Therapie – meist handelt es sich um Lungenkrebs und Herzinfarkt infolge der Radiotherapie.

Widerspruch von Koblenzer Radiologen

Widerspruch kommt vom Koblenzer Radiologen Dr. Toni Vomweg, programmverantwortlicher Arzt für das Screening-Programm im nördlichen Rheinland-Pfalz: Rund 80 Prozent der entdeckten Karzinome sind nach seinen Worten kleiner als zwei Zentimeter. “So kann ein Brustkrebs oft schonender behandelt werden, zum Beispiel durch eine kleinere Operation oder durch den Verzicht auf eine Chemotherapie. Das bringt den Betroffenen sehr viel Lebensqualität und spart viel Leid und Kosten.„ Vomweg sagt jedoch auch: “Manche Frauen sind heute noch der Meinung, dass durch eine Teilnahme am Screening-Programm ein Brustkrebs verhindert werden kann. Dies ist selbstverständlich falsch. Das Sceening bietet nur die Chance, einen Tumor früher zu erkennen.„ Der Radiologe ist überzeugt: Trotz aller Kritik “funktioniert die Methode".

Seit dem Start des Screening-Programms in Rheinland-Pfalz im Jahr 2007 gab es im nördlichen Rheinland-Pfalz 220.000 Untersuchungen, 2013 allein 37.935. 1700 Brusttumore wurden diagnostiziert.