Auf den Lehrer kommt es an: Der Erfolgsfaktor Lehrer

Lehrer oder Lehrerin zu sein, ist ein anspruchsvoller Beruf. Von den Pädagogen wird nicht weniger erwartet als dass sie aus unseren Kindern gebildete Menschen machen. Ein komplexer Vorgang. Denn der Lehrer vermittelt nicht nur Fachwissen. Er soll die Schüler auch in ihrer Persönlichkeitsentwicklung fördern.

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Doch dazu muss er selbst eine Persönlichkeit sein. Damit kann er den Schulerfolg eines Kindes mindestens genauso beeinflussen wie durch die reine Wissensvermittlung. Doch was genau macht die Persönlichkeit eines Lehrers aus?

John Hattie, Neuseeländer, Bildungsforscher und Professor an der University of Melbourne, hat mehr als 800 Metaanalysen dazu ausgewertet. Sein Buch „Lernen sichtbar machen“ liefert die umfangreichste Darstellung der weltweiten Unterrichtsforschung. Hattie kommt zu dem Schluss: Was Schüler lernen, bestimmt der einzelne Pädagoge. Alle anderen Einflussfaktoren – die Rahmenbedingungen, die Schulform oder die Lehrmethoden – sind zweitrangig. Entscheidend ist allein ein guter Lehrer. Das aber ist vielen Pädagogen nicht bewusst.

Tarek (18) aus Altlay im Hunsrück

Birgit Pielen

Melanie (18) aus Haserich

Birgit Pielen

Anna (19, links) aus Traben-Trarbach und Carolin (18) aus Kröv

Birgit Pielen

Johannes (18) aus Traben-Trarbach

Birgit Pielen

2012 fragte das Allensbach-Institut Lehrer nach ihrer Bedeutung. 48 Prozent meinten, sie hätten wenig oder gar keinen Einfluss auf ihre Schüler, ganz im Gegensatz zu den Medien etwa. Nur ganze 8 Prozent schrieben sich eine „sehr große“ Bedeutung zu.

Der Pädagoge sollte immer auch die Perspektive der Kinder einnehmen

Hatties Forschungsergebnisse widerlegen solche Bedeutungslosigkeit. Für Hattie darf ein Lehrer kein bloßer Lernbegleiter sein. Will er etwas erreichen, muss ein Lehrer sich vielmehr als Moderator verstehen, der sein Publikum im Griff und jeden Einzelnen im Blick hat. Ein guter Lehrer steuert laut Hattie den Unterricht von der ersten bis zur letzten Minute – und nimmt immer die Perspektive seiner Schüler ein.

Gerhard Bold, rheinland-pfälzischer Landeschef des Verbandes Bildung und Erziehung (VBE), teilt Hatties Thesen. „Die Lehrerpersönlichkeit ist das A und O des Schulerfolgs“, sagt der 64-Jährige. „Ein guter Lehrer ist mehr als ein Wissensvermittler.“ Er muss vor allem wertschätzend sein, jedes einzelne Kind muss ihm am Herzen liegen. „Man muss Achtung vor jedem Schüler haben, dann gewinnt man Zutrauen und Vertrauen“ – und schafft eine gute Atmosphäre. „In einer Nichtbeziehung kann man nicht lernen“, sagt Bold. Das sehen Schüler genauso.

„Lehrern, die einem Respekt zeigen, kann ich vertrauen“, beschreibt es Gymnasiast Niklas (19) aus Kirchberg. Das wiederum habe Einfluss auf den Unterricht. Virginia (18) aus Traben-Trarbach erklärt es so: „Man traut sich, etwas zu sagen – auch wenn es vielleicht falsch ist. Aber man hat die Gewissheit, Fehler machen zu dürfen, ohne dass man bloßgestellt wird.“

Virginia und Niklas besuchen die zwölfte Klasse am Gymnasium Traben-Trarbach. Schulleiter Rudolf Müller-Keßeler ist sich der Bedeutung der Lehrerpersönlichkeit bewusst: „Überall, wo Menschen agieren, hinterlassen sie Spuren“, sagt er. Manchmal auch solche, die man gern tilgen möchte. „Lehrer können einem ein Fach auch verleiden“, sagt Tarek (18) aus Altlay. „Manchen sieht man an, dass sie keinen Bock haben.“ Die Oberstufenschüler merken sehr wohl, wenn ein Lehrer sich schlecht oder überhaupt nicht auf den Unterricht vorbereitet hat. Ihre Schlussfolgerung: Warum sollen sie sich für die Schulstunde interessieren, wenn er es offenbar auch nicht tut?

Die Freude am Fach überträgt sich auf die Schüler

Umgekehrt haben die Schüler auch die Erfahrung gemacht: Ein Lehrer aus Leidenschaft ist durchaus in der Lage, für ein Fach zu begeistern. „Dann freut man sich wirklich auf den Unterricht“, sagt René (18) aus Blankenrath. Für Luise (18) und Anna (19) aus Traben-Trarbach macht die Kombination aus Autorität, Respekt und Spaß am Beruf eine gute Lehrerpersönlichkeit aus. Die Aspekte, die die Oberstufenschüler nennen, decken sich auffallend häufig mit Hatties Thesen. Er sagt auch: Ein guter Lehrer darf keine Zeit mit unwichtigen Dingen verschwenden, und er muss rasch erkennen, ob er auf eine Störung mit Strenge oder mit einem Augenzwinkern reagieren soll. Noch höher auf der Hattie-Skala rangiert die „teacher clarity“, dass Schüler also verstehen, was der Lehrer von ihnen will. Beide Bedingungen für einen gelungenen Unterricht werden stark unterschätzt. Viel zu viele Lehrer, kritisiert Hattie, erklären fehlende Lernfortschritte mit den Schwächen ihrer Schüler: dem Mangel an Fleiß, der falschen Eignung oder der fehlenden Unterstützung des Elternhauses. Stattdessen muss der Lehrer sich fragen, was er falsch macht, wenn seine Klasse beim Lernen nicht vorankommt. In der deutschen Bildungspolitik sind Hatties Thesen nur kurz diskutiert worden. Stattdessen standen Schulreformen, Turbo-Abi oder Pisa-Tests im Fokus – also Rahmenbedingungen, Debatten um kürzere Schulzeit oder die internationale Vergleichbarkeit von Schülerleistungen. Hattie sagt: „Wir diskutieren leidenschaftlich über die äußeren Strukturen von Schule und Unterricht. Sie sind aber, was das Lernen angeht, unwichtig.“

Birgit Pielen

Welche Erfahrungen haben Sie gemacht – als Schüler, Lehrer oder Elternteil? Was trägt aus Ihrer Sicht zum Lernerfolg bei? Welche Persönlichkeitsmerkmale des Lehrers halten Sie für besonders wichtig? Schreiben Sie unter dem Stichwort „Mein Lehrer“ an leserpost@rhein-zeitung.net