Washington

Porträt II: Trump, der Triumphator

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Das Rennen um das Weiße Haus in Washington hat eine sensationelle Wende genommen. Das Oval Office übernimmt nicht die erste Frau in der US-Geschichte, sondern ein Immobilienmogul und Fernsehstar.

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Von Michael Donhauser (dpa)

Der Polit-Desperado ist am Ziel. Die Amerikaner haben Donald Trump zum 45. Präsidenten der Vereinigten Staaten gewählt – und damit ein enormes Risiko. Große Teile des Landes und der Welt sind in einer Schockstarre. Donald Trump ist der unberechenbarste Präsident, den die Vereinigten Staaten je hatten. Trump ist einmal Arbeiterführer und dann wieder Kapitalist, es gibt ernsthafte Argumente, er sei ein Antisemit. Andere sehen ihn als großen Menschenfreund.

2016 – das war sein Wahlkampf, es war seine Wahl. Donald Trump prägt mit seinen unkonventionellen Reden, seiner Gestik, seinen Vorschlägen seit Monaten die politische Landschaft in den Vereinigten Staaten. Er propagierte eine Mauer an der Grenze zu Mexiko, er will internationale Verträge kündigen. Er will alles anders machen. Trump erwies sich als schneller, treffsicherer, durchschlagskräftiger als andere. Der Rest des politischen Feldes lief ihm seit 15 Monaten hinterher – manchmal, ohne es zu merken.

„Dies ist kein Wahlkampf, dies ist eine Bewegung“

Keiner hat soviel Aufmerksamkeit erregt, keiner wurde so häufig parodiert, so innig geliebt und so leidenschaftlich gehasst, wie der Sohn eines Immobilienmoguls und Enkel eines deutschen Auswanderers. Sein Credo: „Dies ist kein Wahlkampf, dies ist eine Bewegung.“ Amerika wollte den Wandel. Der Drang nach etwas Neuem war nach acht Jahren Barack Obama größer als die Angst vor dem unberechenbaren Narziss aus New York. „Ich will ein Präsident für alle Amerikaner sein“, sagte Trump nach der Wahl.

Mit seinen Lügen, seiner Aggression, seiner Arroganz, die ihm nicht zuletzt sein Biograf Michael D'Antonio bescheinigte, hat Donald Trump ein neues Kapitel des Politikmachens in westlichen Demokratien aufgeschlagen, selbst im US-Maßstab wird das Limit verschoben. Noch nie vor ihm hat ein aussichtsreicher Kandidat Haft für einen politischen Mitbewerber gefordert, noch nie vorher hat ein Bewerber die demokratischen Grundsätze des Landes in Frage gestellt. Niemals bisher hat ein Bewerber seine Kandidatur gegen das politische System als solches gerichtet.

Den Finger in die Wunde gelegt

Trump hat aber auch den Finger in eine Wunde Amerikas gelegt. Je länger der Wahlkampf dauerte, desto häufiger wurde deutlich: Dieser Mann hat einen Punkt. Die Machtbesessenheit und Beratungsresistenz seiner eigenen Partei wurde sichtbar – er entkoppelte sich. Die unglückliche Rolle vieler Medien, die in der Berichterstattung versagten und das Wasser für Trumps Mühlen lieferten, wurde erkennbar – Trump bekämpfte sie.

Trump, der nicht trinkt oder raucht und den Menschen aus seinem Umfeld als enorm fleißig beschreiben, hat die Überholtheit politischer Strukturen und Gewohnheiten offengelegt – ob es um Wahlkampfspenden ging, oder um die Antwort auf die Frage, wer eigentlich von einer globalisierten Weltwirtschaft profitiert. Jetzt solle Amerika wieder wachsen – wieder großartig werden.

Dabei verlor er nicht gegen Hillary Clinton, die er in die zweite Niederlage im Kampf um das Weiße Haus nach 2008 schickte. Er verlor nicht gegen das politische Establishment seiner eigenen Partei, das er pulverisierte. Aber er unterlag im Ringen mit seinen eigenen Ansprüchen. Der Mann, der den Anstand predigt und die politische Klasse als verlogen bezeichnet, verbiegt die Wahrheit jeden Tag aufs Neue. Der Kandidat, der sich nicht von Parteispendern kaufen lassen wollte, nahm dann doch noch Geld – und traute sich nicht, seine Steuererklärung zu veröffentlichen. Der Unternehmer, der für den Verbleib von Arbeitsplätzen in den USA focht, machte Geld mit Produkten aus Billiglohnländern.

Lunte an die Demokratie gelegt

Das ist aber nicht das eigentliche Problem der bevorstehenden Präsidentschaft von Donald Trump. Schwerer wiegt: Trump hat eine Lunte an die US-amerikanische Demokratie gelegt, eine Art Grundkonsens aufgekündigt. Er hat die Mittelschicht gegen die Oberen, die Arbeitslosen gegen die Berufstätigen, die Ungebildeten gegen die Gescheiten aufgehetzt. Den tiefsitzenden Ärger von unten nach oben hat er genutzt. Der Filmemacher Michael Moore sagte: „Die amerikanischen Wähler haben die Wahl zum Abbau ihres Ärgers genutzt.“ Das ist das Land, das er jetzt regieren muss.

Trump hat die Kohlekumpel, die Stahlwerker, die arbeitslos gewordenen Industriearbeiter hinter sich. Ihnen versprach er, auf den Klimawandel zu pfeifen. Sie fühlen sich betrogen von der politischen und ökonomischen Klasse, die stets die Globalisierung predigt und aus ihrer Sicht stets doch nur die eigenen Taschen füllt. „Die zornigsten unter den Amerikanern sind nicht die Hipster-Aktivisten von Occupy – es ist die sogenannte Mittelklasse – nicht arm, nicht reich“, schrieb David Frum im „Atlantic“. Leute, die sich darüber ärgern, dass sie beim Geldautomaten die Sprachauswahl zwischen Englisch und Spanisch haben.

Trump hat Rückhalt in seiner Familie. Die Söhne Eric und Donald jr. sowie Tochter Ivanka haben ihm im Wahlkampf den Rücken gestärkt, sie dürften neben der künftigen First Lady Melania Trump (45) auch im Weißen Haus eine Rolle spielen – wenngleich eher im Hintergrund. Mit der PR-Strategin Kellyanne Conway und dem erzkonservativen Medienmacher Steve Bannon dürften die prägenden Figuren seines Wahlkampfes auch weiterhin eine Rolle spielen. Ansonsten ist sein politisches Team bisher wenig erkennbar.

Langer Heilungsprozess

Kaum vorstellbar ist derzeit, wie Trump sich mit seiner Partei, den Republikanern, arrangieren will. Zuviel Porzellan ist zerschlagen. Zuviel Beleidigungen sind gefallen. Zu sehr hat Trump die einst große Partei vor die Zerreißprobe gestellt. Viele hatten sich aus einer Mischung aus Machthunger und Parteiräson auf den letzten Wahlkampfmetern widerwillig hinter Trump versammelt.