New York

Porträt I: Donald Trump war das Kind, das den Kuchen warf

Donald Trump
Donald Trump Foto: dpa

Der 45. Präsident der Vereinigten Staaten hält sich an keine Spielregeln. Seine Aufstieg an die Macht folgt einem Drehbuch, für das es in den USA keine Vorlage gab.

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Von unserem USA-Korrespondenten Thomas Spang

Der verzögerte Gang, das vorgestreckte Kinn und das Haifisch-Grinsen – Donald Trump (70) überlässt bei seinen Auftritten wenig dem Zufall. Auch in der Nacht des Triumphs nicht. Er liebt die Siegerpose, die er gegen drei Uhr früh vor seinen Anhängern im New Yorker Hilton-Hotel einnimmt.

„Die vergessenen Männer und Frauen dieses Landes werden nicht länger vergessen bleiben“, verkündete der Wahlsieger, der mit dem Instinkt eines Marketingexperten eine Stimmung aufspürte, die das politische Washington für lange Zeit ignoriert hatte. Das war schon seine Stärke bei den Vorwahlen der Republikaner und erwies sich nun auch in der Auseinandersetzung mit Hillary Clinton als wertvoll.

Andere mögen daran gezweifelt haben, ob der Milliardär, dem jede politische Erfahrung fehlt, für das wichtigste Amt der Welt überhaupt qualifiziert sei. Trump selber hat nie daran gezweifelt. „Ich bin Eure Stimme“, erklärte er auf dem Krönungsparteitag der Republikaner in Cleveland. „Nur ich allein kann die Dinge wieder in Ordnung bringen“.

Trickle Down: Sein Erfolg soll durchsickern

In der Welt Donald J. Trumps können immer nur die anderen die „Looser“ sein. Er selber sieht sich als Gewinner-Typ. Er versprach den Amerikanern, dass der Erfolg an sie durchsickert, wenn sie ihn ins Weiße Haus schicken. Das ist der Appeal seines Versprechens „Amerika wieder großartig zu machen“, das ihn vom Außenseiter bei den Vorwahlen der Republikaner zum nächsten Präsidenten der Vereinigten Staaten aufsteigen liess.

Die Nation steht genauso mit offenem Mund vor dem Wahlsieg Trumps wie Greta Tarbell (63), die vergangenen August in den strahlend blauen Sommerhimmel über der Iowa State Fair starrte.

„Da ist er“, ruft die Rentnerin entzückt auf, als sie am Heck der Sikorsky S-76 in fetten weißen Lettern den Namen des Kandidaten entdeckt: “T-R-U-M-P.” Hunderte Fans verfolgen gebannt wie der schwarze Helikopter drei Ehrenrunden zieht bevor er zur Landung ansetzt.

Das Schlagen der Rotoren vermischt sich unter das Johlen der “Trumpers”. Kurz darauf steigt eine Staubwolke auf. Aus ihr hervor tritt der Mann, in dem seine Anhänger den Retter Amerikas sehen. Dunkelblaue Club-Jacke, beige Hose, weiße Lederschuhe und rote Baseball-Kappe mit der Aufschrift „Make America Great Again“.

Der Geschäftsmann schreitet mit dem Zeitlupengang auf die Menge zu, den er sich für die Reality-TV-Show “The Apprentice” patentieren ließ. Die mehr als zwanzig Millionen Fans der Erfolgsserie, die über Jahre zur besten Sendezeit auf NBC über die Mattscheibe flimmerte, erkennen das Markenzeichen sofort wieder.

„You' re fired“

Wie er in seiner Fernsehshow Kandidaten mit den Worten “You are fired” nach Hause schickte, verspricht Trump seinen Anhängern nun, die etablierten Politiker in Washington zu feuern. Entsprechend inszenierte er die Wahlen zum wichtigsten Amt der Welt einer Reality-TV-Show, deren Sieger ins Weiße Haus einzieht.

Der Auftritt lieferte einen Vorgeschmack auf einen Wahlkampf, wie ihn Amerika noch nicht erlebt hat. Mit einem Kandidaten, der die Wähler wie der Kinderbuch-Held Willy Wonka in seine wundersame Welt lockt. Sei es mit der Verheißung, die Supermacht wieder großartig zu machen, oder sprichwörtlich – wie in Iowa – durch Rundflüge in seinem Helikopter.

Spielt mit den Ängsten der Klein- und Wutbürger

Mit sicherem Instinkt kanalisierte Trump die Wut der weißen Kleinbürger und Arbeiter gegen das Establishment. Er spielt mit den Ängsten, Sorgen und Wünschen dieses Wählersegments, das sich von der Globalisierung bedroht fühlt. Trump verkörpert die Sehnsüchte der Verlierer und derjenigen, die sich als solche betrachten.

“Ich werde so viel siegen, dass es Euch langweilig wird”, verspricht Trump in seinen mäandernden Reden, in denen er sich als Gottes Geschenk an Amerika verkauft. “Es gibt niemanden, wie mich, niemanden”, gehört zu den Sätzen, mit denen der Kandidat seine Marke wie ein Waschmittel-Verkäufer anpreist.

„Lehrbuchfall von Narzissmus“

Der Mann, der überall seinen Namen anbringt, glaubt an seine eigene Herrlichkeit. Für den klinischen Psychologen George Simon ist Trump ein “Lehrbuchfall von Narzissmus”.

Donald Trump im März 2016 (oben, l), Juli 2005 (oben, r), Juni 2015 (unten, l) und Februar 2016 (unten, r).
Donald Trump im März 2016 (oben, l), Juli 2005 (oben, r), Juni 2015 (unten, l) und Februar 2016 (unten, r).
Foto: dpa
Eine Erklärung für die Selbstfixierung Trumps könnte die Strenge seines Vaters Fred sein, der in Queens und Brooklyn ein Imperium mit 27.000 Mietwohnungen aufgebaut hatte. Dieser schickte den dreizehnjährigen Donald zur Disziplinierung auf eine Militärakademie am Hudson River. Dort muss er Uniform tragen, strammstehen, und sich von ehemaligen Feldwebeln zusammen brüllen lassen.

Killer-Instinkte

Der Vater bewunderte aber auch die “Killer-Instikte” Donalds, die ihn von seinem älteren Bruder Robert – einem Schöngeist – und Fred – eines in jungen Jahren verstorbenen Alkoholikers – unterschieden. Er war mit gerade einmal 26 Jahren der auserkorene Erbe der “Trump”-Organisation, der sich nach Studium in den Bronx und der Wharton-Business School in die Fußspuren des Firmengründers begab.

Mitte der 70er Jahre weitete Donald das Geschäft in Manhattan aus. Trump ließ sich in einem silbernen Cadillac durch die Stadt chauffieren, trieb sich in den feinsten Clubs mit hübschen Modells herum und füllte die Klatschspalten der Boulevardpresse. 1983 setzte er sich mit dem 202 Meter hohen Trump-Tower nahe dem Central Park ein Denkmal, für das er die Steuerzahler kräftig zur Kasse bat.

Ende der Achtziger Jahre überhebt sich Trump in Atlantic City mit dem für knapp eine Milliarde Dollar errichteten Spielkasino “Taj Mahal”. Der Baumagnat hatte die Warnung von Analysten in den Wind geschlagen, die meinten, der Markt in dem Badeort an der Küste New Jerseys sei für sein als “achtes Weltwunder” angepriesene Projekt nicht groß genug.

Too big to fail – zu groß für den Bankrott

Der Trump-Organisation drohte der Bankrott. Und wieder hat Donald Glück. Die Banken wollen das geliehene Geld nicht abschreiben, sondern retten den Bauunternehmer vor dem Konkurs. Kurz darauf geht seine Ehe mit seiner ersten Frau Ivana zu Ende. Die New York Post hatte auf der Titelseite über seine Affäre mit der Schauspielerin Marla Maples berichtet. Die Schlagzeile: “Der beste Sex meines Lebens”.

Mit der zweiten Frau, die Trump 1993 ehelichte, änderte er sein Geschäftsmodell. Fortan vermarktete er seine Berühmtheit. Die Risiken des Bauens überließ er überwiegend anderen. Trump orientierte sich in das Show-Geschäft um und spielte wiederholt mit dem Gedanken, in die Politik einzusteigen.

Als er am 16. Juni vergangenen Jahres mit seiner inzwischen dritten Ehefrau Melania die goldene Rolltreppe des Trump Towers herunterschwebte, um seine Präsidentschaftskandidatur bei den Republikanern anzukündigen, nahm seine Bewerbung kaum jemand Ernst.

Es dauerte eine Weile ehe seine Mitbewerber und die Presse realisierten, wie sehr der Kandidat einen Nerv bei den Republikanern traf. Was andere US-Konservative zwischen den Zeilen sagen, spricht er direkt aus. Gegen den Vorwurf des Rassismus und Sexismus immunisiert sich Trump mit dem Argument, der Ernst der Lage erlaube keine “politische Korrektheit”.

Er will 11 Millionen deportieren

Unbekümmert hetzt er gegen Muslime und Mexikaner, will die einen an der Einreise hindern und die anderen mit einer Mauer fernhalten. Er verspricht, elf Millionen Einwanderer ohne Papiere zu deportieren, mutmaßliche Terroristen zu foltern und deren unschuldigen Familien zu bombardieren. Frauen die abtreiben, will er bestrafen.

Viele republikanische Führer versuchen den Erfolg der Hetze des “Ich”-Kandidaten schönzureden. Selbst nach seinen wenig präsidialen Auftritten in Gefolge des Terroranschlags von Orlando verbreiteten sie Zweckoptimismus. Der Kandidat werde sich schon irgendwie zum Mannschaftsspieler entwickeln.

Das Kind, das den Kuchen warf

Robert Trump kennt seinen jüngeren Bruder anders. Dass er sich an Regeln halte oder von anderen kontrollieren lasse, passe nicht zu dessen Charakter. “Donald war das Kind, das auf Geburtstagsfeiern den Kuchen warf”. Die Mehrheit der Wähler fand genau das attraktiv. Der Rest der Welt sollte sich darauf nun einstellen.