Das Ulmener Maar erinnert noch heute an einen lebendigen Vulkanismus in der Eifel. Und es könnte in dieser Gegend noch immer unter der Erde brodeln: Forscher aus Karlsruhe und Freiberg haben zwischen Ulmen und Bad Bertrich Bereiche mit erhöhter Magmakonzentration gefunden. Dafür haben sie erneut Daten ausgewertet, die bereits vor mehr als 30 Jahren erhoben wurden. Wie sind die Wissenschaftler vorgegangen? Und wie groß ist die Gefahr eines erneuten Ausbruchs? Unsere Zeitung hat mit dem Geophysiker Dario Eickhoff, einem der Studienautoren gesprochen.
Das Ulmener Maar ist das jüngste in der Eifel. Können Sie schildern, wie es damals vor etwa 11.000 Jahren entstanden ist?
Magma kam relativ schnell aus dem oberen Erdmantel durch die Erdkruste – das muss innerhalb von wenigen Tagen oder Wochen passiert sein. Kurz vor der Oberfläche ist das Magma auf Wasser getroffen. Dadurch gab es eine sehr starke Explosion. Denn wenn heißes Magma auf Wasser trifft, dehnt es sich um ein Vielfaches aus und reißt die umliegenden Gesteine auf. Dadurch ist das Loch entstanden, das wir heute als See kennen – es hat sich mit Regenwasser gefüllt. Es wird sich damals um mehrere kleinere Ausbrüche gehandelt haben. Das kann man am Ulmener Maar ganz gut erkennen. Dort gibt es schöne Aufschlüsse, die diese Stratifizierung von den Sedimenten, der Asche und anderen Auswürfen gut zeigt.

Sie und Ihre Forscher-Kollegen haben nun bei Ulmen wahrscheinlich Magma in 10 bis 30 Kilometern Tiefe unter der Erde gefunden, ohne selbst vor Ort gewesen zu sein. Wie sind Sie dabei vorgegangen?
Es gab ein großes Projekt in den späten 80er-Jahren in ganz Europa. Dort wurden lange seismische Linien gemessen, um sich die Krustenstruktur anzuschauen. Davon haben wir zwei Messlinien neu ausgewertet. Die Linien sind jeweils etwa 90 und 50 km lang. Entlang der Linien wurden Messinstrumente aufgestellt. Dann wurden sie mit Lastwagen abgefahren, mit deren Hilfe seismische Wellen angeregt wurden – ähnlich wie bei einem kleinen Erdbeben. Diese Wellen haben sich im Boden ausgebreitet, die Signale wurden an Strukturen in bis zu 30 Kilometern Tiefe reflektiert. Diese Reflexionen haben wir durch einige Bearbeitungsschritte so herausgearbeitet, dass sie im Vergleich zu den Störsignalen verstärkt wurden. So sind wir zwischen Ulmen und Bad Bertrich immer wieder auf Bereiche erhöhter Magmakonzentration gestoßen. Die meisten dieser Bereiche befinden sich in der Mitte zwischen den beiden Orten, also in etwa bei Lutzerath.
Was ist aus wissenschaftlicher Sicht das Spektakuläre an dem Fund?
Das ist die zweite Studie, die Schmelzen in der Eifel nachweisen kann. Das konnte schon für den Bereich unter dem Laacher-See-Vulkan gezeigt werden. Jetzt ist es das erste Mal, dass Magma auch unter der Westeifel nachgewiesen werden konnte. Das ist durchaus ein großer Wurf.

Die ausgewerteten Daten sind mehr als 30 Jahre alt. In welchem Zustand ist das gefundene Magma heute – und wie könnte es sich in den nächsten Jahren entwickeln?
Das ist schwer zu sagen. Sicher wissen wir nur, wie es vor 35 Jahren aussah. Die Bereiche, die wir gefunden haben, sind aber sehr wahrscheinlich gerade dabei, zu erkalten. Das denken wir, weil die Westeifel aus anderen Studien dafür bekannt ist, dass das Magma sich relativ schnell durch die Erdkruste bewegt. Wir sprechen hier von wenigen Tagen bis Wochen, die das Magma aus einer Tiefe von mehr als 30 Kilometern bis zur Erdoberfläche braucht. Da das mehr als drei Jahrzehnte lang nicht passiert ist, gehen wir davon aus, dass es derzeit am Erkalten ist.
Liefern die neuen Erkenntnisse Ansatzpunkte für weitere Forschung?
Ja. Dadurch, dass jetzt Schmelzen gefunden worden sind – beziehungsweise wir Schmelzen vermuten –, stellt sich die Frage, warum wir sie gerade in diesen Bereichen finden konnten und nicht in anderen. Eine andere Frage wäre, wie sich die Schmelzen über 35 Jahre tatsächlich entwickelt haben. Wenn jemand viel Geld übrighätte, könnte man dazu neue Messungen machen. Offen bleibt auch, ob es noch weitere solche Bereiche unter der Eifel gibt.
Zur Person
Dario Eickhoff hat seinen Master in Geophysik an der TU Bergakademie Freiberg gemacht. Der in der aktuellen Studie untersuchte Vulkanismus in der Westeifel war Thema seiner Masterarbeit. Inzwischen ist Eickhoff Doktorand am Karlsruher Institut für Technologie. In seiner Promotion am Geophysikalischen Institut beschäftigt er sich mit der seismologischen Detektion von Meteoroiden. „Wenn diese verglühen, kann man akustische Signale messen“, erklärt Eickhoff. „Diese akustischen Wellen können den Boden deformieren, und diese Signale erkennen wir auf Seismometern.“ csa
Dann ist mit Blick auf den Vulkanismus in der Eifel noch vieles unerforscht?
Die Westeifel ist im Vergleich zur Osteifel viel weniger erforscht. Da können wir sicherlich noch einiges lernen. Im Bereich des Laacher-See-Vulkans wissen wir dagegen schon relativ viel, gerade durch die Seismologie. Aber je weiter man sich von dort wegbewegt, desto mehr nimmt die Unsicherheit zu, was wir wirklich wissen. Aber natürlich ist der Laacher-See-Vulkan durch seine spektakuläre Eruption das Forschungsziel Nummer eins in der Region. Die Eruption liegt etwa 13.000 Jahren zurück. Damals wurde der Rhein durch die ganzen vulkanischen Ablagerungen aufgestaut. Danach gab es eine riesige Flutwelle, die heutzutage eine menschliche Katastrophe hervorrufen würde.
In Ihrer Untersuchung schreiben Sie, dass ein mögliches Wiederaufleben von Vulkanausbrüchen in Mitteleuropa eine große Gefahr darstellen würde. Wie sieht es in der Eifel aus – könnte der Vulkanismus hier in den nächsten Jahren oder Jahrzehnten eine Bedrohung für die Bevölkerung darstellen?
Nach aktuellem Wissensstand würde ich eine Bedrohung der Bevölkerung erst mal als sehr gering einschätzen. Weder in der Osteifel um den Laacher See noch in der Westeifel lässt sich im Moment eine Änderung der Situation durch geophysikalische Messmethoden feststellen. Aber wenn etwas unwahrscheinlich ist, heißt es natürlich nicht, dass es unmöglich ist. Wenn man einen längeren Zeitraum betrachtet, wie Jahrhunderte oder Tausende von Jahren, dann ist ein erneuter Vulkanausbruch durchaus immer wahrscheinlicher.

Rein hypothetisch: Wie könnte ein Ausbruch zum jetzigen Zeitpunkt aussehen?
Wenn man die Historie der Ausbrüche in der Eifel betrachtet, dann sind ungefähr zu zwei Dritteln Schlackenkegel und zu einem Drittel Maare entstanden. Bei Schlackenkegeln handelt es sich um einen friedlichen Ausbruch, das Magma trifft hier nicht auf Wasser. Und da die Magma-Mengen in der Eifel relativ gering sind, wäre nicht von einem riesigen Vulkan auszugehen, sondern eher von einem kleinen Kegel. Der wäre sicher ein Touristenmagnet für die Eifel. Doch wie gesagt: Nach allem, was wir aktuell wissen, schläft der Eifelvulkanismus im Moment. Irgendwann wird er jedoch sehr wahrscheinlich wieder erwachen, und dann gibt es hoffentlich einen Geophysiker, der die Indizien, die ein solches Wiedererwachen mit sich bringt, richtig einzuschätzen weiß.