Westerwaldkreis – Ein Flüchtlingsdrama um drei Minderjährige, die seit drei Monaten im Westerwaldkreis leben, hat unter dem Druck der Öffentlichkeit, von Politik und ehrenamtlichen Institutionen womöglich ein glückliches Ende gefunden.
Von unserer Redakteurin Stephanie Kühr
Binnen wenigen Tagen haben sich die Ereignisse um die drei 17-Jährigen Hamid, Davood und Ismael (Namen geändert), die im November vergangenen Jahres mithilfe von Schleusern von Afghanistan und Algerien aus nach Deutschland flüchteten und in einer Behelfsunterkunft mit Betreuung des Jugendamtes in Wirges untergebracht sind, überschlagen. Nach zähem Ringen hat der Kreis den jungen Männern nun die geforderte Unterkunft in einer geeigneten Jugendhilfeeinrichtung angeboten. Zuvor hatte die Trierer Bundestagsabgeordnete Katrin Werner (Die Linke) dem Kreisjugendamt öffentlich Versagen vorgeworfen.
„Die Flüchtlinge sind in einem desolaten Zustand. Die zuständigen Behörden haben versagt“, sagte Werner, nachdem das Multikulturelle Zentrum Trier, dessen Projektgruppe „Verstärker“ sich ehrenamtlich um die Jugendlichen kümmert, mit Berichten über die menschenunwürdigen Lebensumstände der drei Jungen in Wirges an die Öffentlichkeit gegangen war. Die WZ hat sich am Ort einen Eindruck gemacht und mit den „Verstärker“-Mitarbeiterinnen sowie dem Jugendamt gesprochen.
Zur Vorgeschichte: Nach ihrer Einreise waren die 17-Jährigen zunächst in einer Erstaufnahmeeinrichtung für Asylsuchende in Trier untergebracht und wohnten in der Clearingstelle des Don-Bosco-Hauses, wo man sich um Asylantrag, Formalitäten und Deutschkurse kümmerte. Den Deutschkurs machten die drei jungen Männer im Multikulturellen Zentrum und stehen seitdem in engem Kontakt mit den Mitarbeitern der Projektgruppe „Verstärker“, die sich um minderjährige Flüchtlinge kümmert. Nach einem Kurzaufenthalt in der Jugendhilfeeinrichtung in Ingelbach kamen die Minderjährigen in den Westerwald, sind hier erst in Ebernhahn, dann in Wirges untergebracht. Ohne Sprachkurs, ohne Schule, ohne Aussicht auf Ausbildung. Kurz: ohne Perspektive.
Ganz zu schweigen von den unwürdigen Lebensumständen. Die Wohnung ist dunkel, feucht, es riecht modrig. Die Holzverkleidung an den Wänden ist lose, teilweise abgerissen, der Putz bröckelt. Von der Decke im Badezimmer tropfte Wasser – eine Leitung war undicht. Die Wohnung starrt vor Dreck. Die Küche ist notdürftig mit Geschirr bestückt – ein warmes Essen ist hier nur aus der Dose möglich. Die Kleiderschränke sind leer.
Zwar besucht eine Diplom-Sozialpädagogin des Kreisjugendamtes die Jungen täglich, doch als „Betreutes Wohnen“, wie es der Kreis nennt, kann man die Unterbringung nicht bezeichnen. Die Jugendlichen sind sich selbst überlassen, leben von Leistungen, die das Jugendamt verwaltet und nach Bedarf auszahlt. Auf die Frage, was sie machen, antworten die jungen Männer nüchtern: „Schlafen und essen.“ Erst als einer von ihnen Anfang Juni wegläuft, für Tage untertaucht und sich dann in Trier beim Multikulturellen Zentrum meldet, wird man hellhörig. „Dass es so weit kommen musste. In den vergangenen Tagen hat sich der Kreis bemüht. Doch drei Monate lang ist nichts passiert. Das Jugendamt hat versagt“, werfen die „Verstärker“-Mitarbeiterinnen Victoria Herz und Miriam Schmitz dem Kreis vor. Beim Amtsgericht Montabaur haben sie die Ablösung des Vormundes des Kreisjugendamtes beantragt. „Das Verhältnis ist zerrüttet“, sagt Victoria Herz.
Hamid, Davood und Ismael wünschen sich nur eines: eine Perspektive. Ziel der Jungen ist es, in einer Jugendhilfeeinrichtung untergebracht zu werden, Deutsch zu lernen und die Schule zu besuchen. Das Jugendamt bot den Jungen mehrfach die Inobhutnahme und die Rückkehr nach Ingelbach an. Die Flüchtlinge lehnten ab, weil die schulische Perspektive fehlte. Unter dem Druck der Öffentlichkeit hat der Kreis nun nachgelegt und Plätze in einer geeigneten Einrichtung in Traben-Trarbach angeboten.