Seit Anfang Mai hat der Verfassungsschutz keine Zweifel mehr: Das Bundesamt stufte die Alternative für Deutschland als gesichert rechtsextremistische Bestrebung ein. Schon viele Jahre ist die AfD im Visier der Verfassungsschützer. Erst galt die Partei als sogenannter Prüffall, dann als rechtsextremistischer Verdachtsfall – nun hat sie die letzte Stufe erreicht. Die AfD selbst hat dagegen juristische Schritte eingeleitet. Seitdem liegt die Einstufung auf Eis.
Wie das Gutachten zustande kam
In einem Gutachten von mehr als 1000 Seiten analysiert die Bundesbehörde, warum die AfD aus ihrer Sicht verfassungsfeindlich agiert. Rheinland-Pfalz spielt dabei eine wesentliche Rolle. Das Dokument galt eigentlich als geheime Verschlusssache, wurde kürzlich allerdings von verschiedenen Medien veröffentlicht. Auch unserer Redaktion liegt das Gutachten über die AfD vor. Der Verfassungsschutz kommt darin allein aufgrund öffentlicher Äußerungen von AfD-Politikern in Reden, sozialen Medien oder Publikationen zur Erkenntnis, dass sie etwa gegen die im Grundgesetz verankerte Menschenwürde verstoßen.

Im Fokus des Gutachtens stehen vor allem Funktions- und Mandatsträger auf Bundes- und Landesebene. Am häufigsten tauchen die Namen der national bekannten Rechtsextremisten wie Björn Höcke oder Maximilian Krah auf. Auch aus Rheinland-Pfalz wird eine ganze Reihe von AfD-Funktionären gelistet. Zuvorderst wäre da Sebastian Münzenmaier aus dem Wahlkreis Kaiserslautern. Der 35-Jährige ist stellvertretender Fraktionsvorsitzender der AfD im Bundestag und hat sich laut Verfassungsschutz ein einflussreiches Netzwerk aus vorwiegend karriereorientierten AfD-Politikern aufgebaut.

Dazu gehört Damian Lohr aus Mainz. Der 31-Jährige war mal Vorsitzender der Jungen Alternative (JA), der rechtsextremen Jugendorganisation der AfD, und führt derzeit die Geschäfte der AfD-Fraktion im rheinland-pfälzischen Landtag. Auch Alexander Jungbluth gehört dazu, der ebenfalls aus der JA stammt, inzwischen Mitglied im AfD-Bundesvorstand ist und auch im Europarlament sitzt. Münzenmaier, der die Partei mit seinem Netzwerk professionalisieren will, verordnet der Verfassungsschutz im sogenannten „solidarisch-patriotischen“ Lager. Die Behörde sieht weniger ideologische als strategische Unterschiede zum inzwischen aufgelösten rechtsextremen „Flügel“ von Björn Höcke in der AfD.

Weitere einflussreiche Namen im Gutachten sind die des AfD-Landeschefs Jan Bollinger aus Neuwied, der aber eher eine Nebenrolle spielt; der Bundestagsabgeordneten Nicole Höchst aus dem Wahlkreis Bad Kreuznach, des Koblenzer Landtagsabgeordneten Joachim Paul und des Pfälzer Bundestagsabgeordneten Bernd Schattner.
Welche Rolle RLP für die rechtsextremistische Einstufung spielt
Der Verfassungsschutz sieht die rechtsextremen Bestrebungen der AfD vor allem in ihren Verstößen gegen die im Grundgesetz verankerte Menschenwürde. Das liege am „ethnisch-abstammungsmäßigen“ Volksverständnis der Partei. Demnach gehörten Menschen nur qua Geburt und Abstammung zum deutschen Volk und nicht etwa, weil sie den deutschen Pass hätten. Die AfD hatte 2021 eine „Erklärung zum deutschen Staatsvolk und zur deutschen Identität“ veröffentlicht, in der sie diese Vorwürfe bestreitet. Der Verfassungsschutz hält das allerdings nur für Fassade, weil AfD-Politiker auch danach Belege für ihr grundgesetzwidriges Volksverständnis geliefert hätten. Auch aus Rheinland-Pfalz.
Kai Uwe Dettmar, stellvertretender Landesschatzmeister der rheinland-pfälzischen AfD, verglich laut Verfassungsschutz 2021 auf Facebook die Migration von Menschen aus Afrika nach Europa mit dem Eindringen fremder Tierpopulationen. Das liest sich dann wie folgt: „Die EU hat die Ausbreitung von Waschbären verboten. Begründung: Das invasive Vordringen eines Spezies von einem anderen Kontinent könnte und würde die heimische Tierpopulation beeinflussen und sogar ausrotten. Jetzt einmal scharf nachdenken“ (Fehler im Original, Anm. d. Red.).

Auch die rheinland-pfälzische AfD-Bundestagsabgeordnete und Vize-Landesvorsitzende Nicole Höchst bemühte einen Tiervergleich. Laut Verfassungsschutz schrieb sie im November 2022 unter dem Titel „Invasive Arten 2.0“, der Bundesregierung unter der früheren Kanzlerin Angela Merkel und später auch der Ampel gehe es darum, „Angestammte, als quasi ‚einheimische Arten‘ zu verdrängen“, in letzter Konsequenz werde „sogar die mögliche Gefahr ihrer perspektivischen Ausrottung in Kauf genommen“. Höchst erwähne zwar selbst, keine Anleihen an der Bildsprache der Nationalsozialisten nehmen zu wollen, bediene sich dennoch an deren biologistisch-rassistischen Argumentationsmuster, so die Verfassungsschützer.
Vielfach dokumentiert der Verfassungsschutz auch Äußerungen von AfD-Politikern, in denen sie einen Zusammenhang zwischen Herkunft und Gewaltneigung herstellen. Höchst denunziere Migranten etwa kollektiv als „Schlächter“, spreche von einer „grassierende[n] Vergewaltigungs- und Metzelmordepidemie“.

Wer überzeugen will, muss überzeugen
Das AfD-Gutachten des Verfassungsschutzes liegt auf dem Tisch – und mit ihm die Frage nach einem Verbot der Partei. Auch für Rheinland-Pfalz zeigt sich ein ungutes Bild. Chefredakteur Lars Hennemann hielte ein Verbot dennoch für den falschen Ansatz.
Laut der Behörde bezeichnete die AfD-Kreisvorsitzende Alejandra Catalina Monzon auf einer Wahlkampfveranstaltung der rheinland-pfälzischen AfD im Februar Flüchtlinge als „Prädatoren“ – also als Raubtiere, die ihre Beute töten und fressen: Sie „nehmen uns Frauen als ihre Beute, verhöhnen unsere friedvollen Männer als schwach, mobben unsere Kinder und stechen im Wahn wahllos jeden ab, der zufällig ihren Weg kreuzt“. Die AfD-Politikerin unterstelle Geflüchteten damit nicht nur eine pauschale Neigung zur Gewalt, sondern entmenschliche sie auch. Wie auf Hunderten Seiten nachzulesen ist, sind dies drastische Fälle, aber keine Einzelfälle. In der Partei gebe es laut Verfassungsschutz auch keine Zurückweisungen dieser Äußerungen.
Wo die rechtsextremen Hotspots und Netzwerke in RLP zu finden sind
Nicht nur ideologisch führen Spuren nach Rheinland-Pfalz. Entscheidend sind auch Netzwerke und Verbindungen zu rechtsextremen Organisationen, die hiesige AfD-Politiker außerhalb der Partei unterhalten. In der Fachsprache wird das „politisches Vorfeld“ genannt. Ein Treffpunkt dafür war in den vergangenen Jahren das Zentrum Rheinhessen in Mainz. Der dazugehörige Verein wurde 2018 unter anderem von Philip Stein gegründet, der auch Vorsitzender des als gesichert rechtsextrem eingestuften Vereins „Ein Prozent“ ist. In der Immobilie waren zugleich die Landesgeschäftsstelle der AfD sowie die Wahlkreisbüros von Münzenmaier und Lohr untergebracht.
Für Schlagzeilen sorgte das Zentrum Rheinhessen 2023 als Veranstaltungsort einer „alternativen Buchmesse“, an der Akteure der sogenannten Neuen Rechten teilnahmen. Der Verfassungsschutz sieht darin Belege für die engen Verbindungen zwischen AfD-Funktionären und rechtsextremen Gruppen.

Ebenfalls Gründungsmitglied des Zentrums in Mainz: Damian Lohr, der heute Parlamentarischer Geschäftsführer der AfD im Mainzer Landtag ist und zuvor Bundesvorsitzender der Jungen Alternative war. Die JA war bis zu ihrer Auflösung im März 2025 die Jugendorganisation der AfD. Seit Februar 2024 wurde sie vom Verfassungsschutz als gesichert rechtsextremistische Bestrebung eingestuft. In ganz Deutschland und insbesondere in Rheinland-Pfalz spielte sie eine Rolle bei der Heranbildung künftiger AfD-Funktionäre – wie etwa bei Lohr.
Zu diesem Kreis zählt auch Alexander Jungbluth, der Vorsitzender der JA in Rheinland-Pfalz war und inzwischen für die AfD im EU-Parlament sowie im Bundesvorstand der Partei sitzt. Jungbluth verteidigte laut Verfassungsschutz auf der Plattform X eine Kampfsportveranstaltung des III. Wegs in Hachenburg im Westerwald. „Rechte die Kampfsport machen beschützen Frauen und Töchter“ (Fehler im Original, Anm. d. Red.). Der III. Weg wird vom Verfassungsschutz als neonazistische Partei eingestuft.

Auch nach der Einstufung der JA durch den Verfassungsschutz als gesichert rechtsextrem gab es Unterstützung aus der Mutterpartei. Das enge Netz löste sich nicht auf. Sebastian Münzenmaier, rheinland-pfälzischer Bundestagsabgeordneter, äußerte laut Verfassungsschutz noch im Rahmen des AfD-Bundesparteitags 2025, dass er „sehr zufrieden“ mit der Jugendorganisation sei.
In einer Instagram-Story veröffentlichte er 2024 ein Foto von sich an einem Stand der JA mit der Überschrift „,Verfassungsschutz‘? Interessiert uns nicht.“ Auch der Landtagsabgeordnete Joachim Paul verteidigte die JA. In Rheinland-Pfalz löste sich die Gruppe zwar im Januar auf. Eine noch enger an die Partei gebundene Nachfolgeorganisation soll allerdings gegründet werden.

Paul sorgte in Koblenz für einen weiteren Hotspot der Vernetzung rechtsextremer Akteure. Im August 2024 organisierte er dort eine „Messe des Vorfelds“, zu der diverse rechtsextreme Medien eingeladen waren wie etwa die Publikation „Compact“, die laut Verfassungsschutz revisionistische, verschwörungstheoretische und fremdenfeindliche Deutungsmuster enthält. Seit November 2024 seien zahlreiche Verbindungen zwischen der AfD im Land und „Compact“ beobachtbar, so die Gutachter. „Compact“ begleitete die rheinland-pfälzische AfD – unter anderem Paul – später auch im Bundestagswahlkampf medial.
Welche Folgen das AfD-Gutachten hat
Zunächst bleibt das Gutachten noch ohne Folgen. Als Reaktion auf die Hochstufung der Partei durch den Verfassungsschutz reichte die AfD Klage sowie einen Eilantrag beim zuständigen Verwaltungsgericht Köln ein. Infolgedessen hat der Verfassungsschutz eine sogenannte Stillhaltezusage abgegeben. Bis zur Entscheidung des Gerichts ist die Einstufung nun vorerst ausgesetzt. Das bedeutet aber nicht, dass der Verfassungsschutz nicht mehr an seiner Einstufung festhält. Gerichtsverfahren aus der Vergangenheit haben gezeigt, dass es lange dauern könnte, bis eine endgültige Entscheidung fällt.
Sollte das Gericht die Anträge der AfD ablehnen, hätte dies womöglich schwerwiegende Folgen für die Partei und deren Mitglieder. Bereits die Einstufung der AfD als Verdachtsfall ermöglichte dem Verfassungsschutz, nachrichtendienstliche Mittel wie Überwachung oder V-Leute einzusetzen. Bleibt es bei der Hochstufung, würden die rechtlichen Hürden dafür weiter sinken.
Politisch könnte dann auch die Diskussion um ein Verbotsverfahren gegen die AfD an Fahrt aufnehmen. Unter anderem die rheinland-pfälzischen Grünen haben kürzlich ein solches gefordert.

Dürfen AfD-Mitglieder bald keine Lehrer mehr werden?
Das Land Rheinland-Pfalz will angehende Beamte künftig stärker auf ihre Verfassungstreue überprüfen. Auch AfD-Mitgliedern, die bereits im Staatsdienst arbeiten, drohen Konsequenzen.