Meinung zu Mindestlohn-Debatte
Was die SPD von sich gibt, ist purer Sozialismus
Thomas Haag
Jens Weber. MRV

SPD-Generalsekretär Matthias Miersch hatte darauf verwiesen, dass 15 Euro Mindestlohn notfalls auch per Gesetz erreichbar seien. Der stellvertretende Chefredakteur Thomas Haag nennt den Vorstoß puren Sozialismus.

Bei allem Verständnis dafür, dass die SPD-Spitze meint, ihrer Parteibasis während der laufenden Mitgliederbefragung zum Koalitionsvertrag Stärke demonstrieren zu müssen, mit seinen kraftmeiernden Ansagen zum Mindestlohn schießt SPD-Generalsekretär Matthias Miersch erheblich über das Ziel hinaus. Nur zur Erinnerung: Die SPD hat die vergangene Bundestagswahl krachend verloren. Auch der vermeintliche Wahlkampfschlager „15 Euro Mindestlohn“ ist Teil des schlechtesten Abschneidens, das die Genossen jemals eingefahren haben. Das hat Miersch entweder schon vergessen, oder er ignoriert es schlicht, wenn er nun den Mindestlohn „per Gesetz“ ankündigt. Ein Gesetz, das die 16,5 Prozent-Partei SPD bitte mit wem genau beschließen will?

„Gut gebrüllt, Löwe“ könnte man dem SPD-General zurufen. Doch die schrillen Töne aus dem Willy-Brandt-Haus lassen sich leider nicht so einfach unter der Rubrik „Krawall“ abheften. Denn mit seiner völlig überzogenen Rhetorik legt Miersch die Axt an eine unbedingt erhaltenswerte Errungenschaft dieser Republik: die Tarifautonomie. Miersch muss sich fragen lassen, was an dem Wort „unabhängig“ – dem Attribut der Mindestlohnkommission – er nicht verstanden hat, wenn er meint, diesem Expertengremium aus Gewerkschaftern, Arbeitgebervertretern und Wissenschaftlern das erwartete Ergebnis schon vor Beratung diktieren zu können. Eine Anmaßung, die sich die Kommission aufs Schärfste verbitten sollte.

Der Geist der freien Marktwirtschaft

Auch die deutsche Wirtschaft tut gut daran, den Genossen Miersch in aller Deutlichkeit zur Ordnung zu rufen. Im dritten Jahr ohne Wachstum ist eine politisch festgesetzte Erhöhung des Mindestlohns geeignet, einigen um ihre Existenz ringenden Branchen den Todesstoß zu versetzen, zumal eine willkürliche Anhebung der Lohnuntergrenze eine komplette Lohnerhöhungsspirale in Gang setzen und damit den dringend notwendigen Aufschwung schon im Ansatz erdrosseln würde. Es entspricht schlicht auch nicht dem Geist unserer freien Marktwirtschaft, dass den Unternehmern und Mittelständlern im Land politisch mit besten Grüßen aus der Hauptstadt diktiert wird, was sie ihren Mitarbeitern in die Lohntüte zu packen haben.

Um es einmal deutlich zu sagen: Was Matthias Miersch hier von sich gibt, klingt nach purem Sozialismus. Nicht zuletzt muss es dem Regierungspartner in spe bei solchen Einlassungen grausen. Einen Koalitionsvertrag, in dem die Unabhängigkeit der Mindestlohnkommission ausdrücklich betont wird, schon vor seiner Unterzeichnung öffentlich mit Füßen zu treten, das lässt Schlimmes befürchten. Das Koalitionsboot droht noch vor dem Stapellauf Leck zu schlagen.

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