Die einzige wirklich einschneidende Maßnahme nach dem 1. April war also die nächtliche Ausgangssperre, das zog prompt harsche Kritik nach sich: „Unter Verdacht gerät, wer nachts spazieren geht“, kritisierte die Mainzer Linke – das sei völlig unverhältnismäßig und werde eher dazu führen, „dass sich Menschen doch in ihren Wohnungen treffen, wo das Infektionsrisiko höher ist“. Das unterstrichen auch Aerosolforscher, die warnten: Die Ansteckungsgefahr lauere drinnen und nicht im Freien.
Es gehe doch nicht um den Spaziergang im Freien oder „um die Debatte: Ist draußen schlimmer als drinnen?“, wehrte der Mainzer Oberbürgermeister Michael Ebling (SPD) noch am Donnerstag ab: „Es geht um Risikominimierung und Kontaktvermeidung – die Menschen sollen sich nicht treffen.“ Bleibt die Frage, ob das gelingt. In Mainz mehrten sich Berichte über vorgezogene Treffen am frühen Abend oder gar über nächtliche Partys, wo man dann eben beim Gastgeber übernachtete.
Polizei und Ordnungsamt teilten mit, man kontrolliere vor allem Parks, Plätze und übliche Treffpunkte – mehr gehe nicht. Bei der Mainzer Polizei hieß es zudem, bei Kontrollen hätten mehr als 90 Prozent einen triftigen Grund gehabt, draußen unterwegs zu sein, meist aus beruflichen Gründen. Beim Mobilitätsmonitor des Robert Koch-Instituts heißt es dazu, nachts finde 10 bis 12 Prozent der Mobilität statt – der Löwenanteil liege am Tag.
Trotz der weitaus höheren Infektionsgefahr in Innenräumen bleibe die Arbeitswelt aber von weitgehenden Einschränkungen verschont, kritisierte die Mainzer Linke – Junge Union (JU) und FDP sprangen ihr bei: Die Stadt Mainz versäume es doch seit Monaten, bestehende Corona-Regeln effektiv zu kontrollieren oder in der eigenen Verwaltung konsequent Homeoffice einzuführen, kritisierte die JU. Treffen in privaten Räumen seien doch schon „seit Monaten stark reguliert“, sagte FDP-Kreischef David Dietz, eine Ausgangssperre sei unverhältnismäßig, solange andere Mittel nicht ausgeschöpft seien.
Der jetzige Peak in den Zahlen sei wohl die Konsequenz aus Treffen an Ostern, vermutet der Chef des Gesundheitsamtes Mainz-Bingen, Dietmar Hoffmann – da galt die Ausgangssperre schon. Sie sei „eine von vielen Maßnahmen“, eine allein greife nicht, sagte Hoffmann auch, doch der Politik gehen die Optionen aus. Am Montag schließt Mainz die weiterführenden Schulen und reduziert die Kitas auf den Notbetrieb. Wolle man Mobilität weiter reduzieren, „geht das nur, wenn wir auch im Wirtschaftsbereich Mobilität brechen“, sagte Ebling. Hoffmann meinte: Es sei womöglich „einer der größten Fehler der Pandemie gewesen, dass die Osterruhe nicht vollzogen wurde“. Gisela Kirschstein