Nächste Woche soll das Selbsttesten an den 1600 Schulen in Rheinland-Pfalz starten - Verband kritisiert das Land
Vorm Unterricht schnell auf Corona testen: Nächste Woche soll das Selbsttesten an den 1600 Schulen starten
An der Anne-Frank-Realschule plus in Mainz haben die Schüler bereits geübt, wie sie mit den Corona-Selbsttest umgehen müssen. Ab kommender Woche sollen die Kinder an allen 1600 Schulen im Land zweimal pro Woche prüfen, ob sie mit dem Virus infiziert sind.
dpa

Mainz. Die Sechstklässler sitzen konzentriert an ihren Tischen, vor jedem liegt ein Testkit: ein langes Wattestäbchen, die Testkartusche und ein dünnes Röhrchen. Zwei Zentimeter tief muss das Wattestäbchen in die Nase, dann wird 15 Sekunden gedreht, danach geht's ins zweite Nasenloch. Das Stäbchen wandert dann in die Testflüssigkeit, die muss geschüttelt und anschließend auf die Kartusche geträufelt werden – fertig ist der Selbsttest für Schüler.

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„Beim ersten Mal haben wir uns viel Zeit genommen, da hat das 25, 30 Minuten gedauert“, berichtet Ralf Früholz, Schulleiter der Anne-Frank-Realschule plus in Mainz. „Heute, beim zweiten Mal, war es ein Selbstläufer – da waren wir bei sieben Minuten.“ Ab kommender Woche sollen alle 1600 Schulen in Rheinland-Pfalz ihre Schüler zweimal pro Woche per Selbsttest auf das Coronavirus überprüfen – nicht bei allen Schulen waren am Donnerstag die Tests schon da.

Es sei „ein sehr großer organisatorischer Aufwand, 1600 Schulen zu beliefern“, räumte Bildungsministerin Stefanie Hubig (SPD) am Donnerstag in Mainz ein, immerhin gelte es, 520.000 Schüler und 40.000 Lehrer zweimal die Woche zu testen. Die Tests „kommen jetzt“, versicherte die Ministerin. Wo es Probleme gebe, „sind wir auch hinterher“. Die Tests seien einfach und schnell, „die Kinder, auch wenn sie kleiner sind, können das sehr gut handhaben“.

In der Anne-Frank-Realschule plus haben sie das vor Ostern schon mal geübt. „Wir testen nach dem Wechselunterricht immer montags, wenn die Schüler aus dem Homeschooling kommen“, berichtet Früholz. Sollte jemand positiv sein, komme er sofort in einen eigenen Raum, zudem werde die ganze Klasse heimgeschickt. „Da sind wir noch nicht einig, ob das der richtige Weg ist“, räumt Früholz ein.

Ansteckungsgefahr, beim Testen helfen, Ausgrenzung oder gar Mobbing von infizierten Schülern – es sind solche Fragen, die zu einem wahren Entrüstungssturm gegen die Selbsttests in Schulen geführt haben. Der Verband Bildung und Erziehung (VBE) kritisierte in einem offenen Brief an Bildungsministerin Stefanie Hubig (SPD), sie bürde die Umsetzung der Tests den Lehrern auf, stelle ihnen aber keine Schutzausrüstung zur Verfügung und setze sie damit einem erhöhten Infektionsrisiko aus. „Auch nach einem Jahr bleibt Ihre Strategie gegen das Coronavirus mangelhaft“, schimpfte VBE-Landeschef Gerhard Bold.

Gerade bei kleineren Schülern sei die Hilfe mit Abstand ebenso unmöglich wie eine unfallfreie Handhabung der Testkits durch Erstklässler oder gar behinderte Kinder, klagen Lehrkräfte. So können etwa die dünnen Röhrchen mit der Testflüssigkeit nicht allein stehen, er habe deshalb 400 Wäscheklammern besorgt, erzählt Früholz.

Das Schreiben zur Einverständniserklärung an die Eltern war ebenfalls nur eingeschränkt nutzbar: „Wir haben einen hohen Migrationshintergrund“, sagte der Direktor, „wir mussten das Schreiben erst einmal in eine etwas einfachere Sprache umschreiben, damit die Eltern das verstehen.“ Rund 90 Prozent der Eltern hätten bisher ihr Einverständnis zu den Tests erklärt, berichtet Früholz, 100 Prozent seien eigentlich nötig.

Die Landesschülervertretung forderte nun ebenfalls eine Testpflicht in den Schulen: Der Schutz für alle „funktioniert nicht, wenn sich nicht alle testen lassen und dann unerkannte Corona-positive Menschen mit im Unterricht sitzen“, betonte Landesvorstandsmitglied Colin Haubrich. Eine Testpflicht sei „unabdingbar“. Elf Bundesländer haben eine solche Pflicht eingeführt, Rheinland-Pfalz lehnt sie weiter ab. Der VBE forderte, die Tests müssten außerhalb der Unterrichtszeit und durch qualifizierte Fachkräfte erfolgen. So könnten auch Infektionen auf dem Schulweg und einer Stigmatisierung positiver Schüler vorgebeugt werden. Das Bildungsministerium lehnte allerdings nach Informationen unserer Zeitung Bitten von Schulen, die Tests durch mobile Profiteams durchführen zu dürfen, kategorisch ab.

Es habe mehrere solcher Anfragen gegeben, räumte Hubig im Gespräch mit unserer Zeitung ein und betonte: „Wenn ein mobiles Testteam in die Schule geholt wird, das die üblichen kostenlosen Tests des Bundes durchführt, haben wir überhaupt nichts dagegen.“

Mobile Teams, die die Selbsttests für die Schüler durchführten, wollten aber zusätzliches Geld pro Schüler, „das können wir nicht bezahlen“, sagte Hubig – schon jetzt lege das Land 40 Millionen Euro für die Selbsttestkits auf den Tisch. Der VBE forderte am Donnerstag vom Land, endlich Schulkrankenschwestern für alle Schulen einzuführen. „Wer einen sicheren Schulbetrieb gewährleisten möchte, muss Tests verpflichtend machen und die Durchführung in professionelle Hände geben“, betonte Bold. Nur so könne sichergestellt werden, dass die Tests korrekt durchgeführt würden und sich das Infektionsrisiko auf einem niedrigen Niveau bewege. „Es ist wie immer: Das Land wälzt eine Aufgabe nach der anderen auf die Lehrkräfte ab“, kritisierte Bold: „Es reicht!“

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