Gewerkschaft GEW und Wohlfahrtsverbände fürchten für Kommunen und Personal eine Verschlechterung
Vor Start in einer Woche: Wie gut ist das neue Kitagesetz?
Kitabetreuung am Frühstückstisch: Vor allem kleinere Einrichtungen könnten durch das Kitagesetz Personal verlieren, fürchten Experten.
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Rheinland-Pfalz. In einer Woche tritt das neue Kitagesetz des Landes in Kraft, die Landesregierung lobt es als großen Meilenstein. Es werde die Qualität in der Kindertagesbetreuung in Rheinland-Pfalz weiter verbessern. Doch in den Kitas herrscht große Verunsicherung. „Viele wissen eine Woche vorher noch nicht, wie sie nächste Woche finanziert werden und wie viel Personal sie in Zukunft haben werden“, sagt Regine Schuster, stellvertretende Landesgeschäftsführerin des Paritätischen Wohlfahrtsverbands. Viele Einrichtungen bangten um ihr Personal, „es werden sich Einrichtungen schlechterstellen“, betont sie.

Mit dem neuen Kitagesetz will Rheinland-Pfalz nach 27 Jahren seine Grundlagen für die Betreuung der Kleinsten modernisieren. Ab dem 1. Juli gibt es einen Rechtsanspruch auf eine siebenstündige Betreuung in einer Kita samt Mittagsessen, es gibt neue Mitbestimmungsrechte für Eltern, erhöhte Leitungsdeputate und ein Sozialraumbudget. Vor allem aber ändert sich die Finanzierung grundlegend: Statt bisher eine Förderung nach Kitagruppen werden ab dem 1. Juli einzelne Kitaplätze gefördert – von Anfang an gab es daran scharfe Kritik: Das werde zu erheblichen Nachteilen vor allem in kleinen Kitas führen, kritisierten Gewerkschaften und Kitaträger, viele Kitas würden sich dadurch verschlechtern. Bildungsministerin Stefanie Hubig (SPD) wies das stets zurück: Es werde sich keine Kita schlechterstellen, versprach sie. Im Gegenteil.

Doch eine Woche vor dem Start klingt das anders: „Es gibt Kitas, denen etwas mehr Personal zur Verfügung steht, allerdings wachsen mit der durchgehenden Betreuung auch die Anforderungen“, sagt Claudia Theobald vom Kita-Fachverband. Und es gebe „unglückliche Kitaleitungen, die Personal gekürzt bekommen und nun einen größeren Betreuungsaufwand mit weniger Kräften stemmen sollen“, berichtet sie. Da reduzierten sich Stellenschlüssel von 4,86 auf 4,35 Kräfte, obwohl die Einrichtung länger aufhabe, und jetzt auch Einjährige aufnehmen müsse. In den Einrichtungen fehlten Räume fürs Mittagessen und viele Fragen seien ungeklärt – etwa, ob Arbeitsverträge verlängert werden und neue Bewerber eingestellt werden könnten, berichtet Theobald weiter.

„Die Stimmung in den Kitas ist schlecht, die Leute sind sauer“, berichtet auch Ingo Klein von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW): „Viele stehen noch buchstäblich im Regen und wissen nicht, wie es weitergeht.“ Ein Großteil der Einrichtungen wisse nicht, wie kommende Woche ihre Betriebserlaubnis aussehe, sagt Klein im Gespräch mit unserer Zeitung – es drohe Chaos. Diese Betriebserlaubnis muss beim Landesamt für Soziales beantragt werden, das Amt agiere „nicht überall gleich und nicht gleich zügig“, klagt auch Schuster.

Der Paritätische Wohlfahrtsverband hatte schon 2018 kritisiert, die neuen Regeln würden vor allem kleine Kitas schlechterstellen. Nun sieht man sich bestätigt: „Ab zwei Jahren ändert sich der Personalschlüssel, dann setzen sich die Gruppen anders zusammen – das kann dazu führen, dass die Kita mitten im Jahr Personal verliert“, sagt Schuster unserer Zeitung: „Es gibt einige Kitas, die weniger Personal haben werden.“ Genau das aber, so hatte die Ministerin versprochen, solle nicht geschehen, doch das Land zahlt nur 47,2 Prozent der Personalkosten – den Rest müssen Träger und Kommunen finanzieren. Die Rahmenvereinbarung zwischen freien Trägern und den kommunalen Spitzenverbänden aber ist nicht fertig ausgehandelt, damit sei die Finanzierung der Personalkosten unklar, kritisiert Schuster. Von versprochenen Verbesserungen für die Betreuung der Kinder werde „erst mal nicht viel ankommen“, befürchtet auch Klein: „Landkreise, wo es eine gute und vernünftige Ausstattung gab, werden verlieren.“

Viele Eltern gingen davon aus, dass ab dem 1. Juli sieben Stunden Betreuung mit Mittagessen eingelöst würden. „Das werden viele Kitas aber gar nicht leisten können“, sagt Klein. Den Stress werde es dann bei den Kitaleitungen geben, „die dafür gar nichts können.“ Das Gesetz sehe eine lange Übergangsfrist bis 2028 vor – kommuniziert worden sei das von Landesseite aber so gut wie nicht.

„Das Frustrierende für die Kollegen vor Ort ist, dass ihre Expertise gar nicht gehört wird, das gilt auch für das Kitagesetz“, sagte Klein noch. Alle Vorschläge und Kritik am Gesetz, auch im Expertengremium „Kitatag der Spitzen“, hätten nichts bewirkt: Seit dem ersten Entwurf bis zur Verabschiedung habe sich am Gesetz „nichts geändert“. Die GEW fordert deshalb schon jetzt Nachbesserungen.

Gisela Kirschstein

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