Bei der letzten Sitzung des Untersuchungsausschusses zur Flutkatastrophe in diesem Jahr stand noch einmal das Management der Katastrophe im Ahrtal im Mittelpunkt. Kritik gab es erneut an der Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion (ADD), die ab dem Abend des 17. Juli 2021 im Auftrag des Landes die Einsatzleitung übernommen hatte.
Dr. Martin Schiffarth war als Leitender Notarzt ab dem Abend des 14. Juli 2021 im Katastrophengebiet im Einsatz. Der 45-Jährige bemängelt, dass es mit der Übernahme der Einsatzleitung durch die ADD eine Umstellung auf eine überwiegend per E-Mail geführte Kommunikation gab. Doch das könne nicht funktionieren, „wenn man Dinge auf Zuruf braucht, so kann man keine Katastrophenbewältigung machen“, sagt der Notfallmediziner. Die Kommunikation mit der ADD bezeichnet Schiffarth als „sehr schwierig“. Irgendwann sei ihm klar geworden, dass es eine Gesamteinsatzleitung gegeben habe. Nur: Man wisse in diesem Moment noch nicht sofort, wer der richtige Ansprechpartner sei.
Die Zusammenarbeit mit der Verwaltung innerhalb seines Einsatzabschnittes in Adenau lobt der 45-Jährige dagegen. So habe er von der lokalen Politik die Adressdaten von Familien mit Kleinkindern erhalten, die auf Babynahrung oder Windeln warteten. In dieser Vermittlung habe sich die „Wertigkeit“ eines Verwaltungsstabes gezeigt.
„Schwarzen Loch Nürburgring“
Eine weitere ehrenamtliche Einsatzkraft erklärt, dass die Anforderungen von der ADD „Tage zu spät“ beantwortet worden seien. Der 55-jährige Zeuge kritisiert deutlich die Koordination und Verteilung der Rettungskräfte vom sogenannten Bereitstellungsraum am Nürburgring. Dort sollten Einsatzkräfte und Einsatzmittel gegliedert bereitgestellt werden. Weil am Ring allerdings mit der Zeit Kräfte wie aus dem Nichts verschwunden seien, habe man vom „schwarzen Loch“ gesprochen. Es habe keine Übersicht gegeben – weder darüber, welche Kräfte bereitstehen, noch, welche bereits im Einsatz sind, so der 55-Jährige.
Auf die Frage, ob denn Rettungsdienste wie das Deutsche Rote Kreuz und Co. die Koordination übernehmen könnten, habe er von einem Einsatzleiter der Feuerwehr die Antwort erhalten: „Wir wissen, dass es nicht funktioniert, aber wir werden daran nichts ändern.“
Bessere Ausstattung erwünscht
Alarmierend ist Martin Schiffarths Aussage zum Zustand des Katastrophenschutzes in Deutschland: Er sagt, Rettungshubschrauber mit Seilwinden zur Menschenrettung seien in der gesamten Republik Mangelware, diese Helis finde man vor allem im alpinen Raum sowie bei Streitkräften. Einsätze in der Nacht und bei schlechten Wetterbedingungen seien zudem gefährlich. Als Notfallmediziner wünscht er sich eine bessere Ausstattung.
Die heutige Beweisaufnahme hat einmal mehr die Schwächen und Fehler der Katastrophenbewältigung gezeigt: Sie ist „ganz oben“ gescheitert.
Dirk Herber, Obmann der CDU-Fraktion
Die CDU-Opposition resümiert nach der Sitzung, dass die Beweisaufnahme einmal mehr „die Schwächen und Fehler der Katastrophenbewältigung“ gezeigt habe. Das Katastrophenmanagement sei „ganz oben“, also bei der ADD, gescheitert, sagt der Obmann der CDU-Fraktion, Dirk Herber. Daher bleibe man bei der Forderung: ADD-Präsident Thomas Linnertz (SPD) gehöre abgelöst. Nach längerer Diskussion einigt sich der Ausschuss übrigens darauf, ein Gutachten zur Stabsstruktur der ADD nach der Flut zu beauftragen. Bis Mitte März soll es vorliegen.
Zum Ende der Sitzung geht es um Hilfs- und Unterstützungsangebote der in Rheinland-Pfalz stationierten US-amerikanischen Streitkräfte. Hierzu befragt der Ausschuss den Leiter des zuständigen Referats im Innenministerium – der ehrenamtlich für die SPD im Rhein-Lahn-Kreis aktiv ist. In einer E-Mail vom 16. Juli 2021, 10.59 Uhr, wird geschildert, „dass US-Streitkräfte ad hoc bereitstünden“, um zu unterstützen.
„Nicht in den Einsatz gebracht“ worden
In der Betreffzeile der Nachricht ist „Info“ sowie der Name des Referatsleiters aufgeführt. Doch die besagte Mail sowie die darin enthaltenen Informationen sind dem Zeugen nach eigener Aussage „nicht bekannt“. In einer ein paar Tage später verschickten E-Mail ging es erneut um Hilfsangebote. Am 19. Juli schrieb der Zeuge: „Wir haben Hilfsangebote aus den Reihen der US-Streitkräfte im Land.“ Es seien Pumpen, Stromaggregate, schweres Gerät und Transportkapazitäten vorhanden. Bislang sei ihm keine Anfrage bekannt. Wie der Zeuge berichtet, habe man dieses Hilfsangebot an die ADD weitergeleitet. Sie seien allerdings „nicht in den Einsatz gebracht“ worden.