Machtkampf bei den Liberalen
Schmitt ist FDP-Landeschefin: Siegerin des Machtspiels
Die neue Landesvorsitzende der FDP Rheinland-Pfalz, Daniela Schmitt (FDP), Ministerin für Wirtschaft, Verkehr, Landwirtschaft und Weinbau in Rheinland-Pfalz, bedankt sich beim Parteitag der FDP Rheinland-Pfalz für Glückwünsche von Rainer Brüderle, dem ehemaligen Landesvorsitzenden. An der Spitze der rheinland-pfälzischen FDP steht nun erstmals eine Frau.
Helmut Fricke/dpa

Wirtschaftsministerin Daniela Schmitt geht aus dem FDP-Machtkampf als Gewinnerin hervor. Beim Parteitag gibt es eine lange Aussprache zu den Machtspielchen – heftige Kritik entlädt sich an Ex-Parteichef Volker Wissing, aber auch an Philipp Fernis.

Es sind schon mehr als 20 Minuten seit dem eigentlichen Beginn des FDP-Parteitages vergangen – und das Rednerpult ist immer noch völlig verwaist. Ein Sinnbild dafür, dass die rheinland-pfälzische FDP seit Monaten keine Führung mehr hat? Der langjährige Landesparteichef, Bundesverkehrsminister Volker Wissing, war nach dem Ampel-Aus in Berlin überraschend aus der Partei ausgetreten.

Während nach 10 Uhr noch etliche Plätze in der Mainzer Halle 45 leer sind, stehen viele Delegierte in Grüppchen zusammen. Nach den wochenlangen parteiinternen Querelen und Machtspielchen gibt es unter den Liberalen Redebedarf. Um 10.20 Uhr bittet dann Landesgeschäftsführer Stephan Hans die 200 Delegierten, ihre Plätze einzunehmen. Man wolle loslegen.

Beim Landesparteitag der von inneren Zerwürfnissen durchgeschüttelten FDP in der Landeshauptstadt steht die mit Spannung erwartete Wahl eines neuen Landesvorsitzenden beziehungsweise einer neuen Landesvorsitzenden an. Einzige Bewerberin ist Wirtschaftsministerin Daniela Schmitt. Die 52-jährige Alzeyerin wird vom Ehrenvorsitzenden Rainer Brüderle (79) offiziell vorgeschlagen. Eine Überraschung bleibt aus: Die Delegierten wählen Schmitt mit 67,5 Prozent zur neuen rheinland-pfälzischen Parteichefin. Von 198 Delegierten votieren 133 mit Ja, 58 mit Nein, sechs Freie Demokraten enthalten sich. Eine Stimme ist ungültig.

Die neue Parteichefin Daniela Schmitt bedankt sich für die Unterstützung.
Helmut Fricke/dpa

Am Anfang der vergangenen Woche war es noch offen, ob es beim Parteitag zu Gegenkandidaturen kommen würde. Denn: Bis vor wenigen Tagen standen sich noch zwei Lager in der FDP gegenüber: auf der einen Seite Wirtschaftsministerin Schmitt, auf der anderen Seite der neue Justizminister und vorherige Landtagsfraktionschef Philipp Fernis, Wirtschaftsstaatssekretär Andy Becht sowie die bisherige Vize-Landesvorsitzende Carina Konrad.

In der FDP tobte seit Monaten ein Machtkampf, der erst vor gut zwei Wochen publik geworden war. Das Gefecht wurde mit harten Bandagen ausgetragen. In einer Gremiensitzung Ende Februar sollen Fernis und Becht die Ministerin aufgefordert haben, auf ihre Kandidatur für den Landesvorsitz zu verzichten.

Ihre Widersacher hielten Schmitt für untauglich, die FDP bei der kommenden Landtagswahl über die 5-Prozent-Hürde zu führen. Noch schlimmer: Sie sei unpolitisch, ängstlich und keine Teamplayerin, hieß es von Gegnern in der Partei. Und: Schmitt soll sogar zum Rückzug vom Ministeramt aufgefordert worden sein. Ihre Kontrahenten hatten sogar, für den Fall ihrer Wahl, damit gedroht, sich aus der Politik zurückzuziehen.

Die Wirtschaftsministerin sah sich außerdem mit Klüngeleiunterstellungen konfrontiert. Das Boulevardportal „Business Insider“ hatte vor zweineinhalb Wochen von „Filz-Vorwürfen“ wegen eines jahrealten Kredites sowie einer Beteiligung einer Tochter der landeseigenen Förderbank ISB an einer Firma von Schmitts Ehemann berichtet, außerdem von der Teilnahme des Ehemanns an mehreren Wirtschaftsauslandsreisen.

In der FDP schwiegen viele zu den Vorhaltungen. Philipp Fernis, zu diesem Zeitpunkt noch Fraktionsvorsitzender, verlangte von der Ministerin Aufklärung und erklärte, nicht für das „Team Schmitt“ zur Verfügung zu stehen.

Daniela Schmitt widerstand dem Druck. Und geht nun an diesem Samstag aus dem Machtkampf innerhalb des FDP-Landesverbands als Siegerin hervor – mit einem passablen Ergebnis. Schmitts beide Stellvertreter im neuen Landesvorstand heißen Emanuel Letz und Stephanie Steichele-Guntrum. Der Oberbürgermeister von Bad Kreuznach erhält eine Zustimmung von 82,2 Prozent, Steichele-Guntrum aus dem rheinhessischen Oppenheim kommt auf 63,5 Prozent. Die bisherige Vize-Vorsitzende Konrad war nicht mehr angetreten – was so mancher Liberaler mit großer Genugtuung registriert.

In ihrer Bewerbungsrede nennt Schmitt die zurückliegenden Monate „eine verdammt schwere Zeit“. Sie hätten die FDP gefordert, ihre Mitglieder strapaziert und „auf die Zerreißprobe gestellt“. Man müsse nun den inneren Kompass neu ausrichten – auch im Umgang miteinander, fordert die 52-Jährige.

„Wer einen von uns angreift, greift die FDP Rheinland-Pfalz zusammen an“.
Daniela Schmitt, neue Landeschefin der rheinland-pfälzischen FDP.

Ab diesem Samstag müsse klar sein: „Wer einen von uns angreift, greift die FDP Rheinland-Pfalz zusammen an“. Rainer Brüderle honoriert die Ankündigung mit einem „sehr gut“. Es gelte, Vertrauen neu aufzubauen, Brücken zu bauen, „genau das verstehe ich als unsere gemeinsame Aufgabe“, sagt die Freie Demokratin weiter. Sie setze auf das „Team FDP“. Flügelkämpfen in der Partei erteilt Schmitt eine Absage. Sie sagt: „Die FDP muss weder nach rechts noch nach links. Wir brauchen eine starke liberale Kraft in der Mitte der Gesellschaft für die Mitte der Gesellschaft.“

Schmitt hält eine leidenschaftliche Rede. Ein neues Thema setzt sie aber nicht. Als neue Parteichefin kündigt sie neue Parteiformate und eine breitere inhaltliche Aufstellung an. Am Ende gibt es kurz stehende Ovationen.

Bei der mehr als eineinhalbstündigen Aussprache gibt es ordentlich Kritik an den zurückliegenden parteiinternen Machtspielchen – an der neuen Landeschefin hingegen nicht. Ulrich van Bebber, Vorsitzender des Kreisverbands Ahrweiler, spricht davon, dass zuletzt „ein maximaler Schaden“ für die FDP entstanden sei. Das, was passiert sei, sei einer liberalen Partei „zutiefst unwürdig“ gewesen, sagt van Bebber. Der Kreisvorsitzende spricht sich klar für Schmitt als neue Landeschefin aus. „Sie ist das bekannte, glaubwürdige und sympathische Gesicht unserer FDP in Rheinland-Pfalz.“

Der Mainzer David Dietz sagt, man habe sich in den vergangenen Tagen und Wochen „einen Luxus geleistet, den wir gar nicht hatten“. Man habe auch „einen Kredit verspielt, den wir nicht hatten“. Mit Blick auf die Landtagswahl im März 2026 sagt Dietz: Es mache eben einen Unterschied, ob Freie Demokraten mitregierten oder nicht. In Rheinland-Pfalz regieren SPD, Grüne und FDP in einer Ampelkoalition zusammen.

Ritzmann rechnet mit Justizminister Fernis ab

Christian Ritzmann, Vorsitzender des Kreisverbands Donnersbergkreis, kritisiert das „spalterische Machtringen“ sowie die „Schmieren-Komödie“ der vergangenen Wochen. Mit dem neuen Justizminister rechnet Ritzmann schonungslos ab: Fernis sei nun an seinem Ziel, Justizressortchef zu werden, angekommen – „und was lernen wir daraus? Übles Verhalten schafft auch diesseits des Atlantiks die besten Deals“. Eine Anspielung auf die Politik des US-Präsidenten Donald Trump.

Der späte Montagabend hatte eine überraschende Wendung genommen: Fernis war vom Landeshauptausschuss in Mainz mit 63 Prozent als neuer Justizminister nominiert worden. Am Mittwoch wurde der 42-jährige Bad Kreuznacher im Landtag als neues Kabinettsmitglied bestätigt und vereidigt.

Fernis folgte damit auf Herbert Mertin nach. Mertin war im Februar im Alter von 66 Jahren unerwartet gestorben. An die Spitze der sechsköpfigen Landtagsfraktion war der Pfälzer Steven Wink einstimmig gewählt worden.

Zurück auf den Parteitag: Dort erklärt der Vorsitzende der Jungen Liberalen, der Jugendorganisation der Partei, Florian Pernak, die Julis stünden nicht für „Taktiererei, Hinterzimmer-Politik und Personalspielchen zur Verfügung“. Pernak fordert genauso wie Matthias Keidel (Kreisverband Birkenfeld) eine breite inhaltliche Aufstellung der FDP. Mehrere Delegierte drängen außerdem darauf, dass die Parteibasis von der Führungsspitze stärker einbezogen wird. Ein Delegierter meint, die Grünen machten das ganz hervorragend.

Die Chefin des Kreisverbands Mayen-Koblenz, Judith Lehnigk-Emden, schlägt genauso wie Pernak die Einführung eines Generalsekretär-Postens vor. Ein solcher könne als Bindeglied zwischen den verschiedenen Ebenen fungieren. Lehnigk-Emden appelliert außerdem an die beiden Minister, ihr Landtagsmandat abzugeben und den Platz für andere Liberale freizumachen. Eine geschwächte Landtagsfraktion gefährde den Erfolg bei der Landtagswahl.

Immer wieder Kritik an Volker Wissing

Und dann klingt da bei den Reden immer auch wieder Kritik am früheren Landesvorsitzenden Volker Wissing durch, wenn Delegierte die freie Aussprache an diesem Samstag loben. Van Bebber sagt ganz deutlich, „dass zu lange der offene Diskurs verhindert wurde“, die FDP sei „viel zu lange mit Volker Wissing an der Spitze eine Partei gewesen, die zentral von oben gesteuert wurde“. Ex-Landtagsabgeordnete Helga Lerch pflichtet van Bebber mit einem „genau“ bei.

Sie berichtet, dass sie bei vergangenen Parteitagen den Eindruck gehabt habe, dass „da so eine Glocke schwebte, dass jeder genau überlegte, was er wann und wie sagte“. Van Bebber mahnt an, man brauche wieder Räume für einen echten Austausch, für offene Debatten auf Augenhöhe. Es wird deutlich: Das Kapitel Wissing scheint in der rheinland-pfälzischen FDP zu Ende zu sein.

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