„Es fällt uns schwer, das Spektrum der Haltungen in ein Pro und Kontra einzuordnen“, erklärte Katharina Binz für die Fraktion der Grünen und fasste mit folgendem Satz die interessanten, einfühlsamen Beiträge gut zusammen: „Es gibt mehr als zwei Meinungen.“ Binz' Tenor: Ziel ist eine Gesellschaft, in der Menschen füreinander einstehen. Die Menschen sollen eine Entscheidung aufgrund guter Information fällen können.
Dass Information in diesem Fall extrem wichtig ist, betonten alle Redner. „Nur 36 Prozent der Deutschen füllen einen Organspendeausweis aus“, erklärte Gesundheitsministerin Sabine Bätzing-Lichtenthäler. Und fragte: „Warum tun sich Menschen schwer, ihre positive Haltung auch positiv zu dokumentieren?“ Sie regte eine Beschäftigung mit der Widerspruchslösung, die es in 18 europäischen Ländern gibt, an: „Ich bin offen für einen Haltungswechsel, der Organspende zur Normalität macht.“
Die könne es bei diesem Thema nicht geben, lautete hingegen die These von Michael Frisch (AfD). „Eine Organspende ist nie Normalität. Es geht um religiöse, ethische und psychologische Vorbehalte“, sagte er. „Ich habe Respekt vor jedem Menschen, der ein Organ spendet. Aber man kann niemanden dazu zwingen.“ Er warb dafür, die Bedingungen für Organspender und Kliniken zu verbessern. „Wichtig ist, dass ein Organ, das gespendet werden soll, auch transplantiert wird.“ Ethische Grundsatzdebatten lösen das akute Problem aus seiner Sicht nicht, denn es dauere einfach zu lange, einen gesellschaftlichen Konsens zu finden.
Die FDP schickte gleich zwei Redner ins Rennen: Alterspräsidentin Cornelia Willius-Senzer und Steven Wink, einen der jüngsten Abgeordneten. Beide trennen 41 Jahre, sie eint aber eine Erkenntnis. Niemand beschäftigt sich gern mit dem eigenen Tod. „Tod und Sterben dürfen kein Tabuthema sein“, sagte die FDP-Fraktionsvorsitzende. Wink bekannte Sympathie für eine verpflichtende Entscheidungslösung. Sein Problem mit der Widerspruchslösung: „Als Vater stelle ich mir vor, wie es ist, im Fall eines verstorbenen Kindes für es zu entscheiden. Ich glaube nicht, dass Eltern das in solch einer Situation tun können.“
Ähnlich persönlich ging Kathrin Anklam-Trapp (SPD) das Thema an. „10.663 Menschen warten auf ein Organ“, sagte sie. „Wenn das eine Niere ist, bedeutet es einen täglichen Marathon: Lebensplanung, Arbeitsplanung und Familienplanung sind unmöglich.“ Viele Betroffene, mit denen sie gesprochen hat, finden die aktuelle Reglung unzureichend. Auch sie betonte: „Sich mit dem eigenen Tod zu beschäftigen, ist ein Hindernis. Wir müssen Angehörige und sterbende Menschen dazu befähigen, eine Entscheidung zu treffen.“ Anklam-Trapp forderte eine fachliche Auseinandersetzung mit dem Thema: „Eine abschließende Meinung haben wir als Fraktion noch nicht gebildet.“
Hedi Thelen (CDU) kritisierte die Themensetzung der Liberalen. „Ausgerechnet ein derartiges Thema für eine Aktuelle Debatte zu wählen, ist unpassend und aus unserer Sicht das falsche Format“, sagte sie. Wie der Parlamentarische Geschäftsführer Martin Brandl bereits ankündigte, will sich die CDU für eine Orientierungsdebatte mit mehr Redezeit einsetzen.