Resolutionen, Demos, Briefe
Protest gegen neues Jagdgesetz: Jäger erhöhen den Druck
Schon einmal demonstrierten die Jäger vor dem Landtag gegen das geplante neue Landesjagdgesetz. Am 25. Juni soll es zu einer Großkundgebung in Mainz kommen.
Andreas Arnold. picture alliance/dpa

Seit mehreren Jahren laufen die Jägerinnen und Jäger in Rheinland-Pfalz Sturm gegen eine vom Umweltministerium vorangetriebene Neufassung des Landesjagdgesetzes. Jetzt beginnt eine entscheidende Phase in dieser Debatte. Der Druck wird größer.

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Grün ist eigentlich die Farbe der Jägerschaft. Bei Drück- und Treibjagden aber trägt man auffälliges Orange. In den nächsten Tagen und Wochen wird es auf rheinland-pfälzischen Plätzen und Straßen viel Orange zu sehen geben: Die in der Sache weitestgehend vereinte Jägerschaft in Rheinland-Pfalz erhöht den Druck auf die Politik und startet weitere Protestaktionen gegen die geplante Neufassung des Landesjagdgesetzes auf vielen Ebenen. Und ruft dabei auf, Orange zu tragen. Eine Treibjagd?

Aus Sicht der Jäger drängt die Zeit, denn die Landesregierung forciert den Gesetzgebungsprozess. Am 17. Juni findet im Umweltausschuss des Landtags eine Expertenanhörung statt, eine Woche später, am 25. Juni, soll diese ausgewertet werden. An diesem Tag sollen die Proteste der Jäger in einer riesigen Kundgebung in Mainz gipfeln.

Der Landesjagdverband bündelt die Demos und Protestaktionen.
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Das neue Landesjagdgesetz soll zum 1. April 2026 in Kraft treten. Die Debatte darum tobt bereits seit Jahren. Die Jäger im Land befürchten eine Entmündigung: „Pächter und Jagdgenossenschaften werden zum Spielball von Behördenwillkür“, heißt es in einem Thesenpapier des Landesjagdverbandes (LJV), der die Aktionen bündelt und dem gut 20.000 der rund 24.000 Jäger im Land angehören.

Die Empörung der Waidmänner und -frauen ist groß – auch, weil eine drastische Ausweitung der Wildschadenshaftung auf sie zukomme, wenn das Gesetz in seiner aktuellen Entwurfsversion Wirklichkeit wird. Der zuständigen Umweltministerin Katrin Eder (Grüne) wird vorgeworfen, dass ihr Gesetz die Wildbiologie nicht ausreichend berücksichtige („Dam- und Muffelwild soll eliminiert werden!“), dass im Ganzen alles Handeln im Wald dem Ziel eines prosperierenden Wirtschaftswalds untergeordnet werde, wie es ein LJV-Kreisgruppenvorsitzender gegenüber unserer Zeitung formuliert.

„Wir werden zum Sündenbock für den Wolf.“
Kritikpunkt aus dem Landesjagdverband

Ein weiterer Kritikpunkt: „Wir werden zum Sündenbock für den Wolf.“ Der Wolf werde im neuen Gesetz nur halbherzig ins Jagdrecht aufgenommen. „Die Jägerschaft soll den Problemlöser spielen und mit den Mitteln der Jagdabgabe haften, aber es gibt keine reguläre Jagdzeit, und selbst das Aneignungsrecht nach einer Erlegung wird ausgeschlossen.“

Fazit – wie es die Jägerschaft in einem Hintergrundgespräch in unserer Redaktion einmütig zieht: Ein handwerklich schlecht gemachtes Gesetz soll gegen den ausdrücklichen Willen einer hauptbetroffenen Interessensgruppe eiligst durch den Gesetzgebungsprozess gepresst werden, damit es im nach der Sommerpause aufziehenden Landtagswahlkampf nicht mehr aufgeschnürt werden kann. SPD und FDP sind in der Ampelregierung diszipliniert und folgen einem von „grüner Ideologie“, wie es ein Verbandsvertreter nennt, geleiteten Ministerium. Ist dieser Zug nun noch aufzuhalten? Oder zumindest auszubremsen? Die Jägerschaft versucht es.

Berufsjäger bringen Resolution auf den Weg

Widerstand gegen die Gesetzesnovellierung kommt etwa vonseiten der Berufsjäger aus Rheinland-Pfalz. Sie haben eine Resolution auf den Weg gebracht, die am Samstag der Umweltministerin, den Fraktionen des Landtags und den Mitgliedern des Umweltausschusses zugestellt werden soll. Darin sprechen sich die Berufsjäger entschieden gegen die Einbringung des aktuellen Jagdgesetzentwurfs ins Parlament aus – und fordern eine inhaltliche Überarbeitung. „Wir halten den Gesetzentwurf für völlig ungeeignet, um die Jagd und die Wildbewirtschaftung in Rheinland-Pfalz zu regeln“, erklärt Benedikt Peez, Sprecher des Landesverbands der Berufsjäger, und verdeutlicht: „Das parlamentarische Verfahren sollte so lange ausgesetzt werden, bis die Landesregierung einen Gesetzentwurf vorlegt, der tatsächlich eine bedarfsgemäße Weiterentwicklung des bisherigen Jagdrechts ermöglicht.“

Die Kritik und Forderung des Verbandes findet laut Peez große Zustimmung, nicht nur in der Jägerschaft. Die Resolution der Berufsjäger haben unter anderem der rheinland-pfälzische Jagdaufseherverband, der Verband Deutscher Falkner Rheinland-Pfalz/Saarland, die Fachgruppe Hochwild-Hegegemeinschaften im Landesjagdverband, der Bund Bayrischer Berufsjäger, die Game Conservancy Deutschland und die Action Interrégionale Nature et Chasse mitunterzeichnet. „Dahinter stehen etwa 90.000 Mitglieder, die uns unterstützen“, so Peez.

Der 29-Jährige ist einer von etwa 120 Berufsjägern im Land, die über mehrere Jahre für diesen Beruf ausgebildet worden sind. Sie arbeiten für kommunale, staatliche und private Jagd- und Forstbetriebe. Sie gelten als Experten ihres Faches. Dabei reichen ihre Aufgaben weit über die waidgerechte Jagd hinaus. Berufsjäger führen Maßnahmen zum Schutz und zur Förderung von Biotopen, Pflanzen und Tieren durch. Durch Lebensraum verbessernde Maßnahmen werden Wildschäden vorgebeugt und diese verhindert.

Das bestehende Jagdgesetz aus dem Jahr 2010 ist laut Peez wie eine Bibel für die Berufsjäger. Was darin geschrieben stehe, finde Anwendung. Und es habe sich bewährt. Für seine Berufsgruppe sind unter anderem der Tierschutz, die Artenvielfalt sowie das Reviersystem als Basis des großräumigen Wildtiermanagements und nicht zuletzt die tierschutzgerechte Jagdhundeausbildung die zentralen Elemente einer modernen Jagdgesetzgebung. „Und genau an diesen Grundpfeilern rüttelt das neue Landesjagdgesetz. Das ist ein Desaster“, so Peez.

Jagdgebrauchshundverband spricht von „ideologischen Verboten“

Auch jagdliche Fachverbände bringen sich in die Debatte ein, beispielsweise der Jagdgebrauchshundverband (JGHV) Rheinland-Pfalz. Unter dem Titel „Tierschutzgerechte Ausbildung unserer Jagdhunde darf nicht ideologischen Verboten geopfert werden“ weist der Verband in einem Offenen Brief an Ministerpräsident Alexander Schweitzer (SPD) auf die tierschutzfachliche Notwendigkeit einer praxisgerechten Jagdhundeausbildung hin und kritisiert das im Gesetzentwurf vorgesehene pauschale Verbot.

Verbandsvorsitzender Manfred Marschall wirft in dem Brief dem Regierungschef auch Ignoranz vor – der JGHV habe auf Missachtung von tierschutzpraktischer Kompetenz hingewiesen, auf ein entsprechendes Schreiben aus dem Mai habe Schweitzer nicht reagiert. „Hören Sie auf jene, die Hunde ausbilden und führen!“, formuliert Marschall. „Nehmen Sie unsere Expertise ernst.“

Während des jüngsten Parteitags von Bündnis 90/Die Grünen Rheinland-Pfalz in Idar-Oberstein machten vor der Halle Mitglieder des Landesjagdverbands Rheinland-Pfalz auf bevorstehende Änderungen im Landesjagdgesetz aufmerksam.
Harald Tittel. picture alliance/dpa

Interessant: Der Ministerpräsident ist auch Adressat eines Schreibens von Landrat Marko Boos aus dem Kreis Mayen-Koblenz in Sachen Landesjagdgesetz  – was umso bemerkenswerter ist, da Boos wie Schweitzer der SPD angehört. Boos schreibt zunächst, dass er den Eindruck habe, dass sich die bisherigen Regelungen in der Praxis bewährt haben. „Was mich jedoch mit großer Sorge erfüllt, ist weniger der Inhalt der geplanten Änderung als vielmehr die Art und Weise, wie dieses Gesetzesvorhaben derzeit betrieben wird – allen voran durch die zuständige Ministerin, aber letztlich auch durch die gesamte Regierungskoalition“, schreibt Boos in seinem Brief, der unserer Zeitung vorliegt. „Die Kommunikationsweise und die Geschwindigkeit des Verfahrens erinnern fatal an die unglückliche Vorgehensweise der früheren Bundesregierung beim sogenannten Heizungsgesetz.“

Auch Boos sieht, ähnlich wie mancher Jagdverbandsvertreter, eine „ideologische Gesetzesagenda“ am Werk: „Der Eindruck, dass der grüne Koalitionspartner kurz vor Ende der Legislatur noch ein ideologisch motiviertes Vorhaben „durchdrücken“ will, ist nicht nur weit verbreitet - er ist politisch gefährlich“, schreibt der zu Jahresbeginn ins Amt gekommene Landrat an seinen Genossen in der Staatskanzlei. Er appelliert an die Landesregierung, das Vorhaben grundlegend zu überdenken.

„Es ist skandalös, dass die Landesregierung ohne Not unter dem Deckmäntelchen des Naturschutzes im Expresstempo Fakten schaffen will.“
Helge Schwab, Freie Wähler

Mit diesem Appell dürfte sich Boos eher in der Argumentation aus der Landtagsopposition wiederfinden als bei der Koalition. „Mit dem vorliegenden Entwurf spricht das grün geführte Ministerium unseren Jägerinnen und Jägern im Land jegliche Kompetenz ab“, hatte kürzlich der jagdpolitische Sprecher der CDU-Landtagsfraktion, Horst Gies, kritisiert, der selbst zur Jagd geht. „Wer solche Gesetze schreibt, hat den Bezug zur Praxis und zum ländlichen Raum längst verloren“, hieß es aus der AfD-Landtagsfraktion.

„Es ist skandalös, dass die Landesregierung ohne Not unter dem Deckmäntelchen des Naturschutzes im Expresstempo Fakten schaffen will“, kommentiert Helge Schwab (MdL). Der Vorsitzende der parlamentarischen Gruppe der Freien Wähler schließt sich der Einschätzung des Landesjagdverbandes an, dass das neue Gesetz fast ausschließlich von forstwirtschaftlichen Interessen geprägt sei.

Große Demo in Mainz geplant

Idar-Oberstein, Hachenburg, Koblenz (alle am Samstag, 7. Juni), Bad Sobernheim (Sonntag, 8. Juni), Bad Ems (am 12. Juni), Altenkirchen (14. Juni) – und etliche Städte mehr: Die Jäger machen im ganzen Bundesland mobil und kündigen flächendeckend Demos und Protestaktionen gegen die Novellierung des Landesjagdgesetzes an. Die Aktionen sollen in einer Großkundgebung am Mittwoch, 25. Juni, 11 bis 15 Uhr, in Mainz gipfeln. Die Kundgebung soll um 13 Uhr auf dem Ernst-Ludwig-Platz stattfinden – in unmittelbarer Nähe zum Landtag. An diesem Tag wird das neue Gesetz erneut Thema im Umweltausschuss sein. Der Landesjagdverband (LJV) bündelt alle Aktivitäten und fasst auf seiner Internetseite auch die Argumente der Jägerschaft in prägnanten Punkten zusammen. Weitere Infos gibt es unter www.ku-rz.de/ljvkampagnered

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