Nach dem fehlgeschlagenen ersten bundesweiten Warntag vor gut zwei Jahren hat auch die Neuauflage am Donnerstag in Rheinland-Pfalz noch nicht alle Erwartungen erfüllt: Das Mainzer Innenministerium bilanzierte zwar: „Um 11 Uhr wurde das Modulare Warnsystem (MoWas) des Bundes mit allen an das System angeschlossenen Warnmitteln wie Fernsehen, Radio, Warn-Apps und dem neuen Cell Broadcast ausgelöst und in weiten Teilen erfolgreich getestet.“ Beim Cell-Broadcast-Verfahren geht eine automatische Benachrichtigung an jedes eingeschaltete Handy mit Empfang und aktueller Software. Doch diese blieb offenbar hier und da stecken – Leser berichteten unserer Zeitung exemplarisch von stumm gebliebenen Smartphones.
Auch im politischen Raum gab es Zweifel. Der innenpolitische Sprecher der Grünen-Landtagsfraktion, Carl-Bernhard von Heusinger, teilte mit: „Zahlreiche Menschen sind offenbar nicht mit der Testwarnung über das Cell Broadcasting gewarnt worden, weil das Betriebssystem ihres Mobiltelefons zu alt ist oder nicht die erforderlichen Einstellungen ausgewählt waren.“
Warn-Apps wiederum verfügten über „unterschiedliche technische Standards, und man braucht alle Apps, um keine Warnung zu verpassen“. Oder auch die Entwarnung: Etliche Rheinland-Pfälzer berichteten, dass es zwar mit dem Alarm via Cell Broadcasting geklappt habe, dieser aber nicht wie angekündigt wieder aufgehoben worden sei.
Vereinzelt gab es auch Probleme beim Umgang mit der ungewohnten Meldung auf dem Handy: Bei manchem Handynutzer verschwand der Text offenbar, sobald man ihn auf dem Sperrbildschirm antippte, vermeintlich unwiederbringlich. Bei den Warnungen mit Apps wie Katwarn oder Nina kam es mitunter zu Verzögerungen.
Dennoch: „Cell Broadcast in den Mix aus Warnmitteln aufzunehmen und damit auch den positiven Erfahrungen in zahlreichen Ländern zu folgen, war eine richtige und wichtige Entscheidung“, bilanzierte Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP). In Notfällen und bei Katastrophen können Warnungen so einfach, schnell und zielgenau an eine große Anzahl von Menschen versendet werden, lobte der frühere rheinland-pfälzische Verkehrsminister.
Beispiel Koblenz und Neuwied
Die Stadt Koblenz teilte mit, von 26 bereits montierten elektronischen Sirenen hätten nach ersten Erkenntnissen drei nicht planmäßig funktioniert. 20 weitere sollen bis März 2023 im Stadtgebiet installiert werden. Im Kreis Neuwied war die Feuerwehr mit mobilen Warnanlagen unterwegs und warnte die Bevölkerung mit vorgegebenen Aufsagetexten, was gut funktioniert habe, so die Kreisverwaltung. In Koblenz gab es bei einem ähnlichen Verfahren stellenweise Probleme, die Texte zu verstehen, hieß es.
Zumal die Handywarnung nur ein Teil in einem ganzen Netz sein kann. Sirenen spielen dabei ebenfalls eine wichtige Rolle – inzwischen wieder. Viele Kommunen in Rheinland-Pfalz haben nach der verheerenden Flut im Ahrtal neue Sirenen aufgebaut, um die Bevölkerung besser alarmieren zu können. Zuvor waren die akustisch weitreichenden Alarmeinrichtungen bundesweit zunehmend abgebaut worden.
Am Donnerstag wurden viele der neuen Anlagen nun getestet, während ältere, noch nicht modernisierte Sirenen bewusst stumm blieben – von einer flächendeckenden Versorgung sei das Land eh noch weit entfernt, kritisierte Lea Heidbreder (Grüne), Vorsitzende der Enquete-Kommission „Zukunftsstrategien zur Katastrophenvorsorge“ im Landtag. „Dazu kommt, dass gerade viele Menschen die je nach Ort unterschiedlichen Signale der Sirenen nicht verstehen.“
„Achtung, Achtung“: Viele Menschen zucken zusammen, als um 11 Uhr der lang gezogene auf- und abschwellende Warnton der Sirenen in Koblenz erklingt, während in den Jackentaschen gleichzeitig oft Handys vibrieren und laut brummen.Sirenen in Koblenz: Durchsage am Warntag wird nur schlecht verstanden
Der rheinland-pfälzische Innenminister Michael Ebling (SPD) schaute in Heimersheim im flutgeschädigten Ahrtal, wie der Probealarm bei der Feuerwehr des Stadtteils von Bad Neuenahr-Ahrweiler ausgelöst wurde. Er wies auf unterschiedliche mögliche Katastrophenszenarien in der Gegenwart hin: „Umso wichtiger ist ein solcher Tag, an dem die Warnmittel auf Herz und Nieren getestet werden.“ Noch besser sei es, „wenn jede und jeder zumindest auf einem Kanal durch eine Warnung erreicht werde: Warnungen über Sirenen oder Lautsprecherdurchsagen, aber auch über Warn-Apps, Medien oder Cell Broadcast. Der Mix macht’s.“