Ein Satz
In eigener Sache: Christian Lindner zur weißen Fläche auf der Titelseite

Ein Satz. Das genügt.

Verantwortungsvolle Journalisten zeichnen sich auch durch Haltung aus. Gute Redaktionen reagieren auch im Internetzeitalter überlegt statt übereilt. Seriöse Zeitungen und Webseiten machen bewusst nicht alles, was möglich wäre.

Ganz in diesem Sinne hat die Redaktion dieser Zeitung nachgedacht, abgewogen, entschieden und gehandelt, als wir schon vor einigen Tagen erfuhren, dass der Co-Pilot Andreas L., der am 24. März 149 Menschen und sich selbst absichtlich in den Tod gesteuert hat, in seiner Heimatstadt Montabaur beerdigt wird. Wir haben diese Information bis zwei Tage nach der Beerdigung für uns behalten. Damit seine Familie und seine Freunde in Ruhe Abschied von ihm nehmen konnten. Damit die Weltpresse bei diesem Begräbnis nicht erneut über Montabaur herfällt. Damit Privates privat bleibt und nicht ohne Not und ohne Sinn öffentlich wird.

Ja, wir hätten aus der Ferne Fotos von der Beerdigung machen können. Ja, wir hätten die Beerdigung als einziges Medium beschreiben können. Ja, wir hätten die Bilder weltweit verkaufen, hätten unseren exklusiven Text deutschlandweit und auch international vermarkten können.

Die aus einem Satz bestehende Meldung mit weißer Fläche auf der Titelseite der heutigen Ausgabe. 

Auf all das haben wir bewusst verzichtet. Stattdessen setzen wir in der knappestmöglichen Form einen Schlusspunkt in diesem Drama um Flug 4U 9525 – indem wir in gerade mal in einem Satz melden, dass Andreas L. nun seine letzte Ruhe gefunden hat. Und wir machen unseren bewussten Verzicht auf jede weitere Zeile – auch stellvertretend für die vielen respektvollen Publikationen der Medienbranche – mit einem weißen Raum auf der Titelseite unserer Zeitung deutlich. Zum ersten Mal seit ihrer Gründung 1946 überhaupt.

Statt ohne Nutzen und ohne Sinn unnötig mehr zu berichten, sind wir in Gedanken bei den 149 Opfern des Germanwings-Fluges 4U 9525 und ihren Familien, aber auch bei Andreas L.

Friede seiner Asche. Friede auch seinen Angehörigen und seinen Freunden. Und Friede auch seiner Heimatstadt Montabaur.

E-Mail an christian.lindner@rhein-zeitung.net

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