Reformbilanz für RLP
Grundsteuerreform kostet Land 44 Millionen Euro
Ist die Grundsteuerreform rechtmäßig oder nicht? Der Bundesfinanzhof wird demnächst entscheiden.
Jens Büttner. picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild

Die Grundsteuerreform hat erst Nerven gekostet. Jetzt kostet sie Geld, weil die Steuer für viele Hauseigentümer und Mieter nun höher ausfällt als früher. Kann die Reform aber noch kippen? Ein Urteil soll in einigen Monaten fallen.

Gut 44 Millionen Euro hat die umstrittene, auch als viel zu bürokratisch kritisierte Grundsteuerreform das Land gekostet. Denn 229 extra eingestellte Frauen und Männer waren in der Spitze im Jahr 2024 mit den vielen Formularen beschäftigt, teilt das Finanzministerium auf Anfrage mit. Wie Stephan Filtzinger, Präsident des Landesamtes für Steuern, sagt, kann das zunächst befristet eingestellte Personal wegen hoher altersbedingter Abgänge größtenteils übernommen werden. Es habe sich als sehr qualifiziert erwiesen.

Bei den Finanzämtern sind nach Angaben des Landesamts rund 430.000 Einsprüche gegen die Grundsteuerwert- und Grundsteuermessbescheide eingegangen. Das Gros der Bürger (89 Prozent) zweifelt pauschal die Verfassungsmäßigkeit an. Argumente dafür hat der Verfassungsrechtler Gregor Kirchhof auch für den klagenden Eigentümerverband Haus & Grund ausgeführt. Diese Bürger könnten erst mit einer Antwort rechnen, wenn über die Verfassungsmäßigkeit höchstrichterlich entschieden ist, so Filtzinger. Andere Einsprüche bezogen sich auf Sachfragen wie etwa falsche Wohnfläche oder Eigentümer. Sie würden derzeit von den Finanzämtern bearbeitet und erledigt.

Urteil des Bundesfinanzhofs wird mit Spannung erwartet

Für den Fiskus ist die Reform größtenteils also erst einmal gelaufen. Nachgearbeitet würden Fälle wie etwa Eigentümerwechsel oder Änderungen der Grundstücksart, wenn nach dem Stichtag 1. Januar 2022 beispielsweise ein unbebautes Grundstück bebaut wurde. Aber alle Ämter sind wie die Bürger maximal gespannt, wie das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) ausfällt. Das werde er auch zum von Rheinland-Pfalz angewandten Bundesmodell wohl im September vorlegen, wie Filtzinger meint. Der Landesvorsitzende des Eigentümerverbands Haus & Grund, der Koblenzer Rechtsanwalt Christoph Schöll, erwartet es schon bis Juli.

Allerdings wird damit auch gerechnet, das ein BFH-Urteil noch beim Bundesverfassungsgericht landet. Der Mainzer Geschäftsführer des Steuerzahlerbund, René Quante, „ist guter Dinge, dass sich die Musterklagen gegen die Reform durchsetzen“. Was dann folgen würde, ist aber unklar. Über eine Reform der Reform will noch niemand spekulieren.

Allerdings weist Schöll darauf hin, dass das rheinland-pfälzische Finanzgericht in Neustadt/Weinstraße gleich mehrere Punkte in seinen dem BFH vorgelegten Entscheidungen moniert hat. So haben die Richter ernste Bedenken, dass die für die Berechnung der Grundsteuer entscheidenden Bodenrichtwerte rechtmäßig zustande gekommen sind. Dabei bezweifelt das Gericht auch die gesetzlich geforderte Unabhängigkeit der Gutachterausschüsse. Denn Möglichkeiten zur Einflussnahme auf die Besetzung seien nicht ausgeschlossen.

Hinzu kommt: Datenlücken könnten die Ermittlung von Bodenrichtwerten verzerren, wie die Vorsitzende Richterin Barbara Weiß unserer Zeitung sagte. Hintergrund: Aus einer Villengegend sind nur drei Verkäufe im Jahr bekannt, aus einer Reihenhaussiedlung aber 20. Weil die Ausschüsse aber die Kaufpreise auswerten, könne der Bodenrichtwert in begehrter Lage geringer sein als anderswo. Zudem legten Private bei Verkäufen fest, wie teuer der Boden- und Gebäudeanteil ist. Das Finanzgericht kritisiert zudem, dass der Bürger im Verfahren einen Bodenrichtwert nicht anfechten kann.

Wenn Grund und Boden weniger wert sind als veranschlagt

2024 hat der BFH bereits in zwei Eilverfahren aus Rheinland-Pfalz gefordert, dass Eigentümer die Möglichkeit haben müssen, nachzuweisen, dass ihr Haus und Grundstück weniger wert ist als veranschlagt. Folge: Bürger können nun einen deutlich niedrigeren Grundsteuerwert erreichen, wenn der vom Finanzamt festgestellte Grundsteuerwert den Verkehrswert des Grundstücks um mindestens 40 Prozent übersteigt. Fehler dieser Dimension hält Filtzinger aber für unwahrscheinlich, wie er unserer Zeitung sagt.

Er gibt auch zu bedenken, dass die Differenz durch Gutachten oder einen tatsächlich realisierten Kaufpreis in den Jahren 2021/2022 nachgewiesen werden müssen. Da Gutachten nicht billig seien, müsse „man sich der Sache schon sicher sein“.

Kann die Reform der Grundsteuer noch gekippt werden?
Bernd Weißbrod. dpa

Die Grundsteuer A (land- und forstwirtschaftliche Vermögen) und B gehört zu den wichtigen Einnahmen der Kommunen. Sie brachte 2024 gut 760 Millionen Euro ein. Mit knapp 2,8 Milliarden Euro fällt die Gewerbesteuer aber deutlich höher ins Gewicht.

In diesem Jahr dürften die Einnahmen aber geringer ausfallen, weil die Reform Gewerbeimmobilien zulasten von Eigenheimen und Mietshäusern begünstigt. Daher haben viele Kommunen die Hebesätze erhöht – möglichst moderat. Denn sie scheuen extreme Ausschläge, um Wohnungseigentümer und Mieter nicht noch mehr zu strapazieren. Doch die Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion (ADD) zwingt sie möglicherweise dazu, falls ein Haushalt rote Zahlen schreibt. In „Blauen Briefen“ ließ sie zuletzt auch die Stadt Mainz wissen, dass sie wegen ihres Defizite eigene Einnahmequellen mehr ausschöpfen muss. Koblenz will auf Druck bereits reagieren. Die Kommunen können inzwischen auch unterschiedliche Hebesätze für Gewerbe- und Wohnimmobilien erheben. Aber der Aufwand dafür wird als zu bürokratisch kritisiert.

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