Hausen
Franziskaner in der Krise: Mitarbeiter sind von der Insolvenz kalt erwischt worden
Das Dorf Hausen (Kreis Neuwied) hängt praktisch am Tropf der Franziskaner. Das St. Josefshaus hat rund 275 Mitarbeiter. Ihre Zukunft ist ungewiss, nachdem der Träger ein Insolvenzverfahren in Eigenverantwortung eingeleitet hat.
Jörg Niebergall

Die Stimmung in Hausen (Kreis Neuwied) ist gedrückt. Die Nachricht von der Insolvenz in Eigenverantwortung ist bei den Mitarbeitern der Franziskanerbrüder eingeschlagen wie eine Bombe. Gegenüber unserer Zeitung beklagt ein Mitarbeiter hausgemachte Fehler des Trägers. Wir haben bei den Franziskanern nachgefragt, was an den Vorwürfen dran ist.

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Wie eine Festung dominieren Klosterkirche und St. Josefshaus den kleinen Ort Hausen im Westerwald (Kreis Neuwied). Der Bruchstein der massiven Mauern hoch über dem Wiedtal wirkt erdrückend. Fast schon abweisend. Zwei Franziskaner spazieren in ihren schlichten braunen Kutten und weißen Kordeln über den Weg vor dem Generalat ihres Ordens. Rosenkranz und Kreuz baumeln um ihre Hüften. Scheinbar heile Welt. Doch hinter der Pforte des Mutterhauses der Franziskanerbrüder vom Heiligen Kreuz wird derzeit unter Hochdruck über die Zukunft von insgesamt 1700 Mitarbeitern in zehn Kranken- und Pflegeeinrichtungen des Trägers verhandelt.

Und es ist keine Herz-Jesu-Gruppe, die da zum Kaffeekränzchen zusammentritt. Denn es geht um Geld. Sehr viel Geld. Der Vorstandsvorsitzende der Franziskanerbrüder ist auf Anfrage unserer Zeitung nicht persönlich zu sprechen. Bruder Michael Ruedin wird im Sanierungsverfahren von der Consilium Rechtskommunikation in Berlin vertreten. Die Juristin Marlen Fasold übernimmt die mediale Betreuung des Verfahrens nach außen. Denn das Insolvenzverfahren in Eigenverantwortung ist straff durchorganisiert. Auf fromme Gebete allein verlässt sich in dem knallharten Geschäft schon lange niemand mehr.

Prozessauftakt nach Messerattacke auf Schwangere
Auch das Krankenhaus Marienwörth in Bad Kreuznach ist von der Insolvenz der Franziskanerbrüder vom heiligen Kreuz in Hausen betroffen.
Thomas Frey/dpa

Das Beratungsunternehmen WMC Healthcare, das auf Medizinstrategie spezialisiert ist, hat ähnliche Verfahren im nördlichen Rheinland-Pfalz schon mehrfach durchexerziert. Etwa bei den DRK-Krankenhäusern in Altenkirchen/Hachenburg, Neuwied, Kirchen und Alzey. Und die Generalhandlungsbevollmächtigten Mark Boddenberg und Kimon Kantis von Eckert Rechtsanwälte mit Hauptsitz Hannover gehören zu den führenden deutschen Restrukturierungskanzleien. Zusammen wollen sie ein Zukunftskonzept für den angeschlagenen Verein erarbeiten.

Hausen hängt praktisch am Tropf der Franziskaner. 275 Menschen arbeiten allein im St. Josefshaus. Viele leben im Dorf oder in der Umgebung. Hinzu kommen 41 Mitarbeiter im Seniorenzentrum Haus Teresa in Asbach. Zusammen betreuen sie 279 Menschen mit geistiger Behinderung oder neurologischen und psychischen Erkrankungen. Während des Verfahrens sollen sie weiter versorgt werden. Die Angestellten selbst erhalten ihr Gehalt in den kommenden drei Monaten von der Arbeitsagentur. Der Träger beteuert, sie halten zu wollen.

Manche haben davon sogar erst später aus der Zeitung erfahren.

Ein Pfleger des St. Josefshauses

Dennoch ist die Unruhe im St. Josefshaus groß. Die Mitarbeiter seien von der Insolvenz kalt erwischt worden, beklagt Jürgen P. (Name geändert) gegenüber unserer Zeitung. „Das kam für mich total überraschend“, erklärt der Pfleger. Zwar sei immer wieder davon die Rede gewesen, dass man sparen müsse. Dennoch ist die Nachricht vom Insolvenzverfahren in Eigenverantwortung auf der Mitarbeiterversammlung wie ein Bombe eingeschlagen. „Manche haben davon sogar erst später aus der Zeitung erfahren“, ärgert er sich und beklagt die mangelnde Transparenz. „Man bekommt überhaupt keine Sicherheit vermittelt.“

Bei den Mitarbeitern sind mittlerweile Abtretungserklärungen über ihre Gehaltsansprüche eingetroffen. Auch bei Jürgen P., der sich gerade durch die Paragrafen müht. „Ein Formular mit vier Seiten“, sagt er. Das Prozedere hinterlasse kein gutes Gefühl. „Viele sprechen davon zu gehen“, weiß er aus Gesprächen mit Kollegen. Einige haben sich demnach schon ihre Arbeitszeugnisse zuschicken lassen. Jobs gebe es in der Branche ja genug. „Die Stimmung ist gedrückt und pessimistisch“, klagt der Pfleger. Trotz der Versprechen des Trägers.

Jürgen P. weiß, dass es überall in der Branche kriselt. Inflation und Energiekrise machen allen zu schaffen. Einige Probleme seien aber auch hausgemacht. So leide etwa das Schädel-Hirn-Zentrum für Wachkomapatienten mit seinen 60 Betten unter einem großen Mangel an Fachkräften. „Der Personalschlüssel ist viel zu gering“, sagt er. Die Lücken würden oft Ungelernte schließen. Das Haus habe es verpasst, auf die Entwicklung zu reagieren. Auch andere Stationen seien chronisch unterbesetzt, sodass sie nicht voll ausgelastet werden können. Vor allem im Spätdienst. „Das hat sich zuletzt extrem zugespitzt“, beklagt Jürgen P. Und Entlastung sei kaum in Sicht. „Das Recruiting funktioniert nicht wirklich gut.“

Haus Theresa - Asbach
Im Seniorenzentrum Haus Theresa in Asbach bangen viele der 41 Beschäftigten um ihre Jobs.
Heinz-Werner Lamberz

Unterdessen schießen Gerüchte ins Kraut, wie der Pfleger gegenüber unserer Zeitung erklärt. Unter Kollegen kursiere etwa die Befürchtung, dass das Haus Teresa in Asbach geschlossen werden soll. Ist da was dran? „Die Franziskanerbrüder verfolgen das Ziel, sich umfassend mit allen Einrichtungen und Diensten zu sanieren“, heißt es dazu auf Anfrage von Marlen Fasold. Die Zufriedenheit der Mitarbeiter und die Versorgung von Patienten und Bewohnern hätten für den Verein oberste Priorität – an allen Standorten. „Dafür sollen alle Einrichtungen zukunftssicher aufgestellt werden.“ Konkreter wird die Juristin nicht.

Und was wird aus dem Schädel-Hirn-Zentrum im St. Josefshaus? Fasold räumt zwar Fachkräftemangel ein. Die Patienten würden aber adäquat mit einem entsprechenden Mitarbeiterschlüssel versorgt. Dennoch werde während des Eigenverwaltungsverfahrens analysiert und geprüft, “welche strategischen Optionen uns für eine langfristig wirtschaftlich tragfähige Neuaufstellung zu Verfügung stehen", heißt es auf Anfrage unserer Zeitung. Dazu sollen auch Projekte in den Blick genommen werden, die bereits umsetzungsreif seien. Welche genau, sagt die Juristin nicht.

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