Im konkreten Fall klagt ein Vermessungsinspektor mehr Geld ein. Von dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Koblenz dürfte große Signalwirkung ausgehen, weil im vergangenen Jahr allein am Verwaltungsgericht Koblenz etwa 40 Beamte Klagen eingereicht haben, weil sie sich unterbezahlt fühlen. Zwei Pilotverfahren von Feuerwehrleuten sollen Ende April in Koblenz verhandelt werden. Dann könnte die Leitlinie des OVG schon vorliegen.
Langer Rechtsstreit
Der nun beim OVG auf der Tagesordnung stehende Rechtsstreit zieht sich seit Jahren hin: Das Verwaltungsgericht Trier hat dem Kläger zwar in der Vorinstanz nicht recht gegeben, aber bereits 2014 wegen grundsätzlicher Bedeutung den Weg zur Berufung beim OVG eröffnet. Dort ruhte das Verfahren, weil vom Bundesverfassungsgericht Urteile in gleich mehreren Verfahren erwartet wurden. Dies wollten die Parteien abwarten. Aber das höchste Gericht blieb untätig. Deshalb riss dem OVG der Geduldsfaden.
Es hat im vergangenen November nach fünfjähriger Wartezeit den seit 2017 ruhenden Streit wieder aufgerufen, weil „das Rechtschutzinteresse der Betroffenen überwiegt“. Sie sollen nicht länger vertröstet werden. Das kommt den vier Verwaltungsgerichten im Land entgegen, bei denen im vergangenen Jahr vermehrt Klagen von Beamten eingingen. Sie erhoffen sich auch eine Richtschnur vom Obergericht in Rheinland-Pfalz.
Amtsangemessene Besoldung?
Der Senat unter dem Vorsitz von Präsident Lars Brocker hat nun zu entscheiden, ob die Besoldung des Beamten vor Jahren amtsangemessenen war oder nicht. Dabei dreht sich der Fall hauptsächlich um die Besoldungsstufe A 8 (aktuell in der untersten Stufe: rund 2720 Euro brutto). Denn der Kläger monierte noch als Vermessungshauptsekretär 2012, dass er zu wenig Geld vom Land bekommt. Im Mai 2014 wurde er dann auf eine Inspektorenstelle (A 9) befördert. Damals hatte er nicht erneut geltend gemacht, dass seiner Ansicht nach die Besoldung noch immer zu gering ist.
Kippt die Verteilungsgerechtigkeit in Deutschland? Das ist zumindest der Eindruck, wenn jetzt selbst Beamte vors Gericht ziehen, weil sie ihre Besoldung für unangemessen halten. Da muss die unangenehme Frage erlaubt sein: Ist der Staat noch in einer guten Verfassung, wenn die Staatsdiener an ihm ...Kommentar zur Klage der Beamten: Wenn der soziale Frieden bedroht ist
In Prozess ist nicht nur zu prüfen, wie es um den gebührenden Abstand zwischen einzelnen Besoldungsstufen steht. In den Mittelpunkt ist auch rechtlich jetzt die derzeit politisch viel diskutierte Frage gerückt: Lag das Nettoeinkommen noch 15 Prozent über den Sozialleistungen des Staats – also dem heutigen Bürgergeld?
Klare Regeln für eine faire Besoldung
Für die faire Besoldung hat das Bundesverfassungsgericht 2020 immerhin dieses Hauptkriterium festgelegt. Es wiegt schwerer als der Vergleich mit den Summen, die andere Länder oder der Bund zahlen oder wie Gehälter von Angestellten ausfallen. Die Polizeigewerkschaft GdP hat im vergangenen Jahr ihre Mitglieder zu Widersprüchen – diese wurden in Serie abgebügelt – und Klagen aufgerufen. Denn nach ihrer Berechnung könnten Beamten der Besoldungsgruppe A 10 (Eingangstufe Januar 2022 ohne Zulagen: 3003,85 Euro) mehr als 5 Prozent hinter der Lohnentwicklung hinterherhinken.
Setzen Beschäftigte der Länder 10,5 Prozent mehr Gehalt durch? Auch Beamte verfolgen gespannt den Tarifstreit. Denn Abschlüsse werden inzwischen auch in Rheinland-Pfalz auf sie übertragen. Die Staatsdiener schauen aber auch auf die Verwaltungsgerichte: Denn dort häufen sich seit August Klagen von ...Warum Beamte für mehr Geld klagen: Sehen Gerichte den Abstand zum Bürgergeld gewahrt?
Außerdem trickse die Landesregierung, moniert die Gewerkschaft. Nach dem Maßstab des Bundesverfassungsgerichts müsse einer Beamtenfamilie mit zwei Kindern netto 15 Prozent mehr verbleiben „als einer vergleichbaren Familie, die Leistungen der sozialen Grundsicherung in Anspruch nehmen muss“. Dies gelte „ohne Rücksicht auf mögliche Einkünfte des anderen Partners“. Aber Rheinland-Pfalz rechne „5400 Euro des Partners auf die Jahreseinkünfte hinzu.
Ein verstecktes Sparmodell?
Klagen muss jeder Einzelne. Denn mit der Praxis, dass bei Musterklagen alle Widersprüche bis zu einer gerichtlichen Entscheidung ruhen, hat Finanzministerin Doris Ahnen (SPD) vor Jahren gebrochen. Ein verstecktes Sparmodell, halten Kritiker ihr vor.
Kommt das OVG jetzt aber in dem alten Fall zum Schluss, dass die Besoldung nicht den verfassungsrechtlichen Vorgaben genügte oder offensichtlich unzureichend war, kann es das Land nicht einfach dazu verdonnern, Beamte besser zu bezahlen.
Wegen einer dazu notwendigen Gesetzesänderung muss das Gericht das Verfahren aussetzen, um die wichtige Entscheidung des (Bundes-)Verfassungsgerichts zur Frage einzuholen, ob Regelungen des rheinland-pfälzischen Besoldungsgesetzes mit dem Grundgesetz vereinbar sind. Es spricht einiges dafür, dass Präsident Brocker sich diese Rechtsfrage nicht selbst am Verfassungsgerichtshof in Koblenz vorlegt, sondern dem Bundesgericht in Karlsruhe.
Letztes Wort in Karlsruhe?
Wie lange dort die Entscheidung wieder schmort, ist offen. Es könnten allerdings Fälle aus Rheinland-Pfalz hinzukommen. Der Präsident des Koblenzer Verwaltungsgerichts, Ralf Geis, will für den Fall, dass zwei klagende Feuerwehrmänner mit ihrer Klage Ende April Erfolg haben, seine Entscheidung auch dem Bundesgericht in Karlsruhe vorlegen, sagte er unserer Zeitung.
Egal, wann dort entschieden wird. Ein die Mainzer Landesregierung abstrafendes Urteil aus Koblenz wäre für die Ampelregierung politisch eine höchst unangenehme Quittung – mit der Hängepartie, dass Karlsruhe womöglich kurz vor der Landtagswahl auch Konsequenzen fordern könnte.