Der zuständige Abteilungsleiter bei der SGD Nord, Joachim Gerke, hatte jüngst im Interview mit unserer Zeitung durchaus eingeräumt, dass nicht alle Arbeiten „sinnvoll“ gewesen seien, die von Großgeräten im Ahrtal ausgeführt worden sind. Dass die SGD Nord in den ersten Wochen nach der Flutkatastrophe kaum eingegriffen habe, bestätigte Gerke ebenfalls. Zu Beginn habe es sich aber auch um notwendige Aufräumarbeiten gehandelt. Außerdem habe der Aktivismus in Form der Baggerarbeiten mittelbar auch zur Aufarbeitung der Katastrophe beigetragen. Nun aber werde verstärkt kontrolliert.
Auch bei einem Gespräch Anfang Dezember zwischen Büchs und Vertretern der SGD Nord, das nach einem Interview mit dem Hildesheimer Professor in unserer Zeitung zustande kam, hieß es noch einmal, man wolle in Zukunft genauer hinsehen und dafür sorgen, dass die Arbeiten koordinierter stattfinden. Das allerdings sieht Fachmann Büchs mit Skepsis. „Im Ahrtal werden im Augenblick in Wildwestmanier Fakten geschaffen“, warnt der Biologe und greift zu drastischen Worten: Das Zubaggern der Ahr und ihrer Zuflüsse wie insbesondere dem Sahrbach oder die im Rahmen des „Aufräumens“ erfolgte Naturzerstörung wie bei Pützfeld und anderswo seien im Prinzip wie eine „zweite Zerstörung des Ahrtals“. Dies widerspreche zudem auch den Bestimmungen des Bundesnaturschutzgesetzes zum Schutz von Gewässern und Uferzonen.
An der Ahr und den Zuflüssen werde „in katastrophaler Art und Weise“ mit den durch die Flut neu entstandenen Uferzonen umgegangen, kritisierte Büchs erneut. Vorgehensweisen wie etwa in Pützfeld könne man so nicht durchgehen lassen, sagte der Biologe und forderte eine Wiederherstellung von zerstörten Biotopen – „möglichst an gleicher Stelle, auch wenn es 20 Jahre dauert“. Nach seiner Beobachtung müsste die Aufsichtsbehörde wesentlicher deutlicher vorgehen und den Ortsbürgermeistern deutlich machen, dass Eingriffe in die Landschaft künftig nur unter Beachtung der üblichen gesetzlichen und planungsrechtlichen Vorgaben erfolgen dürften – etwa mit Bürgerbeteiligung und Umweltbericht.
In einem konkreten Beispiel hatte sich der Umweltbeirat des Kreises Ahrweiler jüngst offenbar durchgesetzt. Im Naturschutzgebiet der Ahrmündung hatten mehrere Einsätze mit schwerem Gerät erhebliche Folgen für Artenvielfalt und Naturschutz. Die weiteren notwendigen Arbeiten werden jetzt auf Anweisung der Kreisverwaltung schonender ausgeführt. So hilft die Bundespolizei im Rahmen einer Übung, gefährliches Treibgut der Juliflut mit Hubschraubern zu beseitigen.
Es geht aber auch um größere Maßnahmen, die von der Hochwassergemeinschaft der betroffenen Orte mitgetragen werden müssten. Büchs glaubt, dass man ohne Anlage von Reservoiren zur Hochwasserrückhaltung und von sogenannten Flutmulden an den Zuflüssen der Ahr nicht auskommen wird. Adenau habe zum Beispiel durch das Vorhandensein zweier Hochwasserrückhalteeinrichtungen die Flut vom 14./15 Juli fast unbeschadet überstanden, auch der Beitrag des Adenauer Baches zum Hochwasser der Ahr sei dadurch geringer gewesen.
Doch da verspürt er bei der SGD Nord durchaus auch Skepsis. Dort folgt mancher eher der Meinung von anderen Experten, dass sich eine Sturzflut wie am 14. und 15. Juli bei solchen Starkregenmengen ohnehin kaum verhindern ließe. Deshalb seien Regenrückhaltebecken und Flutmulden zu teuer und unwirtschaftlich. Wichtig sei, die Warnsysteme so auszustatten, dass die Menschen sich rechtzeitig in Sicherheit bringen können.
Experte Büchs hält diese Position für gefährlich. „Das mag zwar grundsätzlich richtig sein. Wenn man aber daraus schlussfolgert, umfassendere Maßnahme der Hochwasservorsorge sind infolgedessen nicht wirtschaftlich, dann hat man meines Erachtens den Kern der Sache nicht erkannt“, sagt er. In allen, auch den ahrfernen Orten im Wassereinzugsgebiet der Ahr und in allen Bereichen müsse umgedacht werden, fordert er – von der Landwirtschaft über Forstwirtschaft, Weinbau, Straßen- und Wegebau, Siedlungspolitik, bis hin zu Dach- und Fassadenbegrünung. So hält Büchs es auch für falsch, dass Feuchtgrünland direkt an der Ahr zum Erhalt des „Ackerstatus“ innerhalb von fünf Jahren umgebrochen und als Ackerland genutzt werden kann – und sogar Mais angebaut wird. Dabei seien die ahrnahen Flussauen wichtige Lebensräume, versickerungsfördernd und erosionshemmend.
Professor Georg Wieber kramt in seinem blauen Schnellhefter nach einem Foto. Das soll zeigen, wie es hier, am Ausgang des Tunnels in Altenahr, am 14. Juli aussah. Der Leiter des Landesamtes für Geologie und Bergbau in Rheinland-Pfalz blättert.Auf der Suche nach Antworten: Untersuchungsausschuss sieht sich im Ahrtal Orte des Unglücks an
Büchs fürchtet zudem, dass ohne ein solches Paket an Maßnahmen zum Hochwasserschutz auch das erhoffte Sicherheitsgefühl nicht ins Ahrtal zurückkehren wird – mit spürbaren Folgen. Menschen könnten wegziehen und Betriebe abwandern, wenn sie den Eindruck hätten, dass kein effektiver Schutz vor den Ahrfluten betrieben werde.