Freudenberg

Fall Luise: Fragen zu Motiv und Tat könnten unbeantwortet bleiben

Von dpa
Fall des getöteten zwölfjährigen Mädchens aus Freudenberg
Zwei Mädchen im Alter von 12 und 13 Jahren haben gestanden, Luise am 11. März in einem Waldstück erstochen zu haben. Foto: Oliver Berg/DPA

„Warum?“. Diese Frage treibt nach dem Tod der Zwölfjährigen viele um. Das geht so weit, dass Ermittler sich veranlasst sehen, gegen Falschmeldungen in die Offensive zu gehen. Dabei könnten Fragen zu Motiv und Hergang für die Öffentlichkeit unbeantwortet bleiben.

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Im Fall der mutmaßlich von zwei Mädchen getöteten zwölfjährigen Luise aus Freudenberg wird es laut den Ermittlern möglicherweise keine offiziellen Antworten zum Tatgeschehen geben. „Wir können auch die rechtlichen Grenzen, die uns gesetzt sind, nicht überschreiten, nur weil die Bevölkerung meint, ein Anrecht zu haben, alle Hintergründe zu kennen“, sagte Oberstaatsanwalt Patrick Baron von Grotthuss von der Staatsanwaltschaft Siegen am Freitag.

Hintergrund sei der Persönlichkeitsschutz der Minderjährigen. „Wir werden natürlich vollumfänglich aufklären“, betonte er. Sollten sich die beiden geständigen Mädchen als Täterinnen bestätigen, „dann werden wir keine Aussagen zu Tatabläufen oder Motivlagen machen.“

„Wenn wir Auskunft erteilen können und dürfen, tun wir das sicherlich“, sagte von Grotthuss. In so einem speziellen Fall – Opfer und Tatverdächtige sind Kinder – müsse man auch mal akzeptieren, dass es gewisse Informationen gebe, die nicht für die Öffentlichkeit seien. „Damit muss man letztlich irgendwo leben“, sagte er.

Die Behördenlinie stieß auf Kritik. „Über die Motive und das Tatgeschehen auch nach Abschluss des Verfahrens nicht zu informieren, halte ich für nicht tragfähig. Dafür ist die Tat zu spektakulär“, sagte Medienrechtler Prof. Tobias Gostomzyk von der TU Dortmund auf Anfrage. „Der Schutz der mutmaßlichen Täterinnen ist zu achten, kann hier aber nicht jegliche Information ausschließen, zumal sie ja bereits gestanden haben.“

„Ich glaube nicht, dass das vor Gericht Bestand haben würde, weil die Tat so erschütternd und einzigartig ist – das öffentliche Interesse also erheblich. Es ist demnach nicht gerechtfertigt, jede Information darüber zurückzuhalten, sofern die Persönlichkeitsrechte angemessen geschützt werden“, sagte Gostomzyk. Andernfalls könnten die Medien ihren Auskunftsanspruch gerichtlich geltend machen.

Zwar dürfe die Behörde in einem laufenden Verfahren mit Blick auf die Gefährdung der Ermittlungen Informationen zurückhalten, aber spätestens mit Abschluss der Untersuchungen falle dieser Grund weg, sagte Gostomzyk.

Karl-Nikolaus Peifer, Professor für Medienrecht an der Universität Köln, sagte, dass der Persönlichkeitsschutz von Kindern in der Regel Berichterstattungsinteressen über Straftaten überwiege. Allerdings müssten Persönlichkeitsschutz und Berichtsinteresse abgewogen werden. Absolute Verbote gebe es ebenso wenig wie absolute Berichtspflichten. „Der Einzelfall entscheidet. Wenn Informationen verweigert werden, muss dies jedenfalls näher begründet werden“, sagte er. Dass derzeit Vorsicht überwiege, liege vermutlich an der noch unklaren Lage.

Zwei Mädchen im Alter von 12 und 13 Jahren hatten gestanden, Luise am 11. März in einem Waldstück an der Grenze von Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen erstochen zu haben. Gegen Strafunmündige könne man nicht ermitteln, „sodass eigentlich die Akte zu schließen wäre“, sagte von Grotthuss.

Die Ermittler dürften sich aber nicht dem Vorwurf aussetzen, im Zuge der Ermittlungen mögliche andere strafrechtliche Sachverhalte zu übersehen. Es gibt demnach aber derzeit keine Hinweise darauf, dass andere Personen als die beiden Mädchen beteiligt waren. „Natürlich werden wir auch hinterfragen, ob die Geständnisse, die wir bekommen haben, belastbar sind und sich tragfähig zeigen“, sagte von Grotthuss.

Polizei und Staatsanwaltschaft gingen am Freitag mit einer Mitteilung gegen Falschmeldungen in der Sache in die Offensive. „Offenkundig gibt es besonders in den sozialen Medien Spekulationen, die sich nicht mit dem aktuellen Stand der Ermittlungen decken“, hieß es. Die Ermittler baten, sich daran nicht zu beteiligen „und die Diskussionen über die Hintergründe des Vorfalls, auch zum Schutz der Angehörigen, nicht zu befeuern.“

Außerdem wurden auf Anordnung der Staatsanwaltschaft Social-Media-Kanäle der beiden Tatverdächtigen geschlossen. In sozialen Netzwerken hatte es auf den Profilen teils anonymer Nutzer zahlreiche Spekulationen und auch Drohungen und Hass gegen die Tatverdächtigen gegeben. Laut Polizei wird laufend geprüft, ob strafrechtlich Relevantes gepostet wird.

Die tatverdächtigen Mädchen haben gemeinsam mit ihren Familien Freudenberg verlassen. Sie seien vom Jugendamt außerhalb des häuslichen Umfeldes untergebracht worden, sagte ein Sprecher des Kreises Siegen-Wittgenstein am Freitag. Zuvor hatte die „Siegener Zeitung“ berichtet. Laut Staatsanwaltschaft sind sie in „geschützten Räumen“ untergebracht.

Der Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen warnte am Freitag vor Spekulationen und vorschnellen Erklärungsversuchen. Es sei jetzt wichtig, „wie es die ermittelnden Behörden gerade auch tun, mit Besonnenheit zu agieren.“

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Birgit Pielen