Koblenz/Mainz

Blitzer-Verfahren dürfte beim BGH landen: Geräte bleiben in Betrieb

Blitzer am Straßenrand
Ein Tempomessgerät steht am Straßenrand. Foto: Daniel Reinhardt/dpa/Archivbild

Der rheinland-pfälzische Rechtsstreit um die Verwertbarkeit von Blitzerdaten dürfte beim Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe landen und höchstrichterlich entschieden werden.

Lesezeit: 2 Minuten
Anzeige

Der Verfassungsgerichtshof (VGH) Rheinland-Pfalz in Koblenz entschied in einem am Freitag veröffentlichten Urteil, dass der Fall zunächst zurück zum Oberlandesgericht Koblenz muss. Dort wurde nach Auffassung des VGH nicht angemessen damit umgegangen.

Das Innenministerium begrüßte das VGH-Urteil, das sich in gewisser Weise von dem spektakulären saarländischen Blitzer-Urteil distanzierte. Fazit: In Rheinland-Pfalz bleiben die Blitzgeräte, um die es ging, in Betrieb. Alexander Gratz, der Anwalt des Autofahrers, um dessen Tempoverstoß es geht, zeigte sich ebenfalls «grundsätzlich zufrieden».

Der Autofahrer soll im Oktober 2017 auf der Autobahn 1 nahe Wittlich 34 Kilometer pro Stunde zu schnell gefahren sein. Er wurde von einer Radarfalle in einem Anhänger – einem sogenannten Enforcement Trailer des Typs PoliScan FM1 – geblitzt. Im Februar 2018 kassierte er eine Geldbuße von 120 Euro, gegen die er sich wehrte – zunächst vergeblich vor dem Amtsgericht Wittlich und dem Oberlandesgericht (OLG) Koblenz.

Der Autofahrer verlangt die Herausgabe von Messdaten des Blitzgeräts und Einsicht in die Auf- und Einbauvorschriften für das Gerät. Mit einer Verfassungsbeschwerde wandte er sich schließlich an den VGH, weil er sein Recht auf ein faires Verfahren und eine effektive Verteidigung verletzt sieht. Die Verfassungsrichter gaben der Verfassungsbeschwerde teilweise statt.

Vor dem OLG Koblenz hatte der Autofahrer einen Antrag auf Zulassung einer Rechtsbeschwerde gestellt. Dort wurde der Antrag von einer Richterin des Bußgeldsenats als unbegründet verworfen. Nach Auffassung des VGH hätte darüber aber der Bußgeldsenat in einer Besetzung mit drei Richtern befinden müssen. Denn nur in dieser Besetzung ist eine Vorlage des Ganzen beim BGH möglich – und die ist für die Verfassungsrichter angesichts abweichender Entscheidungen anderer Oberlandesgerichte zum Umgang etwa mit Aufbauanleitungen für Blitzgeräte angezeigt.

Zur Frage, ob Messdaten herausgerückt werden müssen, äußerte sich der VGH nicht direkt. Er betonte aber, Ordnungswidrigkeitsverfahren – wie bei Tempoverstößen – unterschieden sich von Strafverfahren. Bei solchen Massenverfahren könne von einer komplexen Beweisaufnahme abgesehen werden. Es müssten auch die Erfordernisse einer funktionierenden Rechtspflege in den Blick genommen werden.

«Diese Sichtweise entspricht unserer Rechtsauffassung», teilte Innenminister Roger Lewentz (SPD) in Mainz mit. Vor dem Hintergrund der VGH-Entscheidung würden die bisher in Rheinland-Pfalz von der Polizei eingesetzten Blitzer in Betrieb bleiben. Laut Ministerium gibt es insgesamt zehn solche Enforcement Trailer mit diesem Blitzgerät. Lewentz begrüßte, dass mit dem VGH-Urteil der Umfang der Verteidigungsrechte von Betroffenen in Bußgeldverfahren, insbesondere im Zusammenhang mit standardisierten Messverfahren, höchstrichterlich und mit bundesweiter Wirkung geklärt werden könne.

Der VGH in Koblenz betonte auch, dass die Rechtssprechung des Verfassungsgerichtshofes des Saarlandes «keineswegs zwingend» sei. Der hatte im Juli 2019 entschieden, dass Messungen des Blitzgeräts Traffistar S 350 des Herstellers Jenoptik in Bußgeldverfahren vorerst nicht verwendet werden dürfen, weil gewisse Messdaten nicht gespeichert würden, was das Grundrecht des betroffenen Autofahrers auf ein faires Verfahren und eine effektive Verteidigung verletze.

Der Anwalt des Autofahrers, Alexander Gratz, sagte im saarländischen Bous, eine sich nun abzeichnende bundesweite Klärung halte auch er für besser als einen rechtlichen Flickenteppich. «Es ist im Interesse aller Oberlandesgerichte in Deutschland, dass Rechtssicherheit herrschat.» Anders als das Innenministerium befürchtet Gratz aber so oder so keine Behinderung der Massenverfahren bei Tempoverstößen. Nur ein Bruchteil an geblitzten Autofahrern lege Einspruch ein – und nur dann, wenn er der Verdacht bestehe, dass etwas nicht stimme.