Andernach

Neue Extraktion besichtigt: Malu Dreyer ist von Finzelberg beeindruckt

Von Michael Fenstermacher
Malu Dreyer ist von Finzelberg beeindruckt Foto: Sascha Ditscher

Ob Hustensaft mit Efeu, Venentabletten „mit der Kraft des roten Weinlaubs“ oder Haarwuchskapseln auf Hirsebasis: Viele Produkte, denen Verbrauchern täglich in der Fernsehwerbung oder durch eigene Anwendung begegnen, bestehen zu einem Großteil aus Inhaltsstoffen, die in Andernach verarbeitet wurden – bei Finzelberg an der Koblenzer Straße.

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Dieser Fakt, der selbst viele Einwohner der Rheinstadt überraschen dürfte, ist für Malu Dreyer nichts Neues. Denn schon 2003 hatte die damalige Sozialministerin das Andernacher Werk erstmals besucht. Gestern nun kehrte sie als Ministerpräsidentin zurück, um sich die gerade fertiggestellte Extraktion vorführen zu lassen, in die 5,2 Millionen Euro investiert wurden. Dreyer zeigte sich erneut beeindruckt – vom technischen Fortschritt, aber auch vom sozialen Miteinander, das bei Finzelberg gelebt werde. Das betonte Malu Dreyer in einer Betriebsversammlung vor einem Großteil der 310 Beschäftigten.

Sascha Ditscher

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Extraktion heißt das Verfahren, mit dem bei Finzelberg aus mehr als 120 Heilpflanzen durch schonendes Erhitzen die Wirkstoffe gefiltert werden, die als Pulver für die Weiterverarbeitung in pflanzlichen Arzneimitteln das Werk wieder verlassen. „Unser Name steht auf keiner Verpackung, denn wir stellen selbst keine Arzneimittel her“, erklärt Geschäftsführer Peter Wolfgang Schmidt. Doch in ihrer Marktnische hat sich die zur Martin Bauer Group gehörende Finzelberg GmbH zu einem international führenden Unternehmen entwickelt, das mit seiner neuen Extraktionsstraße seinen jährlichen Rohstoffdurchsatz um 1000 Tonnen erhöhen kann, ein Plus von 20 Prozent, wie Schmidt weiter ausführte. Acht neue Jobs entstehen in der Produktion in Andernach, in der bisher 120 Menschen beschäftigt sind.

Im Juni soll der Neubau in Betrieb gehen und fit sein für die vernetzte Produktion nach dem Standard Industrie 4.0. Zwar sei die Digitalisierung noch nicht in allen Bereichen so weit fortgeschritten, betonten Dietmar Kaiser und Norbert Ries, Leiter für Produktion und Technik, bei der Führung durch die Anlage, doch von der Ministerpräsidentin gab es ein dickes Lob: „Sie müssen sich nicht verstecken“, sagte Dreyer und zitierte eine Studie ihres Wirtschaftsministers Volker Wissing laut der die meisten produzierenden Unternehmen im Land in Sachen Vernetzung noch am Anfang stehen.

Eng vernetzt sind bei Finzelberg auch Geschäftsleitung und Betriebsrat, der für das Dreisäulenmodell bei der Rentenabsicherung gerade für den Deutschen Betriebsrätepreis nominiert wurde. Rekordverdächtig ist zudem der Organisationsgrad der Belegschaft in der Gewerkschaft IG BCE. Insofern war die Betriebsversammlung für die derzeitige Bundesratspräsidentin der geeignete Rahmen, um die starke Sozialpartnerschaft im Land zu loben und eine sozialpolitische Kurskorrektur zu fordern: Bei der Krankenversicherung müsse es eine Rückkehr zur paritätischen Finanzierung geben. „Es kann nicht sein, dass jede Beitragserhöhung allein von den Arbeitnehmern getragen wird“, betonte sie. Dies widerspreche dem Modell der solidarischen Krankenversicherung. Die Arbeitgeber müssten daher wieder in die Ausgabenentwicklung im Gesundheitswesen einbezogen werden. Stark machte sich Malu Dreyer außerdem für einen erneuten Vorstoß zur Einführung einer Bürgerversicherung, für eine längere Bezugsdauer des Arbeitslosengelds I und ein höheres Schonvermögen, das bei Arbeitslosigkeit unangetastet bleibt.

Von unserem Redakteur Michael Fenstermacher