London

„Verzauberter Palast“: Das frühere Heim von „Lady Di“ enthüllt seine Geheimnisse

"Kleid für eine rebellische Prinzessin" von Designerin Vivienne Westwood im "verzauberten" Kensington-Palast in London.
"Kleid für eine rebellische Prinzessin" von Designerin Vivienne Westwood im "verzauberten" Kensington-Palast in London. Foto: Alexei Makartsev

Der Traum beginnt im Garten. Im Baum sitzt eine Hexe im roten Umhang. Sie rührt sich nicht. Wie seltsam. Am Eingang drückt eine junge Frau den Besuchern ein Faltblatt in die Hände. Eine Karte. „Hier wird umgebaut“, sagt die Britin ernst. „Mit dem Staub der Epochen sind einige Geheimnisse ans Tageslicht gekommen. Gehen Sie den Spuren von sieben Prinzessinnen nach, die in einer rätselhaften Welt gefangen waren“. Alles ist möglich im „verzauberten“ Kensington-Palast.

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London – Der Traum beginnt im Garten. Im Baum sitzt eine Hexe im roten Umhang. Sie rührt sich nicht. Wie seltsam. Am Eingang drückt eine junge Frau den Besuchern ein Faltblatt in die Hände. Eine Karte. „Hier wird umgebaut“, sagt die Britin ernst. „Mit dem Staub der Epochen sind einige Geheimnisse ans Tageslicht gekommen. Gehen Sie den Spuren von sieben Prinzessinnen nach, die in einer rätselhaften Welt gefangen waren“.

Auf der Treppe Flüstern, leises Gelächter. Es ist niemand zu sehen. Plötzlich steht man vor einer Frau, die auf einem „Wasserstrahl“ über einem Bett zu ruhen scheint. Aus dem Dunkel treten Dutzende Parfumflaschen hervor. Alle leer. „Wann haben sie zuletzt geweint“, fragt die Karte. Also, ich… „Orangefarbene Tränen. 28. August 2010“, steht auf einem der Zettel geschrieben, die an Fäden im „Zimmer der königlichen Trauer“ hängen. Aber wie...? Ganz einfach: Alles ist möglich im „verzauberten“ Kensington-Palast.

Die ganze Welt kennt sein goldglänzendes Tor, das im August 1997 in einem Blumenmeer versank: Der Prachtbau aus rotem Backstein hatte drei Jahrhunderte lang der britischen Königsfamilie als Zuhause gedient, zuletzt der „Prinzessin der Herzen“. Außer Diana hatten vier Königinnen (Caroline, Mary II., Anne, Victoria) und zwei Prinzessinnen (Charlotte, Margaret) im Kensington-Palast gelebt, der zu den bekanntesten Sehenswürdigkeiten Londons zählt. Die königliche Residenz soll bis zum 60. Thronjubiläum der Queen 2012 für umgerechnet 12,5 Millionen Euro umgebaut werden. Statt den Palast zu schließen, beschloss die Stiftung Historic Royal Palaces (HRP), in einer neuen Ausstellung das Publikum in eine exotische Traumwelt zu entführen, die Mode, Schauspiel und multimediales Design vereint.

„Wir nehmen alle auf eine emotionale Reise durch die Geschichte mit“, erklärt HRC-Chefin Alexandra Kim. Dazu verwandelte sie den Palast in ein märchenhaftes Museum der Gefühle mit 13 Räumen, die mittels geheimnisvoller Installationen, interaktivem Theater, gespenstischer Klangwelten und Videoprojektionen die Schicksale ihrer ehemaligen Bewohner zeigen. Die Besucher sammeln versteckte „Hinweise“ auf die Identitäten der Royals und kommen sich dabei wie in „Alice in Wonderland“ vor. Kim gewann für ihr Projekt junge und etablierte Modeschöpfer, deren Kreationen die Phantasien der Zuschauer beflügeln. So stammt das hauchzarte Kleid der auf der wasserähnlichen Stoffbahn „schwebenden“ Frau im “Zimmer der Trauer“ vom Designer-Duo Aminaka Wilmont. Die Frau ist Queen Mary II., die hier über ihr kinderloses Schicksal viele Tränen vergossen haben soll.

Bei der magischen Zeitreise durch die Leben der Prinzessinnen stößt man auf einen rotblauen „Thron der Wünsche“, der die Fähigkeit verleiht, die Welt verändern zu können… oder doch nicht? Der „Raum der königlichen Geheimnisse“ erzählt vom „wilden Jungen“ Peter, der 1726 als „Haustier“ zur Belustigung des Hofes im Kensington-Palast lebte. Als Nächstes sieht man das von Vivienne Westwood entworfene „Kleid für eine rebellische Prinzessin“ – eine unheimliche kopflose Gestalt auf der marmornen Treppe, die Charlotte (1796-1817) darstellt. Die jung verstorbene Tochter von König George IV. und Caroline von Brunswick-Wolfenbüttel scheint vor ihrem tragischen Schicksal fliehen zu wollen. Zwei weitere „enthauptete“ Prinzessinnen – Diana und Margaret – tanzen in ihren Lieblingskleidern in einem Saal, aus dessen Boden ein Birkenwald wächst.

In der „Galerie des Spiels und Krieges“ kauern zwei grau gekleidete Gestalten auf dem Boden, die mit Hunderten Spielzeugsoldaten gewaltige Schlachten nachstellen. Mal als stumme Gespenster mit Lampen unterwegs, mal in eine Meditation über fremden Tagebuchseiten versunken, führen die Schauspieler der Truppe Wildworks aus Cornwall die Besucher durch die königlichen Welten von Schmerz, Intrigen, Sehnsucht und Liebe. Eines der Zimmer ist von Glück erfüllt: Im „Raum der schlafenden Prinzessin“ wachte am 20. Juni 1837 die junge Victoria auf, um wenige Stunden später Königin zu werden und Weltgeschichte zu schreiben. Ihr von William Tempest designtes, weißes Kleid aus 2000 Origami-Papiervögeln schwebt unter der Decke als Symbol der Freiheit und in Erfüllung gehender Träume.

Walzerklänge. Wirbelnde Schatten huschen über die Wände. Die Zeitreise geht in einer verdunkelten Galerie zu Ende, die sich in einen Ballsaal verwandelt hat. Laut der Karte des „verzauberten Palastes“ tanzen hier alle sieben Prinzessinnen zusammen. Wer in die Spiegel an den Wänden schaut, soll mit ein wenig Glück ihre geisterhaften Gestalten sehen können. Charlotte? Oder war es Diana? Nein, nur eine verschwitzte Touristin, die ins Palastcafé eilt.

Von unserem Londoner Korrespondenten Alexei Makartsev

Die Ausstellung „Enchanted Palace“ ist bis Juni 2012 offen. Information und Preise unter www.hrp.org.uk/kensingtonpalace. Am 3. Und 4. Juli lädt der Kensington-Palast zusätzlich alle Gäste zur kostenlosen Party „Großer Tanz“ im königlichen Garten ein, bei der man verschiedene Tanzarten erlernen kann.