Knollenpilz kultiviert: Das Trüffelmekka liegt an der Ahr

Jean-Marie 
Dumaine mit seinem Hund auf Trüffeljagd: Alba ist gerade dabei zu lernen, wie man die unterirdisch wachsenden Pilze aufspürt. Vorgängerhund Max, begabter als ein Trüffelschwein, starb vor einem Jahr. Am Tag zuvor hatte er seine letzten Trüffeln gefunden.
Jean-Marie 
Dumaine mit seinem Hund auf Trüffeljagd: Alba ist gerade dabei zu lernen, wie man die unterirdisch wachsenden Pilze aufspürt. Vorgängerhund Max, begabter als ein Trüffelschwein, starb vor einem Jahr. Am Tag zuvor hatte er seine letzten Trüffeln gefunden. Foto: Vollrath

Als Jean-Marie Dumaine 2002 beim Spaziergang an der Ahr Trüffeln fand, feierte das die internationale Presse als Sensation. Jetzt gelang ihm der zweite Coup: den im Verborgenen wachsenden Knollenpilz zu kultivieren. Inzwischen, sagen Experten, ist Sinzig die deutsche Trüffelhauptstadt.

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Von Nicole Mieding

Die einen zelebrieren es grammweise wie Gold auf dem Teller, anderen vergeht schon beim strengen Geruch der Appetit: Trüffeln spalten selbst genusswillige Gemüter. Zudem ranken sich um kaum ein Nahrungsmittel derart viele Mythen – was nicht zuletzt an den horrenden Preisen liegt: Bis zu 9000 Euro werden etwa für ein Kilo Albatrüffel aufgerufen. Trüffeln sind das teuerste Lebensmittel der Welt. Da muss es einen schon fast wundern, dass angesichts des jüngsten Fundes in Sinzig (Kreis Ahrweiler) keine Goldgräberstimmung ausbricht.

Mitte November verkündete der Sinziger Koch Jean-Marie Dumaine die Sensation: In einem Waldstück des Sinziger Stadtteils Bad Bodendorf hatte er eine rund 40 Gramm schwere Trüffel der Art Tuber brumale gefunden. Für den Kreis Ahrweiler, wo Dumaine seit Jahren erfolgreich auf Trüffelpirsch geht, nichts Besonderes. Was den Fund zur Sensation macht, ist der Umstand, dass es sich bei der unansehnlichen schwarzen Knolle um die erste Wintertrüffel handelt, die in Deutschland in einem künstlich angelegten Trüffelhain gewachsen ist. Ein Missverständnis wäre, von Ernte zu sprechen. Denn züchten lassen sich die teuren Edelpilze nicht. Wer anstrebt, sie zu kultivieren, kann ihnen lediglich ein angenehmes Umfeld schaffen – und hoffen, dass was wächst.

In dieser Hoffnung haben der Koch Dumaine, der Pilzkundler Frank Krajewski und ehrenamtliche Helfer vor ziemlich genau neun Jahren – am 26. November – in Bad Bodendorf einen verbuschten Weinberg gepachtet, gerodet und auf dem 3000 Quadratmeter großen Waldstück eine Truffière angelegt. Rund 300 Bäume haben sie dafür gepflanzt, vor allem Haselnusssträucher, Eichen und Schwarzkiefern – Wirtspflanzen, die der kostbare Knollenpilz bevorzugt. Zuvor wurden die Setzlinge an den Wurzeln mit püriertem Trüffel präpariert. „Wenn wir hier keine Trüffel ernten, haben wir zumindest Haselnüsse in rauen Mengen“, witzelt er. „Aber mit etwas Glück setzt nach der Prozedur der noch nicht ganz erforschte Vorgang der Mykorisierung ein“, erklärt Krajewski, der ehrenamtlicher Sachverständiger der Deutschen Gesellschaft für Mykologie (DGfM) im Kreis Ahrweiler ist.

Mit der Methode wird schon seit dem 19. Jahrhundert experimentiert, erklärt der Pilzkundler. 80 Prozent aller Trüffeln aus Frankreich entstammen Truffièren. Die Edelpilze gedeihen, wenn sich Trüffelsporen an unterirdischen Wurzeln ansiedeln und der Knollenpilz mit dem Wirtsbaum eine Art Wohngemeinschaft eingeht. Eine Symbiose, von der beide Partner profitieren: Der Untermieter hilft dem Baum, mehr Wasser und Mineralien aufzunehmen, und bekommt im Gegenzug von ihm Zucker, den er zum Wachstum braucht, jedoch aus eigener Kraft nicht bilden kann. Dass dieses Experiment nach neun langen Jahren des Wartens nun erstmals im Kreis Ahrweiler gelungen ist, wundert Krajewski nicht. Auf dem Areal in Bad Bodendorf hat der Wind Lösswände mit Material aus der vergangenen Eiszeit angetragen. Der kalkhaltige Boden hat einen hohen pH-Wert – für Trüffeln unabdingbar.

„Es bleibt noch immer eine wilde Ernte“, betont Dumaine, der sichtlich beglückt im Trüffelhain steht. Befehlen zu wachsen kann man den Pilzen schließlich nicht. Alba hingegen hört auf Kommando. „Such!“, befiehlt Dumaine seinem eineinhalb Jahre alten Golden Retriever, der sich nicht lang bitten lässt. Alba rast los und beginnt recht schnell, am Fuß einer Steineiche an zu buddeln. Sein Herrchen folgt zügig, wirft sich auf den Boden und schnüffelt wie sein Hund. Dann klappt Dumaine eine kleine Spitzhacke aus, gräbt an der angezeigten Stelle ein Loch und stößt auf einen kleinen Tunnel: „Nein“, ruft er und winkt enttäuscht ab. Diesmal ist's nur ein Mauseloch.

Dennoch lässt der Fund vom November weiter hoffen. Der französische Trüffelexperte Gérard Chevalier hat dem künstlich angelegten Trüffelbiotop einen hohen Grad der Mykorisation attestiert. Und: Der gerade gefundene Tuber brumale, der nach Roquefort riecht und gut zu Pasta mit zerlassener Butter schmeckt, lässt sich aller Erfahrung nach gut kultivieren. Kulturen in Lothringen liefern Spitzenerträge von 10 Kilo pro Hektar. Wer weiß, dass der Tagespreis für frische Wintertrüffeln aus Frankreich derzeit bei 1700 Euro liegt, beginnt blitzschnell zu rechnen. Doch Fachmann Krajewski bremst die sacht aufkeimende Goldgräberstimmung. Mengenvorhersagen hält er für unseriös – der Erfolg der Kultur hängt zu sehr vom Wetter und anderen Launen der Natur ab.

Beim Anlegen von Deutschlands erster Truffière ging es dem Koch und Trüffelfan Dumaine auch gar nicht ums große Geschäft. Vielmehr ist sie ein Trick, um seine Leidenschaft zu legalisieren. Denn Trüffeln stehen in Deutschland auf der Roten Liste: In freier Natur dürfen sie nicht gesammelt werden. Ausgraben darf man sie nur auf Privatgrund oder künstlich angelegten Gärten. In diesem Fall darf mit den Edelpilze auch gehandelt werden. Weil Dumaine beim Trüffelfinden ein regelrechter Glückspilz ist, hat ihm die Struktur- und Genehmigungsdirektion (SGD) in Koblenz sogar eine behördliche „Genehmigung zur Entnahme von heimischen Trüffeln“ erteilt. Sie ist das Resultat seines ersten Sensationsfunds, mit dem der Restaurantbesitzer am 15. Oktober 2002 international Schlagzeilen schrieb.

An diesem Tag machte sich der Restaurantbesitzer, überregional für seine Wildkräuterküche bekannt, mit seinem Hund Max und einer Handvoll Journalisten auf den Weg. Er wollte zeigen, dass man an der Ahr Trüffeln finden kann – und brachte zur Expedition siegessicher Champagner mit. Was dann passierte, beschreibt Dumaine heute noch als skurril: Binnen Minuten hatten die Hunde von Gérard Meunier, dem dazu geladenen Vorsitzenden der lothringischen Trüffelvereinigung, die ersten Trüffeln gefunden. Satte 200 Gramm! Am Nachmittag buddelt Dumaines Mischlingshund Max weitere 45 Trüffeln aus. Tags darauf machte der Fund international Schlagzeilen. Fortan wussten Feinschmecker, wo der Kreis Ahrweiler liegt. Die Kreisverwaltung schickte ein Dankesschreiben, verbunden mit der Erinnerung an das Trüffelsammelverbot. Im Restaurant durfte der Koch seine Funde nicht verwerten. Er rettete sich aus der Klemme, indem er sie an Gäste verschenkte – in Gestalt eines Lieblingsgerichts: Trüffelcrostini. Kurz darauf stellte ihm die SGD besagte Genehmigung aus, die ihm das Sammeln von Trüffeln zu Forschungszwecken erlaubt. Es genügt, ein Scheibchen der Knolle unterm Mikroskop zu bestimmen. Der große Rest darf guten Gewissens gegessen werden.

Inzwischen ist Sinzig zu Deutschlands Trüffelhauptstadt geworden: „Es gibt derartig viele Fundstellen, dass ich aufgehört habe, sie zu markieren“, sagt Krajewski. Jeden Oktober findet im Sinziger Schloss ein Trüffelsymposium statt. 2005 hat Dumaine zu diesem Zweck den Ahrtrüffel-Verein gegründet, der an der Spitze der deutschen Trüffelbewegung steht. Auch die erste Truffière der Republik scheint ein Erfolg zu werden. Wer jetzt erwägt, zum Fest ein Gericht mit Trüffeln zu servieren, muss dennoch den Handel konsultieren. Dort haben Trüffel gerade Hochsaison, obschon es die Edelpilze das ganze Jahr über gibt: Sommertrüffeln von Mai bis Ende September, dann Burgundertrüffeln bis Ende Januar.

Piemonttrüffeln, das weiße Gold aus der Region Alba, haben von 1. Oktober bis 31. Dezember Saison. Die schwarze Konkurrenz aus dem französischen Périgord gibt es etwas länger – von Mitte November bis Mitte März. „Wenden Sie sich an einen Händler Ihres Vertrauens“, rät Krajewski angesichts billiger, geschmacksneutraler Chinatrüffeln, die unkundigen Käufern gern untergeschoben werden. „Sie müssen fest sein“, sagt der Experte, und: „Lassen Sie sich vom Kilopreis nicht schrecken – 30 Gramm für vier Personen genügen. Das ist billiger als ein Steinpilzgericht!“ Schnell zubereitet allemal, denn Trüffel mögen's einfach: über Butternudeln, geröstetes Weißbrot oder Omelett gehobelt. „Genial!“