Debütalbum: Oslo-Lena bringt Soul in die Indie-Disco

Lena Meyer-Landrut mit Kassettenrekorder.
Lena Meyer-Landrut mit Kassettenrekorder. Foto: Universal

Es ging verflucht schnell mit Lena Meyer-Landrut. In wenigen Wochen nur wurde die sympathische Abiturientin aus der völligen Anonymität in den heftigen Strudel von Prominenz und Popkultur katapultiert. In der Castingshow „Unser Star für Oslo“ (USFO) zur Vertreterin Deutschlands beim „Eurovision Song Contest“ am 29. Mai gewählt, wurde aus dem sympathischen Mädchen der aktuelle Liebling der Nation. Jetzt liegt ihr Debütalbum vor: „My Cassette Player“

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Es ging verflucht schnell mit Lena Meyer-Landrut. In wenigen Wochen nur wurde die sympathische Abiturientin aus der völligen Anonymität in den heftigen Strudel von Prominenz und Popkultur katapultiert. In der Castingshow „Unser Star für Oslo“ (USFO) zur Vertreterin Deutschlands beim „Eurovision Song Contest“ am 29. Mai gewählt, wurde aus dem sympathischen Mädchen der aktuelle Liebling der Nation – schlüpfrige Erhitzung des pseudo-prüden Boulevards inklusive.


Anfangs wirkte diese immense Entwicklung zu rasant – man schaue sich nur einmal das Video zu ihrer Eurovisions-Single „Satellite“ an, das noch allzu stark den Charme des Improvisierten, Ungefähren, Überstürzten verströmt. Nun liegt mit „My Cassette Player“ (Universal) das Debütalbum der 18-Jährigen vor. Und Lena, die ihres Nachnamens verlustig gegangen ist, scheint bei sich angekommen zu sein. Zumindest bei dem Image, dem Sound und dem Songrepertoire, die zu ihr passen. Oder die ihr Mentor Stefan Raab samt Gefolge als passend erachten. Das kann man sich aussuchen.
Die durchgestylte Plattenfirma-Fotografie zeigt eine kesse junge Frau in genau den richtigen Jeans und Strickoberteilen. Auf dem Plattencover trägt sie eine Wollmütze, wie sie in der hippen Indie-Disco gerade zum Dresscode gehört. Unaufgeregt, souverän, selbstbewusst: So wirkt diese Lena. Und so klingt sie auch.
Die Platte beginnt mit „Satellite“, ihrem inzwischen etwas überhörten Hit. Schlau ist es dennoch, die Single an den Anfang zu stellen, denn anderswo würde sie wie ein Fremdkörper im Album wirken, so rasant ist die hörbare Entwicklung Lenas inzwischen vorangeschritten. Das wird Stefan Raabs Verdienst sein, der die Platte größtenteils sehr fein produziert und die meisten Songs auch geschrieben hat. Immerhin: Lena wird als Koautorin der Texte aufgeführt. 8 der 13 Lieder stammen von Raab und dürfen als neu bezeichnet werden. Zudem bleibt Lena ihrem bevorzugten Cover-Revier treu und interpretiert „My Same“ der britischen Soulsängerin Adele, „Not Following“ der englischen Singer/Songwriterin Ellie Goulding und „Mr. Curiosity“ des US-Sängers Jason Mraz. „Bee“ und „Love Me“ kennt man noch aus der USFO-Finalshow.
Stefan Raab verordnet seinem Schützling einen durchweg kristallenen, funkelnden Sound. Weil vieles im angesagten Britsoul-Kontext steht, ist die Assoziation „Amy Winehouse ohne Wein“ naheliegend. Tatsächlich swingt aber eben das Schlagzeug etwa in „You Can’t Stop Me Now“ genau wie in deren Kooperationshit „Valerie“ (mit Mark Ronson).
„Touch An New Day“ ist dann aber gerader Indie-Gitarren-Pop, irgendwo zwischen Alanis Morissette und vielleicht Aura Dione. Ein schwerer Bass schleppt sich in „I Just Want Your Kiss“, Streicher lassen den Song dann fliegen. Das steht Lena ebenso gut wie sanfter Akustik-Pop. „Wonderful Dreaming“ ist so eine Nummer: Ah- und Uh-Chöre begleiten die Stimme Meyer-Landruts. Stärkstes Stück ist der Titelsong – flockiger Pianopop, sachte instrumentiert und wirklich stark gesungen. Das ist volles Lena-Programm, inklusive des grotesk verdrehten britischen Fantasiedialekts. Ihre Stimme hat eben Wiedererkennungswert, dieses leichte Danebensingen hat seinen Charme. Das ist schräg, aber „schräg“ ist eben das neue „cool“.
Lenas Debüt ist also ein gelungenes Stück massenkompatibler Musik – vielleicht in der Summe etwas zu eintönig geraten im Mid-Tempo und gestreckt um erwartbare wie entbehrliche Pianoballaden. Doch diese turbogereifte junge Künstlerin zeigt auf „My Cassette Player“ ihr ungeheures Potenzial. Unnötig zu erwähnen, dass die Platte in den Download-Charts bereits durch die Decke schießt. Es geht bei Meyer-Landrut eben alles verflucht schnell.

Von Tim Kosmetschke

Mehr zu Lena im Blog des Autors.