Kommentar: Kurt Beck wird Rot-Grün auf eine solide Basis stellen müssen

Dietmar Brück kommentiert.
Dietmar Brück kommentiert. Foto: Jens Weber

Wer am Wahlabend, spät in der Nacht, erlebt hat, wie Kurt Beck von den Grünen gefeiert wurde, hat alle schwarz-grünen Koalitionsträume platzen sehen. Der Widerstand gegen die Laufzeitverlängerung der deutschen Kernkraftwerke und das atomare Unglück in Japan haben SPD und Grüne zusammengeschweißt.

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Wer am Wahlabend, spät in der Nacht, erlebt hat, wie Kurt Beck von den Grünen gefeiert wurde, hat alle schwarz-grünen Koalitionsträume platzen sehen. Der Widerstand gegen die Laufzeitverlängerung der deutschen Kernkraftwerke und das atomare Unglück in Japan haben SPD und Grüne zusammengeschweißt. Und wem das nicht genug ist, der werfe einen Blick in die Wahlprogramme. Grüne und SPD sind sich weitaus näher als Grüne und CDU.

Natürlich wird sich das Spitzen-Duo Eveline Lemke und Daniel Köbler mit der CDU-Vorsitzenden Julia Klöckner und ihrem Team an einen Tisch setzen. Alles andere wäre eine grobe Verletzung demokratischer Gepflogenheiten. Doch niemand glaubt ernsthaft daran, dass sich daraus Koalitionsverhandlungen ergeben.

Einer schwarz-grünen Ehe würde die grüne Basis derzeit keinen Segen erteilen. Mit dem Herzen hat die Ökopartei längst entschieden. Und dass man das so deutlich spürt, kann man unprofessionell oder sympathisch nennen. Denn natürlich hätten die Grünen höher pokern können, wenn sie eine Weile zweigleisig gefahren wären. So kann sich Ministerpräsident Beck ziemlich sicher sein: Irgendwie wird er sich mit seinem neuen politischen Bündnispartner schon einigen. Das stärkt seine Verhandlungsposition.

Becks Augenmerk richtet sich nun darauf, dass das Fundament dieser für Rheinland-Pfalz so ungewöhnlichen Konstellation solide beschaffen ist. Daher kann man davon ausgehen, dass der Koalitionsvertrag besonders detailliert und wasserdicht ausgehandelt wird. Zudem wird die SPD darauf achten, dass die Grünen überzeugende Personalvorschläge machen. Dabei nicht arrogant zu wirken, ist eine ganz eigene Herausforderung für die Genossen.

Kurt Beck und die SPD können es sich einfach nicht leisten, eine potenzielle Krisen- und Pannen-Koalition auf den Weg zu bringen. Sonst könnte das rot-grüne Politik-Experiment schon bald im Desaster enden. Das wäre ein bitterer Abgang für Kurt Beck als Ministerpräsident.

Von Rot-Grün muss vielmehr früh das Signal ausgehen, dass hier solide, pragmatische Politiker am Werk sind, die den Wertehorizont und das Lebensgefühl der Rheinland-Pfälzer kennen und respektieren. Dazu könnte eine neue Kultur der Bürgerbeteiligung beitragen. Dabei wäre zudem hilfreich, es mit dem Reformeifer nicht zu übertreiben und die Bürger Schritt für Schritt mitzunehmen. Deswegen muss das Wort vom „sozial-ökokologischen Aufbruch“ keine Leerformel sein.

Rheinland-Pfalz ist nicht über Nacht rot-grün geworden, sondern noch immer ein strukturell konservatives Bundesland. Nach wie vor wählt die Mehrheit CDU, es sei denn, es ist Landtagswahl. Und mit Julia Klöckner gewinnen die Christdemokraten an Stärke. Wenn Rot-Grün keine kurze Episode in der Geschichte des Landes werden soll, müssen die Regierenden das Ohr nah am Volk haben. Das ist kein Populismus, sondern gelebte Demokratie.

E-Mail: dietmar.brück@rhein-zeitung.net