Neue Wärmepumpen und Ladestationen können ab Januar reguliert werden - Sprecher der Energienetze Mittelrhein erklärt Details
Wenn Netze überlastet sind: Betreiber dürfen Strombezug künftig einschränken
Strompreise
Sollten Stromnetze überlastet sein, dürfen Netzbetreiber ab dem neuen Jahr den Strombezug von steuerbaren Geräten wie Wärmepumpen oder Ladestationen temporär einschränken. Sie ziehen mehr Strom als die meisten Haushaltsgeräte. Foto: Christoph Schmidt/dpa
Christoph Schmidt. picture alliance/dpa

Netzbetreiber dürfen ab Januar den Strombezug von neu in Betrieb genommenen Wärmepumpen oder Ladestationen einschränken, sollte eine Überlastung des Stromnetzes drohen. Was das bedeutet, erklärt ein Sprecher der Energienetze Mittelrhein, einer der größten Netzbetreiber im nördlichen Rheinland-Pfalz.

Strompreise
Sollten Stromnetze überlastet sein, dürfen Netzbetreiber ab dem neuen Jahr den Strombezug von steuerbaren Geräten wie Wärmepumpen oder Ladestationen temporär einschränken. Sie ziehen mehr Strom als die meisten Haushaltsgeräte. Foto: Christoph Schmidt/dpa
Christoph Schmidt. picture alliance/dpa

Wärmepumpen und heimische Ladestationen für E-Autos, die Wallboxen, sind sogenannte steuerbare Verbrauchseinrichtungen. Sie ziehen mehr Strom als die meisten anderen Haushaltsgeräte – und ihre Zahl nimmt stetig zu. Stichwort: Wärme- und Energiewende. Vor diesem Hintergrund hat die Bundesnetzagentur jetzt angekündigt, dass Netzbetreiber künftig den Strombezug dieser Geräte zeitweise regulieren können, sofern eine Überlastung des Stromnetzes droht.

Diese Regelung gilt ab Januar, sie betrifft ausschließlich Geräte, die ab diesem Stichtag neu in Betrieb genommen werden. „Bereits bestehende Anlagen sind von der Begrenzung ausgenommen“, erklärt Marcelo Peerenboom, Sprecher der Energienetze Mittelrhein (ENM). Die Netzgesellschaft in der Unternehmensgruppe Energieversorgung Mittelrhein (EVM) mit Sitz in Koblenz ist für 7000 Kilometer Stromleitungen insbesondere im nördlichen Rheinland-Pfalz zuständig. Was es mit der Regulierung des Strombezugs auf sich hat, erklärt Peerenboom exemplarisch für alle Netzbetreiber. Wir geben einen Überblick.

Wie wirkt sich die Begrenzung des Strombezugs aus?

Laut Bundesnetzagentur dürfen die Netzbetreiber den Strombezug zeitweilig auf 4,2 Kilowatt senken – dies gilt ausschließlich für Wärmepumpen und Wallboxen. Der normale Haushaltsstrom sei nicht von der Steuerung betroffen, betont Peerenboom. Ausgenommen sind auch Nachtspeicherheizungen.

Als die Leitungen vor vielen Jahren gebaut wurden, hat ja noch niemand an Wärmepumpen und Elektromobilität gedacht.

ENM-Sprecher Marcelo Peerenboom

Gedrosselt auf 4,2 Kilowatt, habe eine Wärmepumpe immer noch genügend Energie, um problemlos zu laufen. Wohnungen und Häuser könnten also uneingeschränkt geheizt werden, versichert der ENM-Sprecher.

Wärmepumpe
Eine Wärmepumpe läuft laut Bundesnetzagentur auch mit gedrosseltem Stromzug normal weiter - und liefert genügend Wärme.
Daniel Reinhardt. picture alliance/dpa

Was E-Autos betrifft, laden sie unter einem gesteuerten Strombezug langsamer. Die private Wallbox hat in der Regel eine Ladeleistung von 11 Kilowatt. Wenn sie temporär nur 4,2 Kilowatt liefern kann, dauert das Laden länger: In etwa zwei Stunden, sagt die Bundesnetzagentur, können E-Autos eine Reichweite von etwa 50 Kilometern nachladen.

Wieso wird die Regulierung des Strombezugs notwendig?

Der Schritt der Bundesnetzagentur hat laut Peerenboom rein präventiven Charakter, um die Stromversorgung sicherzustellen: Die Zahl von Wärmepumpen und Ladestationen steigt, allerdings ist der größte Teil des Niederspannungsnetzes in Deutschland derzeit noch nicht auf den zunehmenden Stromverbrauch ausgerichtet. „Als die Leitungen vor vielen Jahren gebaut wurden, hat ja noch niemand an Wärmepumpen und Elektromobilität gedacht“, sagt Peerenboom. So könne es zu einer Überlastung führen, sollte der Strombezug innerhalb eines Verteilernetzes schlagartig hochlaufen.

Ein denkbares Szenario für diesen Fall: In einer Nachbarschaft – oder vielmehr einem Verteilernetz – werden gleichzeitig diverse E-Autos an Wallboxen gestöpselt, um zu laden. Je nach Zustand des Stromnetzes könne eine solche Situation zu sehr fordern, meint Peerenboom.

Wallbox muss sein
Das E-Auto an einer Wallbox zu laden, wird länger dauern als üblich, sollte der Strombezug zeitweise reduziert werden.
Uli Deck. picture alliance/dpa

Dann kann eingegriffen und der Strombezug begrenzt werden, bis das Problem gelöst ist. Wie lange dieser Prozess dauert, ist individuell. Wärmepumpen wie auch die Ladestationen dürfen keinesfalls vollständig abgestellt werden, dies sei nicht mehr zulässig, sagt die Bundesnetzagentur.

Wie häufig ist künftig damit zu rechnen, dass der Strombezug reduziert wird?

Die Bundesnetzagentur geht davon aus, dass Eingriffe der Netzbetreiber „nur in Ausnahmefällen“ erfolgen müssen. Diese Einschätzung teilt auch Peerenboom für das ENM-Netz im nördlichen Rheinland-Pfalz. Bisher habe die ENM noch niemals regulierend eingreifen müssen. Sollte es doch zu dem Fall kommen, müssen Netzbetreiber die Steuerung transparent machen – und zwar auf einer gemeinsamen Internetplattform. Die Seite www.vnbdigital.de existiert bereits, erklärt der Sprecher, werde aber derzeit mit Daten gefüttert.

Als Gegenleistung für die Steuereingriffe sollen Haushalte mit einem steuerbaren Gerät eine finanzielle Ermäßigung erhalten. Lohnt sich das?

Hier gibt es zwei Möglichkeiten: Zum einen ist eine jährliche Pauschale beim Netzentgelt denkbar. Laut Bundesnetzagentur ist hier, je nach Netzgebiet, ein Rabatt von 110 bis 190 Euro jährlich denkbar. Zum anderen lässt sich der Netzentgelt-Arbeitspreis um 60 Prozent für das jeweilige Gerät reduzieren, also ein Teil des Strompreises.

Ob dieser Preisnachlass auch jene dazu bewegt, ihr Einverständnis für eine Drosselung zu geben, die bereits eine Wärmepumpe und/oder eine Ladestation haben und somit nicht automatisch unter die neue Regelung fallen? Peerenboom bezweifelt es: „Ich persönlich würde die Finger davon lassen“, sagt er. Zwar sei nicht damit zu rechnen, dass der Strombezug häufig gedrosselt werde. Sollte es aber doch dazu kommen und das E-Auto vor einer längeren Fahrt nicht ausreichend geladen werden können – es gäbe schönere Überraschungen.

„Nur in Ausnahmefällen“

Die Bundesnetzagentur dazu, wie häufig mit Stromregulierungen zu rechnen ist.

Generell gilt: Wer bereits eine bestehende Anlage hat und bislang keine Vereinbarung mit dem Netzbetreiber über eine Steuerung des Stroms abgeschlossen hat, ist dauerhaft von der neuen Reglung ausgenommen, sofern er oder sie nicht freiwillig mitmachen. Wer bereits eine solche Vereinbarung getroffen hat, für den greifen Übergangsregelungen bis 2028.

Die Bundesnetzagentur empfiehlt, Stromnetze „mit hohem Tempo“ zu optimieren, zu digitalisieren und auszubauen. Wie steht es hierum im Bereich der ENM?

Es sei ein steter Prozess, die Netze bedarfsgerecht zu ertüchtigen, sagt Peerenboom. Ziele und Maßnahmen für das Netzgebiet der ENM sind im alle zwei Jahre aktualisierten Netzausbauplan definiert. Um die Leistungsfähigkeit eines Verteilernetzes zu erhöhen, reiche es manchmal schon aus, Einstellungen am Stromverteiler zu optimieren. In der Regel, so der ENM-Sprecher, „muss allerdings ein neues, stärkeres Stromkabel in die Erde verlegt werden“.

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