Jahrzehntelang haben Christen aus der Region Tausende Euro für ein Kinderheim in Bolivien an die Stiftung „Arco Iris“ des Pfarrers Claus Weber gespendet, der mittlerweile als Missbrauchstäter überführt worden ist. Zwei Jahre vor seinem Tod 2020 hat Weber die Stiftung aufgelöst, ohne die Spender zu informieren (wir berichteten). Die Mittel sind aber weiter gezahlt worden. Teils per Dauerauftrag. Was ist mit dem vielen Geld passiert? Das wollen vor allem die Spender aus der Kirchengemeinde Koblenz-Metternich endlich wissen, in der Weber von 1976 bis 1984 Pfarrer gewesen ist und auf unzähligen Bolivien-Abenden kräftig die Werbetrommel für „Arco Iris“ gerührt hat.
Wie Recherchen unserer Zeitung ergeben haben, sind die Stiftungsgelder an den gemeinnützigen Verein Cristo Vive geflossen, der arme und ausgegrenzte Menschen in Chile, Bolivien und Peru unterstützt. Das wird uns auf Anfrage auch von der Vorsitzenden bestätigt. „Zum 1. Juli 2021 betrug der Saldo von Arco Iris 467.357 Bolivionos“, sagt Gabriele Braun. Das entspreche rund 68.000 Dollar. Oder 62.000 Euro. „Wir erhielten die Überweisungen von Arco Iris in Bolivianos ausgezahlt“, heißt es von Gabriele Braun als Erklärung. Nur so wenig?
Keine konkreten Zahlen
Tatsächlich handelt es sich bei der Summe wohl nur um Restbeträge. Denn die ersten Spenden sind demnach bereits 2019 auf dem Konto von Cristo Vive gelandet – und dann auch nach Bolivien überwiesen worden, um Webers Kinderheim zu unterstützen. Gabriele Braun hat dazu Schwester Karoline kontaktiert, die Cristo Vive in den südamerikanischen Ländern aufgebaut und das Projekt betreut hat.
„Cristo Vive war damals permanent in Verhandlungen mit dem Vorstand von Arco Iris und hat gleichzeitig den monatlichen Unterhalt aus den von der Bolivien-Hilfe Arco Iris überwiesenen Geldern bis zum 30. Juni 2021 bezahlt“, schreibt Schwester Karoline. Wie viel genau? Konkrete Zahlen nennt sie nicht. Bedingung sei es dabei gewesen, dass Cristo Vive das Kinderheim übernimmt. Aber dazu ist es nie gekommen. „Daraufhin stellten wir unsere Beiträge ein.“
Die verbliebenen knapp 62.000 Euro werden demnach zunächst auf einem Konto geparkt. „Wir haben diese Summe weder im Jahr 2021 noch 2022 angetastet“, beteuert Schwester Karoline gegenüber unserer Zeitung. 2023 sollen sie nun aber für eine Kinderkrippe und eine Kita mit 130 armen Jungs und Mädchen eingesetzt werden. Ist das auch im Sinne der Spender? Sie werden nicht gefragt. Immerhin: „Wenn eine Ausgabenrechnung erwünscht ist, können wir sie vorlegen“, schreibt Schwester Karoline weiter. Das klingt alles irgendwie reichlich verworren.
Keine offiziellen Informationen für die Spender
Zumal die meisten Spender in Koblenz-Metternich nach Informationen unserer Zeitung von alldem offiziell nichts erfahren haben. Bis heute. Sie wissen auch nichts davon, dass die Übernahme von Webers Kinderheim durch Cristo Vive an Unregelmäßigkeiten gescheitert ist, wie Gabriele Braun auf Anfrage unserer Zeitung bestätigt hat. Der bolivianische Geschäftsführer soll sogar Geld veruntreut haben.
Stattdessen spenden viele Metternicher nach 2018 noch jahrelang fleißig weiter. Sogar im Adventsbrief der Kirchengemeinde Metternich von 2019, der unserer Zeitung vorliegt, wird eifrig darum geworben. In Namen von Claus Weber, der zu diesem Zeitpunkt auf der Palliativstation mit dem Tod ringt. “Da ist es für uns tröstlich, dass Schwester Mayer mit ihrer Gemeinschaft das Heim leitet„, ist dort zu lesen. Seltsam. Denn Schwester Karoline hat das Heim nie geleitet, wie sie betont. Bis heute haben die Nachlassverwalter von “Arco Iris„ ihre Spender nach Informationen unserer Zeitung darüber im Unklaren gehalten.
Cristo Vive hat immerhin reagiert. Wenn auch spät. Man habe sich dazu entschieden, dass „die Spendengelder, die an uns ab 1. Januar 2020 noch weitergegeben worden waren, direkt wieder zurückzuüberweisen“, sagt Gabriele Braun. Damit habe man dazu beitragen wollen, Klarheit für die Spender zu schaffen. Davon kann zumindest in Metternich keine Rede sein. Eigentlich blickt so langsam niemand mehr richtig durch. Transparenz sieht anders aus.
Schwester Karoline und die Doku
Und dann ist da noch eine WDR-Dokumentation, die kein sonderlich gutes Licht auf Schwester Karoline Mayer wirft. In dem Film „Meine Täter, die Priester“, der 2018 in der ARD ausgestrahlt worden ist, verstrickt sich die Ordensfrau in Widersprüche. Am Ende räumt sie ein, im Jahr 2010 den Priester Peter R. beherbergt zu haben, obwohl der sich damals mit zahlreichen Missbrauchsvorwürfen konfrontiert sah. So wie Claus Weber.
In der Doku spielt Karoline Mayer die Angelegenheit runter, gibt sogar den Familien der Opfer eine gewisse Mitschuld. Das scheint selbst für eine Frau, die sich über Jahrzehnte aufopferungsvoll um Arme und Schwache in Südamerika gekümmert hat, ein wenig zu viel der christlichen Nächstenliebe gegenüber einem notorischen Sexualverbrecher.
Denn der „Peter“, wie sie ihn in der Doku freundschaftlich duzt, hat in den 1970er- und 1980er-Jahren unter anderem an einer Berliner Schule mehrere Schüler missbraucht. Einer davon ist für die Doku mit zu Schwester Karoline gekommen. Der Mann leidet immer noch schwer unter den Folgen. Hinzu kommen weitere Anschuldigungen von jungen Frauen, die Schwester Karoline persönlich kennt. Fakt ist: 2019 wird Peter R. aus dem Priesterstand entlassen und verliert sogar einen Großteil seiner Pension. Das ist für katholische Verhältnisse so etwas wie die Höchststrafe. Der Fall folgt dabei dem üblichen Muster der katholischen Kirche: vertuschen, versetzen, verschweigen.
Viele offene Fragen
Wusste Claus Weber davon? Ist es ein Zufall, dass die Dokumentation fünf Tage vor dem 20. Oktober 2018 ausgestrahlt wird, an dem Claus Weber seine Stiftung “Arco Iris" mehr oder weniger klammheimlich auflösen lässt, um die Heimleitung an Schwester Karoline zu übergeben? Und warum fließen die Spendengelder an deren Verein Cristo Vive und nicht ans Bischöfliche Hilfswerk Misereor in Aachen, wie es die Vereinssatzung vorsieht? Hoffte auch er auf so viel Nachsicht?
Und ist Karoline Mayer, die den Missbrauchstäter Peter R. gedeckt hat, tatsächlich nie zu Ohren gekommen, dass auch Claus Weber 1994 wegen Missbrauchsvorwürfen Hals über Kopf aus Bolivien nach Paraguay geflüchtet ist? Spricht sich so was in der überschaubaren katholischen Gemeinschaft in Südamerika nicht herum? Bei Cristo Vive streitet man das entschieden ab. Und so bleibt es Spekulation.
Sicher ist hingegen, dass sich Cristo Vive nach dem höchst unglücklichen Auftreten der Ordensfrau in der Doku zu einem Rundbrief an Mitglieder und Spender genötigt sieht. „Wir sind erschrocken und irritiert über die Aussagen auch und gerade von Schwester Karoline“, schreibt die Vereinsvorsitzende Gabriele Braun darin. Die Deutungen der Aussagen bedürften einer Einordnung. „Für uns sind Schwester Karoline und ihre Arbeit über jeden Zweifel erhaben“, heißt es weiter. Cristo Vive und der Missbrauch in der katholischen Kirche hätten nichts miteinander zu tun. Im Gegenteil. „Schwester Karoline stand und steht immer an der Seite der Ärmsten und Armen.“ Und an der von Peter R.