Rheinland-Pfalz
Kommentar zum neuen Infektionsschutzgesetz: Bundesregierung flirtet mit dem Autoritären

Carsten Zillmann

Jens Weber

Die Bundesregierung möchte das Infektionsschutzgesetz neu auflegen. Der Entwurf flirtet vor allem hinsichtlich der Ausgangssperre mit Rechtsbeugung. Eine Formulierungshilfe, verantwortet von Jens Spahn (CDU) und Horst Seehofer (CSU), die das Kanzleramt an die Fraktionen von Union und SPD weitergeleitet hat, sieht eine Ausgangssperre bei einer 7-Tage-Inzidenz von mehr als 100 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohnern vor. Das ist nicht neu.

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In Rheinland-Pfalz wird sie an vielen Orten bereits umgesetzt. Spannend ist allerdings die Begründung. Im Kern lautet das Argument: Die Ausgangssperre soll verhindern, dass sich Menschen zwischen 21 und 5 Uhr von einem geschlossenen Raum in den anderen bewegen. Das ist insofern stringent, da die Infektionsgefahr im Freien laut Aerosolforschern gen null geht.

Die Krux: Diese Argumentation ist bereits vor mehreren Gerichten gescheitert. So unterlag die Region Hannover vorm Oberverwaltungsgericht Lüneburg. Die Verantwortlichen hätten „nicht annäherungsweise“ erklären können, in welchem Umfang die „angeführten regelwidrigen nächtlichen Zusammenkünfte im privaten Raum tatsächlich stattfänden“. Das diffuse Infektionsgeschehen „ohne Beleg in erster Linie mit fehlender Disziplin der Bevölkerung sowie verbotenen Feiern und Partys im privaten Raum zu erklären“, sei keine Rechtfertigung für eine so gravierende Grundrechtseinschränkung.

Die Bundesregierung schreibt nun exakt diese rechtswidrige Regel in ein Bundesgesetz statt in eine Verordnung. Mit exakt derselben unzureichenden Begründung. Was ändert sich? Bürger können nur noch per Verfassungsbeschwerde gegen das nächtliche Wegsperren vorgehen. Implizit setzt die Regierung darauf, dass Bürger den Weg nach Karlsruhe aus finanziellen Gründen scheuen. Die Regierung gesteht in der Gesetzesbegründung ein, im Unrecht zu sein, macht aber für den Bürger den Weg zu seinem Recht komplizierter. Diese Methoden gehören – wie die Ausgangssperren – ins Instrumentarium autoritärer Staaten und passen nicht zu liberalen Demokratien und der freiheitlichen Gesellschaft. Sollte es im Bundesrat zur Abstimmung über dieses Machwerk kommen – wovon entgegen der Ansicht der Bundesregierung auszugehen ist – muss das Land Rheinland-Pfalz entscheiden, ob es sich mit diesen Methoden gemein machen möchte.

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