Mainz – Viele Städte und Gemeinden in Rheinland-Pfalz bieten ihren Bürgern Hilfe bei Einsprüchen gegen den Internetdienst „Google Street View“ an. Dazu zählen beispielsweise Widerspruchsformulare oder Internetzugänge. Genutzt wird das Angebot aber bislang kaum, wie eine Umfrage der Nachrichtenagentur dpa ergab.
Vielen regionalen Verwaltungen sind weder Sammelwidersprüche noch Klagen bekannt. Die Kommunen fordern besorgte Einwohner auf, selbst Widerspruch gegen die Bilder einzulegen. „Das ist Sache des Einzelnen“, erklärt auch der Verfassungsrechtler an der Uni MAINZ, Professor Friedhelm Hufen. Kommunen fehle dafür die rechtliche Grundlage.
Keine kommunale Aufgabe
„Es ist keine kommunale Aufgabe, Bürger gegen Dritte zu schützen“, sagt der Juraprofessor Hufen. Nicht Städte und Gemeinden sollten für Privatpersonen gegen Google kämpfen, sondern Rechtsanwälte und Verbraucherverbände. „Träger des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung ist immer der Einzelne“, erklärt der Rechtsexperte. Dass vielerorts Widersprüche von der Verwaltung gesammelt werden, gehöre daher eigentlich nicht zur Aufgabe der Kommunen.
Die Debatte um den Geodatendienst hat bislang in Koblenz keine große Rolle gespielt. „Es ist nicht so, dass die Stadt Koblenz sich stark öffentlich positioniert hätte und gesagt hätte “Wir wollen das nicht"„, sagt Heiko Breitbarth von der städtischen Pressestelle. Es sei die Privatentscheidung eines jeden Einzelnen, ob er die eigenen Immobilien filmen lassen wolle. Dazu seien die Bürger vom Stadtrat und im Internet über ihre Möglichkeiten informiert worden. “Aus datenschutzrechtlicher Sicht wird es beobachtet, die Bürger wurden informiert, aber es gab keine Grundsatzentscheidung oder Ähnliches, dass die Stadt Koblenz das nicht zulassen will„, sagte Breitbarth. Das Thema laufe über den Landesdatenschutzbeauftragten.
Der Mainzer Verfassungsrechtler Hufen hat zu Googles Vorhaben, ganze Straßenzüge zu filmen und ins Internet zu stellen, wenig Bedenken. Häuserfronten seien zwar Eigentum, aber jederzeit öffentlich einsehbar. “Deswegen ist die Debatte um Google Street View eine ziemliche Schein-Diskussion. Es ist ja erlaubt, Häuser zu fotografieren„, sagt Hufen. “Die Leute geraten unnötig in Panik.„ Unabdingbar sei allerdings die Wahrung des Datenschutzes – Menschen und Autokennzeichen müssten auf den Aufnahmen auf jeden Fall unkenntlich gemacht werden.
Die Stadtverwaltung Trier empfiehlt, dass jeder Bürger selbst Widerspruch gegen die Aufnahmen für “Google Street View„ einlegt. Auf der Homepage der Stadtverwaltung sei ein Widerspruchsformular hinterlegt, teilte die Stadt mit. Es gebe bereits einige Trierer, die der Stadt mitgeteilt hätten, dass sie Einspruch eingelegt haben. Wie viele dies sind, sei nicht ermittelbar. Sammelwidersprüche seien keine bekannt.
Die Kritik an dem geplanten Abfilmen von ganzen Straßenzügen vom Suchmaschinengiganten Google sei die Verletzung der Privatsphäre, hieß es. Das Recht über das Zeigen und die Verwendung persönlicher Daten selbst zu bestimmen, sei nicht gewährleistet. So seien auf Aufnahmen in ursprünglicher Form Personen und Auto-Nummernschilder sichtbar. Außerdem könnten sich die Aufbauten auf den Fahrzeugen bis zu einer Höhe von drei bis vier Metern private Einblicke verschaffen, die normalerweise von Passanten nicht einsehbar seien.
Auch die Stadt Pirmasens betont: “Die Stadt selbst kann nicht für den Betroffenen Widerspruch einlegen„, berichtet Sprecherin Heike Umlauft. “Es ist lediglich ein Sammeln von Individualwidersprüchen möglich.„ Auf Wunsch verschicke die Stadt die Widersprüche als Sammelpost. Bislang sind aber nur wenige Widersprüche eingegangen. Im Bürger-Service-Center seien lediglich etwa 20 Formulare ausgedruckt und abgegeben worden, teilt Umlauft mit. Wer kein Internet habe, könne die Anschlüsse der Stadtbücherei nutzen. Nach Wissen der Mitarbeiter seien die Computer aber nicht speziell für Widersprüche genutzt worden.
Die Stadt Landau in der Pfalz hatte im Mai geplant, Widerspruch für alle kommunalen Liegenschaften einzureichen. Davon sei inzwischen nicht mehr die Rede, sagt Stadtsprecher Horst Pede. “Das ist nicht erfolgt.„ Für die Bürger stehe auf der Homepage ein Widerspruchsformular zum Download bereits, in Bürger-Service-Stellen lägen Listen parat. Wie viele Widersprüche bislang eingegangen sind, war nicht bekannt. Die Anträge seien direkt an Google weitergereicht, die Anzahl nicht erfasst worden. “Das war im Prinzip ein Service, dass wir das weitergeleitet haben„, betont Pede.
Nach Ansicht der Landesbehörde für Datenschutz in Rheinland-Pfalz ist besonders die schnelle Verknüpfung von Adressen und Bildern brisant. “Viele Leute befällt bei dem Gedanken ein Unbehagen„, sagt deren Experte Klaus Globig. Google biete auf Knopfdruck die passenden Fotos zur Adresse auf der Bewerbung oder dem Kreditantrag. Manche Menschen fürchteten Nachteile, etwa “wenn das Häuschen in einer Gegend liegt, die etwas heruntergekommen ist oder lange nicht renoviert wurde„.
Auch die Behörde stellte ein Widerspruchsformular ins Netz. Mehrere tausend Male wurde es in den vergangenen Monaten angeklickt. Zudem erreichen die Mitarbeiter schriftliche und telefonische Anfragen. “Es kommt immer mal wieder etwas„, sagt Globig. “Immer, wenn das in der Öffentlichkeit wieder aufgegriffen wird.„ Der Datenschutz-Experte fordert eine gesetzliche Regelung – trotz einiger Zugeständnisse Googles. “Wenn Google morgen diese Zusagen kündigt, dann gibt es keine wirksame Handhabe, diese Standards aufrecht zu erhalten„, findet Globig. “Deswegen ist eine gesetzliche Regelung schon notwendig.„
Googles Geodienst beschäftigt auch Parteien und Gremien. Das Thema sei im Mainzer Stadtrat und in einer ganzen Reihe von Ortsbeiräten behandelt worden, sagt Pressesprecherin Ellen König. Beim Datenschutzbeauftragten der Stadt sei zwischenzeitlich eine große Anzahl von Anrufen eingegangen. Besorgte Bürger baten dort um Rat zum Thema “Street View". Sammelwidersprüche oder Klagen sind der Verwaltung jedoch nicht bekannt.
In der Landeshauptstadt finde bereits seit vergangenem Herbst eine intensive Auseinandersetzung mit dem Thema statt, berichtet König. In Zusammenarbeit mit dem rheinland-pfälzischen Datenschutzbeauftragten habe die Stadt ein Widerspruchsschreiben entwickelt. Das Schreiben liege in den Ortsverwaltungen, im Bürgeramt und an den Pforten von Rathaus und Stadthaus aus. Zudem sei es im Internet zu finden.
dpa
- Siehe aus dem Archiv: Schonfrist für Google Street View & Co.