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„Maria 2.0“: Versteht Stephan Ackermann seine katholische Basis noch?

Von Rolf Seydewitz
Stephan Ackermann feiert Amtsjubiläum.
Stephan Ackermann feiert Amtsjubiläum. Foto: picture alliance/dpa

Wenn sich die Gläubigen nach dem Dankgottesdienst im Dom am späten Freitagvormittag im Generalvikariat versammeln, wird Stephan Ackermann viele Hände schütteln und Glückwünsche empfangen. Der Trierer Bischof ist an diesem Tag genau zehn Jahre im Amt: Am 24. Mai 2009 wurde der damals 46-Jährige in Trier eingeführt. Ackermann wird den Gratulationsparcours im Generalvikariat genießen. In den zurückliegenden Monaten waren die Anlässe, bei denen dem Chef des Bistums anerkennend auf die Schulter geklopft wurde, eher selten. Im Gegenteil: Der in Nickenich in der Nähe von Maria Laach aufgewachsene Ackermann dürfte sich gerade in der schwierigsten Phase seiner Amtszeit befinden.

Lesezeit: 2 Minuten
Erst in der vergangenen Woche hatten auch in Ackermanns Diözese katholische Frauen im Rahmen der bundesweiten Streikaktion „Maria 2.0“ gegen die männerdominierte Kirche protestiert – zum Missfallen des Bischofs. Der Kirchenmann kritisierte öffentlich, dass er die Streikaktionen nicht für hilfreich halte, und vertröstete die Frauen auf die laufenden Gespräche der ...
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Kommentar: Die Angst vor der Spaltung der Kirche wächst

Immer wieder hört man aus Kirchenkreisen, dass die Spaltung der katholischen Kirche im Geiste schon vollzogen ist. Reformer und Bewahrer stehen einander immer unversöhnlicher gegenüber – so wie Eheleute in einer völlig gescheiterten Beziehung.

Michael Defrancesco zu den Protesten von „Maria 2.0“

„Du musst dich endlich ändern, sonst kann ich nicht mehr mit dir zusammenleben“, rufen die Reformer den Bewahrern zu. „Ich habe recht und bewege mich keinen Schritt. Dann geh doch!“, rufen die Bewahrer zurück. Jetzt tat dies der Augsburger Bischof Konrad Zdarsa, der „Maria 2.0“ scharf kritisierte und sagte, es stehe jedem frei, das Schiff der römisch-katholischen Kirche zu verlassen.

Doch genau vor diesem Schritt haben viele Reformer Angst. Ihnen ist die Kirche wichtig, sie wollen nicht einfach aussteigen und eine Kirchenspaltung provozieren. Gleichwohl sind sie aber überzeugt, dass es so wie bisher nicht weitergehen kann. Sie freuen sich, wenn homosexuelle Paare sich lieben. Sie laden ihre evangelischen Geschwister zum Tisch des Herrn ein. Sie würden gern eine Familie Pfarrer zum Grillen treffen. Sie verstehen nicht, warum eine Frau nicht auch die Beichte hören oder kirchliche Geschicke leiten sollte. Also alles Dinge, bei denen die Bewahrer Schnappatmung bekommen.

Bewahrer wie Reformer gibt es quer durch die Kirche hindurch. Hochrangige Kardinäle und Bischöfe stehen einander gegenüber – und beide Seiten können theologisch einwandfrei ihre jeweiligen Standpunkte argumentativ unterstützen. Aber je länger sie das machen, desto weniger kann einer den anderen überzeugen. Für die Bewahrer geht es um die DNA der Kirche: Fiele der Zölibat, würden Frauen zu Priestern geweiht, wäre alles am Ende. Also muss gekämpft werden, um die Kirche zu retten. Die Reformer können sich den Mund fusselig reden, aber sie dringen nicht mehr durch. Die Bewahrer haben erkannt: Wenn sie nur stur bleiben, laufen alle Reformbemühungen ins Leere. Denn so mancher Reformer ist inzwischen mit seinem Latein am Ende und weiß nicht mehr, wie und wo konsensfähige Reformen überhaupt noch möglich sind. Die Bewahrer bekommen unterdessen Oberwasser: Sie rufen „Dann geht doch“ – und meinen es so. Denn aus ihrer Sicht geht es nicht mehr um Reformen, sondern es werden rote Linien überschritten, was die Kirche zerstören würde – und da gehen sie einfach nicht mit. Dabei ist es ihnen egal, wenn sich Gläubige abwenden. Solange sie den wahren und rechten Glauben verteidigen, fühlen sie sich im Recht.

Was könnte getan werden, um „Maria 2.0“ doch irgendwie zum Erfolg zu verhelfen? Eine Lösung könnte sein, Weihe von Hierarchie zu trennen. Papst Franziskus hat bereits einen Laien zum Leiter einer Kurienbehörde, des Mediendikasteriums, ernannt. Das könnten künftig auch Frauen sein. Sie wären nicht geweiht, aber sie hätten so die Möglichkeit, an entscheidenden Knotenpunkten der Kirche mitzuarbeiten und Leitungsverantwortung zu übernehmen. Im kommenden Jahr soll an der päpstlichen Universität Gregoriana ein Theologenkongress die Rolle der Priester neu diskutieren. Auch hier wird wohl überlegt werden, Leitungsaufgaben von der Priesterweihe abzukoppeln. Priester wären dann nur noch Seelsorger. Doch ob die Bewahrer diesen Weg mitgehen oder ob eine Spaltung doch nicht abzuwenden ist, weiß der Himmel.

E-Mail: michael.defrancesco@rhein-zeitung.net

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