Rollt das Fahrrad in eine neue Blütezeit?
Zwar nutzen immer mehr Menschen das Fahrrad in der Freizeit oder als Alternative zum Auto für kürzere Strecken. 73 Millionen Fahrräder, schätzt der Zweirad-Industrie-Verband, gibt es in Deutschland. Aber die wenigsten sind regelmäßig unterwegs. Der Anteil an der Verkehrsleistung (Personenkilometer) ist deshalb relativ gering. Nach einer Prognose im Auftrag des Bundesverkehrsministeriums könnte er sich von heute 5 Prozent bis 2030 auf 9 Prozent steigern. Voraussetzung aber ist, dass wir ebenso oft auf den Sattel steigen wie die Vorreiter Niederlande oder Schweiz.
Beim Durchstarten helfen könnte dem Fahrrad elektronische Unterstützung: Der Anteil der verkauften E-Bikes oder Pedelecs liegt derzeit bei knapp 15 Prozent. Langfristig rechnen die Hersteller mit einer Verdopplung auf 30 Prozent.
Aber die Räder mit Elektromotor bergen auch Gefahren. Immer häufiger verunglücken Fahrer der elektronisch verstärkten Zweiräder. Die Zahl der Unfälle mit Pedelecs, die durch einen Elektromotor beim Treten verstärkt werden, ist 2016 stark gestiegen. Von Januar bis September waren Pedelecs in 3214 Unfälle verwickelt, bei denen 46 Menschen ums Leben kamen, wie das Statistische Bundesamt meldet. Dies entspricht einer Steigerung um 39 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum, als 2313 Unfälle mit 26 Toten registriert wurden. Zum Vergleich: Die Zahl aller Fahrradunfälle zwischen Januar und September stieg nur um rund 6 Prozent von 61.358 (2015) auf 64.964 (2016).
Auch die Zahl der Unfälle mit E-Bikes, bei denen der Fahrer gar nicht mehr in die Pedale treten muss, wenn er das nicht will, ist um 25 Prozent gestiegen: von 294 Unfällen zwischen Januar und September 2015 auf 367 im ersten Dreivierteljahr 2016.
Die Trends bestätigen sich auch in Rheinland-Pfalz. Hier gab es 2015 genau 33 Unfälle mit Pedelecs, 2016 stieg ihre Zahl auf 43, zwei davon waren tödlich. Die Zahl der Unfälle mit E-Bikes stieg von 41 im Jahr 2015 auf 113 im Folgejahr, jeweils zwei endeten tödlich.
Sind Pedelecs und E-Bikes also gefährlicher als als gewöhnliche Fahrräder? Nicht unbedingt, sagt Herbert Fuss, Leiter der Verkehrsabteilung des ADAC Mittelrhein. Zum einen sei es logisch, dass mehr Unfälle passieren, wenn mehr solcher Räder verkauft werden. „Und außerdem fahren durch die Elektrounterstützung wieder mehr ältere Menschen Rad“, sagt Fuss „Gerade Senioren bilden eine neue Nutzergruppe, die jetzt wieder ungeschützt auf dem Zweirad sitzt.“
Unter anderem sind Pedelecs und E-Bikes schwerer und schneller als gewöhnliche Fahrräder, erklärt der Verkehrsexperte. Deshalb gelte es, sich langsam an das motorunterstützte Fahren heranzutasten. Außerdem sind die E-Räder oft mit hydraulischen Bremsen ausgestattet, die mehr Kraft haben. Diese ungewohnten Eigenschaften beispielsweise beim Abbiegen zu koordinieren, bedürfe einiger Übung. Da die Räder auch schneller anfahren, müssten die Radler auf der Straße mit Fehleinschätzungen anderer Verkehrsteilnehmer rechnen und deshalb besonders aufmerksam sein. Aufgrund der höheren Verletzungsgefahr empfiehlt der ADAC zudem, einen Helm zu tragen. Für unsichere Fahrer sei außerdem ein Fahrsicherheitstraining fernab vom Straßenverkehr sinnvoll, sagt Fuss.
Ob mit elektrischer Unterstützung oder ohne: Das Fahrrad könnte die Lösung für die zentralen Mobilitäts- und Umweltprobleme unserer Zeit sein. Dessen ist sich jedenfalls Burkhard Stork sicher. Stork ist Bundesgeschäftsführer des Allgemeinen Deutschen Fahrradclubs (ADFC) und sagt: „Je mehr Menschen auf das Fahrrad umsteigen, desto weniger lärm- und abgasbelastet – sprich desto lebenswerter – werden unsere Städte.“ Radfahren sei häufig die schnellste, kostengünstigste und umweltfreundlichste Form der Fortbewegung. Besonders gefördert werde sie jedoch nicht.
Beim ADFC ist man unzufrieden mit dem Zustand vieler Radwege und der vielerorts Fahrrad-unfreundlichen Verkehrsführung. Das zeigt auch der Fahrradklimatest, den der Klub erst kürzlich herausgegeben hat. Mit der Durchschnittsnote 4 schnitten die 16 bewerteten Gemeinden in Rheinland-Pfalz dort besonders schlecht ab. Die beste Note im Land erreichte Ingelheim: eine 2,8. Am anderen Tabellenende lag Neuwied. Die Stadt wurde mit der Gesamtnote 4,7 bewertet, was weit unter dem deutschlandweiten Schnitt für Städte vergleichbarer Größe liegt (3,8). ank/dpa