Schengen

Wie Schreckenberger die Kontrollen abschaffte – Kohl umging 1985 Ministerien

Als Waldemar Schreckenberger am 14. Juni 1985 für Deutschland das Schengener Abkommen unterzeichnete, war das der Anfang vom Ende der Grenzkontrollen in der EU. „Wir haben damals zwar gehofft, dass sich viele Länder anschließen.

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Dass der Schengen-Raum aber einmal von Portugal bis Russland reicht, haben wir nicht gedacht“, sagt der heute 80-jährige Ex-Chef des Bundeskanzleramtes (1982–1984).

Vor 25 Jahren brachten Deutschland, Frankreich, Belgien, Luxemburg und die Niederlande das Übereinkommen an Bord des Fahrgastschiffes „Princesse Marie-Astrid“ im luxemburgischen Ort Schengen auf den Weg. Schreckenberger hatte das Abkommen im Auftrag von Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU) vom Grundsatz her schon ein Jahr zuvor erarbeitet – der Anlass war die deutsch-französische Grenzöffnung, die Kohl und Frankreichs Staatspräsident François Mitterrand im Juli 1984 bei Saarbrücken vereinbarten. Und zwar ziemlich im Alleingang: Hatten doch die leitenden Beamten der zuständigen Ministerien eine Grenzöffnung „einmütig als unverantwortbar abgelehnt“. Kohl entschied: „Dann machen wir es eben ohne die zuständigen Ministerien – und gab mir den Auftrag“, erinnert sich Schreckenberger. „Zunächst hatte ich natürlich verfassungsrechtliche Bedenken“, sagt der Jurist. Dann habe er aber eine Lösung gefunden: „Ich lud immer alle Ministerien zu den Sitzungen ein, ohne ihnen ein Stimmrecht zu geben.“ In drei Wochen stand der Text. Die Vereinbarung machte Schule: Nach der deutsch-französischen Vereinbarung folgte eine Ähnliche zwischen Deutschland und Österreich – und dann kam Schengen.

Die Abschaffung der Binnengrenzen und der Grenzkontrollen im Schengen-Raum kommentiert der einstige Staatssekretär stolz mit den Worten: „Es war mit das wichtigste Werk meines Lebens.“ Die Politik betrat damals politisches Neuland: „Jahrhundertelang haben sich die Staaten in Europa feindlich gegenüber gesessen.“ Heute gehören 25 Staaten zum „Schengener Raum“.

Warum gerade in dem luxemburgischen Ort Schengen im Dreiländereck zu Deutschland und Frankreich das Papier unterzeichnet wurde? „Man wollte kein Land bevorzugen, daher nahm man die Mosel als internationalen Fluss“, sagt der Mainzer Schreckenberger.

Birgit Reichert